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Wasserstandsmeldungen aus dem Scheibenzwischenraum

Wasserschäden in Isolierglas
Wasserstandsmeldungen aus dem Scheibenzwischenraum

Isolierglas steht für Schutz vor Wärme, Sonne, Schall. Doch es hat eine Schwäche: den Randverbund. Wann kommt es zu Schäden durch eindringendes Wasser? Was muss man als Architekt beachten, wenn man Fenster oder Fassaden aus Isolierglas plant?

Text und Fotos: Sebastian Sage

Glas ist am Bau mit anderen Materialien verbunden: Rahmen, Dichtungen, Kleber, Klötze, Randverbund, Verbundfolie usw. Diese Verbindungen sind auf Dauer nie ganz dicht. Die Materialien reagieren auf Temperaturwechsel und Feuchteveränderungen. Übliche Verbundfolien aus PVB und Verbundglas mit Gießharz sind wasserempfindlich. Daher muss der Glasrand solcher Verbundgläser abgedeckt werden.

Der Randverbund, bestehend aus Abstandhalter, Kleber, Trockenmittel und Dichtstoff, bleibt nur zeitlich begrenzt dicht. Dampf hält er dabei besser stand als flüssigem Wasser. Manche Randverbünde sind empfindlich gegen ultraviolettes Licht, müssen also geschützt werden. Wird der Sonnenschutz aufgedruckt oder -emailliert, ist die Klebung nicht fester als die Haftung der Druckfarbe oder Emailschicht auf dem Glas. Der Ort, an dem alle diese Stoffe mit dem Glas in Berührung kommen, ist der Glasfalz. In den Glasfalz dringt an all diesen Verbindungen Wasser ein. Und dieses Wasser muss wieder hinaus gelangen können. Sonst nehmen genau hier viele Schäden ihren Ausgang.

Wasser: Flüssigkeit, Dampf und Eis

Eindringendes Wasser folgt den Gesetzen der Physik. Wasser ist flüssig, Wasser ist auch Dampf und Eis. Wasser in flüssiger Form folgt dem Wasserdruck. Dieser hydrostatische Druck ist ein Produkt aus Schwerkraft und atmosphärischem Druck, der Wasser der Schwerkraft folgend nach unten bewegt, aber in kommunizierenden Röhren auch nach oben. Der Druck hängt nur von der Wassertiefe ab, und ist bei gleicher Tiefe in alle Richtungen – seitlich, nach oben und nach unten – und auf großen wie auf kleinen Flächen gleich. Das gilt auch im Innern von Bauteilen, z. B. im Glasfalz.

Wasser haftet durch Adhäsion an Oberflächen und kann der Schwerkraft trotzen. Die Kohäsion hält Wasser zu Tropfen zusammen. Auf öligen Oberflächen behält Wasser die Tropfenform, ebenso auf Glas. Auf Papier verläuft Wasser. Beide Zustände des Wassers haben am Bau ihre Tücken. Ein Wassertropfen in einer Bauteilfuge kann als Tropfenbrücke hängen bleiben, anstatt der Schwerkraft folgend abzulaufen, z. B. im Glasfalz zwischen Isolierglas und Rahmen. Wasser kann kleinste Hohlräume, Risse, Spalten füllen und in diesen entgegen der Schwerkraft kapillar aufsteigen – bis zu mehreren Metern, bis die Schwerkraft größer ist als die Adhäsion.

Dampf seinerseits folgt dem Dampfdruck in alle Richtungen, weiter, als hydrostatischer Druck, Adhäsion und Kohäsion Wasser transportieren können. Das wird zum baulichen Problem, wenn Dampf durch Abkühlen kondensiert. Wenn in Hohlräumen Wasser in flüssiger Form anfällt, aber nur dampfförmig daraus verdunsten kann, droht eine stets größer werdende Wasseransammlung.

Beträchtliche Sprengkraft schließlich entwickelt eingeschlossenes Wasser, wenn es gefriert: Es dringt flüssig ein, könnte nur als Dampf wieder hinaus, sammelt sich an und entwickelt beim Gefrieren ein größeres Volumen als die gleiche Menge Wasser. Dieser Vorgang vermag Stein und Metall zu sprengen. Warum sollte der Glasfalz davor gefeit sein?

