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Das durchdachte Dach. Wohnhaus Hunkeler in Sarnen (CH)

Wohnhaus Hunkeler in Sarnen (CH)
Das durchdachte Dach

Baukultur auf dem Dorf: Ein Gebäude von 1722 bekam eine holzbekleidete Erweiterung, die mit Anklängen an Schuppen spielt und die Fügung an den steinernen Ursprungsbau ablesbar macht. Ein sorgfältig detailliertes Dach hält Alt und Neu zusammen.

Das Projekt erhielt einen Preis beim db-Wettbewerb »Respekt und Perspektive« Bauen im Bestand 2018.

Jurybegründung:
Ein Gebäude von 1722 wurde von zahlreichen Anbauten befreit, die im Laufe der Jahrhunderte die Kubatur immer stärker verfremdet hatten. Die neue holzbekleidete Erweiterung spielt mit Anklängen an Schuppen und macht die Fügung an den steinernen Ursprungsbau ablesbar. Und doch verbindet sich alles zu einer Einheit; denn die Dachfläche des Bestands setzt sich als flacher geneigte Abschleppung über dem Anbau fort. Sorgfältig detaillierte Schattenkanten am Ortgang binden Alt und Neu zusammen. Ein origineller, unverwechselbarer Beitrag zur Frage, wie sich gewachsene Dachlandschaften des ländlichen Raums harmonisch weiterentwickeln lassen.

Architekten: Seiler Linhart Architekten

Text: Hubertus Adam
Fotos: Rasmus Norlander, Seiler Linhart Architekten

Johann Baptist Dillier war eine schillernde Figur: 1703 trat der schweizerische Jesuitenpater aus dem Orden aus, weil die Leitung seine missionarischen Aktivitäten nicht unterstützte. Nachdem er an der römischen Universität Sapienza den Doktortitel erhalten hatte, kehrte Dillier in die Heimat zurück und baute ein privat betriebenes Seminar auf – zunächst in Luzern und dann nach dessen finanziell bedingter Schließung in Sarnen, dem Hauptort des Kantons Obwalden. Eine Ziegelbrennerei und ein Landwirtschaftsbetrieb schufen die wirtschaftliche Grundlage für das Institut, das 1709 seinen Betrieb aufnahm und als Vorläufer der heutigen Kantonsschule gilt.

Für die Studenten des Seminars ließ Dillier 1722 außerhalb des Orts, in unmittelbarer Nähe zur Nordspitze des Sarnersees, ein Schul- und Unterrichtsgebäude errichten. Über die Jahrhunderte hinweg wurde es mehrfach umgebaut und erweitert; inzwischen hat die Denkmalpflege es als Schutzobjekt von lokaler Bedeutung klassifiziert. Heute in Privatbesitz befindlich, ist das Bauwerk längst von Einfamilien- und Apartmenthäusern umgeben, die aufgrund der Seenähe in den letzten Dekaden entstanden sind.

Rückbau und Anbau

Die jetzigen Eigentümer beauftragten Seiler Linhart Architekten, die in Luzern sowie in Sarnen ansässig und daher mit der lokalen Baugeschichte vertraut sind, mit der Transformation in ein zeitgemäßes, komfortables Wohnhaus.

Die Planer brachen einen großen Anbau aus dem 20. Jahrhundert ab, der auf der Westseite wie ein Seitenflügel rechtwinklig an das Hauptgebäude anschloss und als nicht erhaltenswert eingestuft wurde. Um den verlorenen Platz zurückzugewinnen, entstand eine neue Raumschicht. Sie schiebt sich im Westen gleichmäßig vor den Bestand und tritt im Norden und Süden nur leicht hinter die Flucht der bestehenden Gebäudestirnseiten zurück. Im EG umfasst dieser Anbau ein Schlafzimmer samt Bad und Waschküche, im OG finden sich ein großzügiges Küchen- und Speisezimmer sowie eine Loggia, die sich Richtung Süden und Westen öffnet.

