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Umbau des Gymnasiums in Neustadt an der Waldnaab von Brückner & Brückner Architekten

Spätmoderne, gelüftet und geliftet
Umbau des Gymnasiums in Neustadt an der Waldnaab

Nichts ist so nachhaltig wie der Umbau gebrauchter Substanz, das gilt natürlich auch im Schulbau. Brückner & Brückner öffneten in der Oberpfalz einen etwas dämmrigen, aber funktionalen Rasterbau, wie vom Büro gewohnt auf handwerklich sehr solide Weise. Was sie dem Betonkomplex an schmückendem Beiwerk hinzufügten, ist indes diskussionswürdig.

Architekten: Brückner & Brückner
Tragwerksplanung: Ingenieurbuero Ederer

Kritik: Christoph Gunßer
Fotos: mju-fotografie

Seit über 20 Jahren gelingen den Brückner-Brüdern in der Oberpfalz und in Mainfranken Umbauten von großer Prägnanz. Gerade erst errang das inzwischen 60-köpfige Team eine Auszeichnung beim Deutschen Architekturpreis für die in einem alten Kloster eingerichtete Musikakademie in Hammelburg und eine weitere beim Deutschen Städtebaupreis für die Umgestaltung der Fronfeste im heimischen Tirschenreuth zum Lernort. »Wurzeln und Flügel« überschrieb das Büro kürzlich treffend den Rückblick auf sein Schaffen, das tatsächlich einen frischen Wind in die abgelegene Gegend bringt, die so reich ist an historischen Relikten und doch oft unfähig, Geschichte weiterzuerzählen. Das wollen die Brückners, respektvoll, doch mit zeitgenössischen Mitteln.

Schwieriger wird es, wenn das Umzubauende selbst noch fast zeitgenössisch ist: Das Gymnasium in Neustadt an der Waldnaab wurde 1977 nach Plänen von Georg Rembeck, Xaver Bogner und Ferdinand Hasl fertiggestellt. Oberhalb der Kleinstadt im Wald gelegen, ist es ein funktionaler, doch recht düsterer dreigeschossiger Rasterbau, mit rauen Betonelementen verkleidet.

Nach 40 Jahren Nutzung stand eine Renovierung an: zu tiefe, darum dämmrige Räume, kein ausreichender Wärme- und Brandschutz, veraltete Technik, undichte Dächer, zum Glück kein Asbest. Eine Schwarzbrot-Aufgabe, eigentlich. Aber für Brückner & Brückner, die den Auftrag 2017 im VOF-Verfahren bekamen, musste offenbar ein ästhetischer Mehrwert dabei sein, ein Erkennungs-, ein Markenzeichen. Doch der Reihe nach.

Befreien und veredeln in drei Etappen

Der um zwei Atrien gruppierte, in alle Himmelsrichtungen ausgreifende Komplex erlaubte eine Sanierung in drei Abschnitten. Der Umbau gelang damit im laufenden Betrieb, was den rund 600 Schülerinnen und Schülern eine Zeit des Lernens in Baracken und dem klammen Landkreis als Bauherrn Kosten ersparte. Der bislang fertiggestellte erste Bauabschnitt lässt Art und Duktus der Sanierung erkennen.

Zunächst befreite das Team die zentrale Aula, die zugleich als Foyer und Verteiler dient. Der niedrige, von einer zeittypischen Akustikdecke schier erdrückte Raum ist nach dem Umbau kaum wiederzuerkennen: Die Decke zum ersten OG wurde geöffnet, sodass eine Galerie nun bei Darbietungen doppelt so vielen Gästen Platz bietet wie zuvor. Auch die Akustik hat gewonnen, was für den musischen Zweig der Schule wichtig ist. Über dem Ganzen spannt sich eine opake Lichtdecke, deren Helle wegen des darüberliegenden Klassentraktes zwar kein Tageslicht, doch ein täuschend ähnliches LED-Spektrum verstreut, sodass Aula wie Galerie angenehm zentriert und wohnlich wirken. Dazu trägt auch bei, dass die steinernen Sitzstufen durch hölzerne ergänzt wurden. Das fast etwas rustikale Finish in Eiche kontrastiert mit dem durchgängig weißen Putz und zieht sich so durchs Gebäude.

