Aus einem ländlichen Urlaubsheim für Senioren hat das Brüsseler Büro Label architecture eine Einrichtung für Jugendliche gemacht. Zwei halbrunde Anbauten aus Backstein setzen die Bestandsarchitektur in subtil abgewandelter Form fort.
Wer von Lüttich knapp 50 km nach Südwesten fährt, gelangt irgendwann in das kleine Dorf Porcheresse. In ländlicher Abgeschiedenheit finden sich dort etliche Ferienhäuser und -wohnungen, für Senioren hatte man sogar ein 1943 errichtetes Hospital zum Urlaubsheim umgebaut. Seine prägnante moderne Backsteinarchitektur mit Flachdach und vier großen Bullaugenfenstern avancierte zum beliebtesten Postkartenmotiv des Orts.
Als man nun nach einer neuen Nutzung für das Gebäude suchte, gab der ruhige, grüne, reizarme Standort den Ausschlag: Das Haus sollte zu einem Zentrum für Jugendliche mit autistischer Störung werden. Im Wettbewerb war dafür eine Erweiterung durch einen separaten Pavillon vorgesehen, doch das Büro Label architecture konnte das Verfahren für sich entscheiden, indem es stattdessen zwei direkte Anbauten an den Bestand vorschlug. Dadurch wird nicht nur der parkartige Garten geschont und weniger Grundfläche versiegelt, sondern auch die barrierefreie Erschließung aller Räume erleichtert. Denn im bereits vorhandenen Gebäude erübrigt sich das aufwendige Nachrüsten eines Aufzugs, weil dieser im Anbau Platz finden kann.
Zunächst wurde die Hausmeisterwohnung abgebrochen, die in den 70er Jahren als Seitentrakt mit Satteldach angefügt worden war und weder in Proportion, noch Architektursprache mit dem Bestand harmonierte. Ganz anders die neuen Anbauten: Sie verlängern den vorhandenen Baukörper und greifen dessen Charakteristika auf, von den roten Backsteinfassaden über die weißen Doppelflügelfenster bis hin zu den horizontalen Linien der alten Gesimse und des abgesetzten Sockelmauerwerks. Das durchlaufende Band der Fensterstürze setzt sich ebenfalls fort, allerdings in leichter Abwandlung nicht weiß gestrichen wie beim Bestand, sondern als gemauerte Grenadierschicht. Der halbkreisförmige Grundriss der beiden Anbauten schließlich lässt sich als Hommage an die Bullaugenfenster begreifen, bietet aber auch ganz pragmatisch den Vorteil, im Gebäudeinnern an den Kopfenden viel Nutz- mit wenig Flurfläche erschließen zu können.
Während im OG zwei Wohngemeinschaften für je sechs Jugendliche untergebracht sind, gibt es im Hochparterre eine Tageseinrichtung für 20 Jugendliche, in der auch Unterricht stattfindet. Im Tiefparterre wurden Werkstätten, Küche, Turnsaal und ein Snoezelen eingerichtet, ein therapeutischer Raum, der mit gepolsterter Sitz- und Liegelandschaft, sanften Lichtspielen und Klängen der Beruhigung und Entspannung dient.
~Christian Schönwetter