Pragmatisch und sensibel

Erstellt wurde die neue Raumschicht als Holzkonstruktion und tritt damit in Kontrast zum mural geprägten Bestandsgebäude. Der pavillonartige Charakter wird durch eine fein detaillierte Verkleidung mit vertikalen Holzstäben und die hinter die Holzpfeiler zurücktretende Verglasung des Speisezimmers im OG noch verstärkt. Doch das Nebeneinander wird durch die Anbindung mittels eines über die gesamte Dachbreite gezogenen Schleppdachs zu einem Miteinander. Ein Satteldach nimmt die gesamte Breite des Volumens ein – erkennbar wird die Intention der Architekten, den Baubestand zu vereinheitlichen, sozusagen zu »klären«. Ein kleiner Krüppelwalm auf der Nordseite ist nun entfernt, im Süden wurde das Dach bis zur Giebelseite weitergezogen und ersetzt ein vorher tiefer gelegenes Pultdach. Die Vergrößerung schuf genügend Raum, um im Dachboden zwei zusätzliche hölzerne Schlafkammern einzubauen, die wie Häuser im Haus wirken.

Verbauungen im Altbauteil ließen die Architekten entfernen, die Fachwerkwände wieder freilegen und, wo nötig, neue Täfelungen oder Decken installieren, die ebenfalls in Holz ausgeführt wurden. Dabei setzten sie nicht auf den zur Schau gestellten Kontrast, aber auch nicht auf eine verschleiernde Angleichung an den Bestand. Vielmehr handelt es sich um ein pragmatisches Weiterbauen, das indes durch Materialwahl und sensible Detaillierung jeglicher Grobheit entbehrt. Die Unterschiede zwischen Alt und Neu sind erkennbar, und doch werden Bestand und Ergänzung im Innern wie am Äußeren zur Einheit.


Standort: Ziegelhüttenstrasse 3a, CH-6060 Sarnen
Bauherr: Familie Hunkeler
Architekten: Seiler Linhart Architekten SIA BSA, Luzern/Sarnen (CH)
Haustechnik: PB P. Berchtold Ingenieurbüro für Energie & Haustechnik, Sarnen

Beteiligte Firmen:
Dacheindeckung aus Tonziegel: Bergmuldenziegel MB 72, ZIEGELEI RAPPERSWIL, Rapperswil (CH), www.gasserceramic.ch
Wärmedämmung: Flumroc Dämmplatte 3, 120 mm, FLUMROC, Flums (CH), www.flumroc.ch
Unterdach: Isoroof Unterdachplatten, 24 mm, pavatex, Fribourg (CH), www.pavatex.ch
Fenster: Holzfenster Antico, Haupt, Ruswil (CH), www.haupt-ag.ch
Textiler Sonnenschutz: Sunline 6350 Fallarmmarkisen, Kästli & Co, Belp (CH), www.kaestlistoren.ch
Anstrich Holzfassade: Schlammfarbe, FALU VAPEN, Ruswil (CH), www.schwedenfarben.ch
Bodenbelag Beton geschliffen: Duratex Zement Design, Walo Bertschinger, Ebikon (CH), www.walo.ch


Seiler Linhart Architekten

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Patrik Seiler

1989-92 Architekturstudium an der FH Luzern. Mitarbeit u. a. bei Bearth & Deplazes, Chur. Seit 2001 selbstständig, 2010 Bürogründung mit Søren Linhart. 2013-15 Lehrauftrag an der Hochschule Luzern.

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Søren Linhart

1996-2002 Architekturstudium an der Bauhaus Universität Weimar und in Göteborg. 2002-07 Mitarbeit bei Bosshard & Luchsinger, Luzern, 2007-11 Wiss. Mitarbeit im ETH Wohnforum. 2010 Bürogründung.


Über den Autor Hubertus Adam

Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie in Heidelberg. Freier Architekturkritiker. 1996- 98 Redakteur der Bauwelt, 1998-2012 der archithese. 2010-15 Künstlerischer Leiter des S AM in Basel.

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