Kurzum: Wo Glas an Rahmen anschließt – im Glasfalz –, wird es Wasser geben. Weise sagt daher die VOB: Verglasungen sind regensicher, aber nicht wasserdicht. Wo Wasser hineinkommt, muss es auch wieder hinauskönnen. Und dann wird es von Temperatur und Feuchte – mit anderen Worten vom Wetter – abhängen, ob dieses Wasser dampfförmig, flüssig oder als Eis auftritt.

Was sagen die Normen?

Viele Fenster und Fassaden haben durch Missachtung dieser kleinen Physiklektionen Schaden genommen. Daran sind leider DIN-Normen mit schuld. Die unterschiedlichen DIN-Normen – Verglasungsnorm, Fensternorm, Glasfalznorm usw. – sind nicht nur uneins, ob Wasser im Glasfalz nun dampfförmig oder flüssig ist, sie kritisieren sich sogar gegenseitig. Das darf nicht sein. Nach der Norm über die Normungsarbeit DIN 820 müssen Normen widerspruchsfrei sein.

Die Norm zum Abdichten von Verglasungen mit Dichtstoffen, DIN 18 545-1 und -3 aus den Jahren 1983 und 1992, galt mit folgendem Hinweis: »Anmerkung: Öffnungen zum Dampfdruckausgleich wurden bisher fälschlicherweise Entwässerungs- und Belüftungsöffnungen oder Glasfalzentwässerungen genannt.«

Diese Schelte des Begriffs »Glasfalzentwässerung« bezog sich auf die gleichzeitig und noch bis 2016 geltende Norm zur Dimensionierung von Fenstern DIN 18 055 von 1981: »Es muss sichergestellt sein, dass in die Rahmenkonstruktion eingedrungenes Wasser unmittelbar und kontrolliert abgeführt wird, um Schäden am Fenster und am Baukörper zu vermeiden.«

Die beiden Fraktionen »Dampfdruckausgleich« und »Entwässerungsöffnung« bestehen bis heute. Die Auseinandersetzung schlug sich in der VOB nieder (DIN 18 361 Verglasungsarbeiten). In der Ausgabe 1988 hieß es noch »Glasfalzentwässerung«, seit der Ausgabe 1992 heißt es »Dampfdruckausgleich«. Als Fensterprofile noch genormt waren, hieß es in der entsprechenden DIN 68 121 »Dampfdruckausgleichsöffnung«. Die Glasfalznorm DIN 18 545 spricht bis heute vom Dampfdruckausgleich. In der Verglasungsnorm DIN EN 12 488 aus dem Jahr 2017 heißt es wieder »Entwässerungskanal« und »Entwässerungsöffnung«. Ein reich bebilderter Anhang »A« zeigt den Wasserablauf nach unten am tiefsten Punkt, wie es für eine Öffnung zum Wasserablauf zu erwarten ist. Die alte Fensternorm DIN 68 121 aus dem Jahr 1990 zeigt die Öffnung ebenfalls unten am tiefsten Punkt, wie es für eine Öffnung zum Wasserablauf zu erwarten ist, bezeichnet die Öffnung aber als »Dampfdruckausgleich«. Das muss man nicht verstehen. (Der Obmann des zuständigen Normenausschusses schrieb mir dazu in einem Brief, das könne ich nicht verstehen, weil ich nicht Mitglied im Normenausschuss sei. ) All diese Öffnungen, egal wie sie genannt wurden, waren immer am tiefsten Punkt des Fensters anzuordnen, was bei Öffnungen für eine Entwässerung selbstverständlich zu erwarten ist. Diese Öffnungen waren nie oben am Fenster, wo etwa ein überschüssiger Dampfdruck wie durch einen Kamin den Ausgleich finden könnte.

Es mag zunächst unterhaltsam sein, wenn DIN-Normen so wenig einig sind. Es geht dabei allerdings nicht um Meinungen, sondern um Physik. Wo es Dampf gibt – laut DIN 18 545 – kann es auch Wasser geben – laut EN 12 488. Ob Wasser oder Dampf vorkommt oder gar Eis, entscheiden nicht Normen, sondern das Wetter: Temperatur und Feuchte. Und das Wetter wird sich im Zweifelsfall gegen das geschriebene Wort durchsetzen. Was 2017 die Europäische Norm endlich bestätigt.