Vom nun recht hellen Zentralraum zweigen im Split-Level-System die Flure ab. Sie sind immer noch lang, doch befreite man sie wenigstens von den Fenstern am Schluss und ersetzte diese durch eine vollflächige Pfosten-Riegel-Verglasung. Die zeittypischen Fliesen an den Wänden schlug man ab und tünchte das freigelegte Mauerwerk weiß. Im Schulbau umstritten, hält sich die Nicht-Farbe bislang gut. Anstelle der Garderoben gibt es jetzt hölzerne Sitznischen für die Pause und (mittlerweile meist verhängte) Einblicke in die Klassenräume. Auch die bekamen große, teilweise zu öffnende Fensterelemente mit Rahmen aus Eiche (außen aus dunkel eloxiertem Aluminium). Allein dadurch und durch die Dämmung der Heizkörpernischen genügt die Konstruktion nun der EnEV. Natürlich wurden auch die Dächer saniert und die Heizung umgestellt auf Hackschnitzel.

Die für heutige Verhältnisse großzügigen Räume behielten ihren Zuschnitt und wurden nur durch tiefe hölzerne Paneele, hinter denen die Lüftung verschwindet, und eine schlichtere Akustikdecke mit eingelassenen LED-Leuchten veredelt. Was für ein Kontrast zum abwischbaren Kunststoff-Finish der 70er Jahre mit apfelgrünen Türblättern und orangefarbenen Laibungen!

Während die lebhaft strukturierten Steinböden in Fluren und Foyer – die Oberpfalz ist bekanntlich »steinreich« – nur aufgearbeitet werden mussten, liegt in den Klassenzimmern nun ein fast schwarzes Linoleum, das die ohnehin schon gediegene Stimmung weiter dämpft. Selbst die Heizkörper wurden schwarz lackiert.

Spiegel und Glitter am rauen Beton

Die 70er Jahre überdauern nun eigentlich nur noch außen am Gebäude, wo die charakteristische Betonfassade nicht wie so oft hinter einer Dämmschicht verschwinden musste. Ihre raue, gebrochene Streifenstruktur mit fast barock anmutenden Aussparungen über den Fenstern wurde einfach gereinigt, die Fugen zwischen den Elementen neu abgedichtet.

Doch auch hier gab es wesentliche Eingriffe. Gleich am Entree, an der Nordwestfassade, trifft die symmetrisch gefasste neue Freitreppe von der Bushaltestelle auf ein komplett geliftetes Gesicht: Wo bislang ein quer liegender Klassentrakt den direkten Zugang zur Aula versperrte, empfängt nun ein neues, breites Eingangsbauwerk.

Zwei zusätzliche Fluchttreppen, vom Brandschutz gefordert, nutzten die Architekten, um den neuen Eingang zu rahmen. Den geradezu monumentalen Effekt dieser Eckrisalite steigert der Materialkontrast: Während die zurückgesetzten schweren Eichentüren bereits Einblick in die Aula gewähren, verschwinden die Treppen hinter einer verspiegelten Fassade aus Alu-Verbundglas, die bis um die Ecke an die Schnittstellen des abgebrochenen Klassentrakts reicht.

Man mag dies einen gestalterischen Kunstgriff nennen: Entmaterialisierung durch scheinbares Verschwinden der Baumasse – zumindest ältere Architekten kennen noch die Argumentation, mit der meist kommerzielle Bauprojekte etwa in Altstadtlagen Akzeptanz finden sollten. Letztlich blieben die meisten dieser glatten Kisten aber fremd und alterten früh, von der aseptisch-hermetischen Ausstrahlung mal abgesehen. Die verspiegelten Rasterfassaden, auch unter dem Energie-Aspekt problematisch, blieben – zum Glück – ein Phänomen der Spätmoderne.

Instagrammable, aber dauerhaft?

Nun also ein Schulbau in diesem Kleid. Schüler, nach ihrem Urteil befragt, finden es »cool«. Vielleicht entspricht das Spiegelkleid sogar einer Generation der Selfies, die viel mit den Facetten ihres Selbstbildes beschäftigt ist? Rein baulich wirft die ungeschützte Haut hier aber Fragen auf, nach Dauerhaftigkeit (lässt sich da ein Fußball dagegen kicken?), Vandalismus, Vogelschlag.

Zumindest letzterer scheint bislang kein Problem zu sein. Der Naturschutz wurde an der Planung beteiligt. Auch Schäden sind nach einem Jahr Gebrauch keine zu sehen. Das kleine Gymnasium auf dem Land ist kein sozialer Brennpunkt, sondern eine gut geführte, für ihr Engagement mehrfach ausgezeichnete Einrichtung. Stapft man zur Schule durch den Wald, schallt einem fröhliche, handgemachte Musik entgegen.

Verzierter Beton: Ästhetisierung eines Alltagsbauwerks

Rein ästhetisch gibt das Nebeneinander von rauem (Kunst-)Stein und glattem Glas selbstredend viel her. Ein Schelm, wer dabei an einen runzligen Rentner denkt, der sich eine zu fesche Sonnenbrille leistet. Frivol wird es erst drumherum.