Folgen für die Praxis und häufige Fehler

Glasfalze sind zu entwässern. Diese Entwässerung heißt zweite Entwässerungsebene. Die technischen Lösungen sind vielfältig. Die erste Entwässerungsebene ist die äußere Bauteiloberfläche.

Häufig zerstört ein simpler Fehler die Verglasungen, wenn ein Arbeiter es mit dem Silikon zu gut meint. Das Silikon verstopft dann örtlich die zweite Entwässerungsebene, Wasser staut sich, der Randverbund versagt, die Isolierglaselemente werden blind und müssen erneuert werden.

Standardfehler Nummer zwei ist ein falscher Anschluss der Fensterbank oder der Flachdachabdichtung am Fußpunkt des Fensters. Ist der Anschluss zu hoch, wird der Abfluss entweder im Unverstand verschlossen, oder Wasser aus dem Falz ergießt sich unter die Fensterbank oder unter die angrenzende Flachdachabdichtung. Dieses Detail wird umso schwieriger, je niedriger die Schwelle ausfällt. Bei barrierefreien Schwellen, wie sie im öffentlichen Bauen und bei Arbeitsstätten in allen Bauordnungen vorgeschrieben sind, ergibt sich bei einigen Profilarten die Notwendigkeit, Falze und Profile z. B. unter der Höhe eines Terrassenbelags zu entwässern. Die Industrie bietet dazu funktionierende Lösungen an, die aber mit einiger Sorgfalt in der Planung und auf der Baustelle umgesetzt werden müssen.

Nicht zuletzt sind Planungsfehler zu nennen, der größte: fehlende Planung. Wie oben dargestellt, kann aus den Fußpunkten von Verglasungen Wasser austreten, auch erstaunlich weit unten. Wer plant diese Punkte? Wenn man Fensterbauer einfach machen lässt und zugleich Abdichter auf ihre bewährten Verwahrungshöhen bestehen, ist nur eins sicher: dass es schief geht. Diese Arbeiten sind durch Planung aufeinander abzustimmen.

Aussichten

Nicht einfacher wird die Falzentwässerung durch die Forderung nach immer schmaleren Ansichtsbreiten der Fenster- und Fassadenprofile. Da gibt es physikalische Grenzen. Der Glaseinstand, der das Glas in den Rahmen einbindet, ist abhängig von der Größe der Scheibe und ihrer Durchbiegung bei Windlast, ebenso von der Notwendigkeit, das Isolierglas vor Sonnenlicht zu schützen. Derzeit ist ein Glaseinstand von 12-15 mm kaum zu unterschreiten. Die oben beschriebene Tropfenbrücke soll ein
5 mm breiter Abstand vom Isolierglas zum Falzgrund vermeiden. Weiter ist die Verglasung vor Absturz zu bewahren. Dem Kleben alleine vertrauen deutsche Vorschriften nur in geringem Maße. Mit Kleben ist also kein Platz im Glasfalz zu gewinnen. Gegenwärtig erfährt die Pfosten-Riegel-Konstruktion die Umkrempelung, dass der Schraubkanal samt Wärmedämm-Block weggelassen wird. Das reduziert die Ansichtsbreite; die Wärmebrücke wird durch den größeren Glasanteil kompensiert. Dieser Trick funktioniert natürlich nur bei großflächiger Verglasung. Die Ansichtsbreite von Pfosten-Riegel-Konstruktionen ist in den letzten Jahren von 6 auf 5 cm und schließlich auf 4 cm zurückgegangen. Ab hier greifen wieder die Grenzen der Physik.

Gestalterisch tut sich bei geklebten Verglasungen eine Diskrepanz auf. Während die Profilansichtsbreiten außen reduziert werden, sind sie von innen gesehen breiter als frühere Konstruktionen. Die Ansicht von außen ist heute anscheinend wichtiger. In der nächsten Konjunkturdelle werden hoffentlich die Nachfrager der Ansicht von innen wieder mehr Gewicht beimessen.


Sebastian Sage

Architekt, Stadtplaner und Mediator. Öffentlich bestellt und vereidigt als Sachverständiger für Schäden an Gebäuden. Lebt in Stuttgart und Berlin.

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