Denn auch die »Runzeln«, also die vertikalen Rillen im Strukturbeton, wurden verziert: Schmale Aluschienen schraubte man hinein, in wechselnder Dichte. Der Schelm nennt so etwas »Lametta«, ein modern geschulter Architekt fragt zumindest nach Sinn und Zweck der Maßnahme. Gerade von schädlichem Bauschaum verschont, wird die Fassade nun kunsthandwerklich beglückt. Tatsächlich dienen die Schienen offenbar nur dem ästhetischen Zweck, den Kontrast von rau und glatt, leicht und schwer, hell und dunkel zu entschärfen, was ja eigentlich nicht gewollt sein kann. Leichter wird der gewiss düstere Strukturbeton mit seiner Patina nur, wenn man arg die Augen zusammenkneift.

Solch oberflächliches Stirnrunzeln einmal weggewischt – im Kern kann man diese solide Schulsanierung nur loben. Im zweiten Bauabschnitt verwandelt sich ein ungeliebter Innenhof gerade in eine zweigeschossige Bibliothek als lichtes Pendant zur Aula; die Sporthalle wird nicht ersetzt, sondern ertüchtigt; und draußen kriegt die Theater-AG eine Freilichtbühne. Möglicherweise kommt neben die Freitreppe sogar noch ein neues Schwimmbad.


Unser Kritiker Christoph Gunßer war zwar von der Spiegelfassade nicht ganz überzeugt, fand aber das Vexierspiel ihrer Reflexionen spannend genug für ein Selfie.


  • Standort: Bildstraße 20, 92660 Neustadt a. d. Waldnaab

    Bauherr: Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab
    Architekten: Brückner & Brückner Architekten GmbH, Tirschenreuth | Würzburg
    Projektteam: Peter Brückner (GF),  Christian Brückner (GF), Andrej Maximow (Bauleitung), Kristina Kulicke, Ramona Ohla, Reinhard Schoefl, Ana Valenzuela Romero, Axel Weidner, Julia Berenz,Anton Frank, Do Wan Han, Günter Horn, Clemens Koller, Philip Schäffler, Veronika Bräuer
    Tragwerksplanung: Ingenieurbuero Ederer, Bechtsrieth
    Sanitärplanung: BSK Büro Siegfried Kleber, Etzenricht
    Heizung/Lüftung/MSR: Gammel Engineering GmbH, Abensberg
    Elektroplanung: EAS SYSTEMS GmbH, Neustadt a. d. Waldnaab
    Bauphysik: Wolfgang Sorge Ingenieurbüro f. Bauphysik GmbH & Co. KG, Nürnberg
    Brandschutzplanung: DAI Dorn Architekten Ingenieure Gesellschaft
    Gebäude & Brandschutzplanung mbH, München
    Schadstoffbeurteilung: Ingo Block Umweltberatung, Lappersdorf
    Vermessung: Galileo-IP Ingenieure GmbH, Altenstadt a. d. Waldnaab
    BGF: 11 090 m²
    BRI: 44 068 m³
    Gesamtbaukosten: ca. 17, 9 Mio. Euro (brutto)
    Bauzeit: Juni 2017 bis Januar 2020
  • Beteiligte Firmen:
    Holzfenster/Außentüren: Holzverarbeitung Bietsch, Ofterschwang
    Stahlbauarbeiten: W. Markgraf GmbH & Co KG, Immenreuth
    Trockenbauarbeiten: TM Ausbau GmbH, Puchheim
    Vorgehängte, hinterlüftete Fassade: Thiel Montage GmbH, Feucht b. Nürnberg
    Sonnenschutz: Wilhelm Sonnenschutz Gbr, Floh-Seligenthal
    Dachbdichtung: Holzbau Kohl Gmbh & Co.KG, Edelsfeld

Brückner & Brückner Architekten


Christian Brückner

Architekturstudium an der ABK Stuttgart. 1996 Büro mit Peter und Klaus-Peter Brückner. 2003 Gastprofessur an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München. 2007-08 Gastprofessur an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg. 2015 Gastprofessur an der Ecole nationale supérieure d’architecture de Nancy. 2018-19 Gastprofessur an der HBC Biberach.

Peter Brückner

Architekturstudium an der TU München. 1990 Büro mit Klaus-Peter Brückner. 1996 Büro mit Christian und Klaus-Peter Brückner. 2003 Gastprofessur an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München. 2007-08 Gastprofessur an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg. 2015 Gastprofessur an der Ecole nationale supérieure d’architecture de Nancy. 2018-19 Gastprofessur an der HBC Biberach.


Christoph Gunßer

Architekturstudien und Büropraxis in Hannover, Stuttgart und den USA. Nach Assistenz am Institut für Städtebau der Universität Hannover fünf Jahre db-Redakteur. Seither freier Fachautor.

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