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Unzureichende Raumbeständigkeit

Technik
Unzureichende Raumbeständigkeit

Neue Baustoffe schaffen neue Probleme. Das macht die Beschäftigung mit Bauschäden so abwechslungsreich und lässt dieser langjährigen Artikelserie den Stoff nie ausgehen. Unternehmer, Planer und Bauherren, die mit Schäden konfrontiert sind, deren Ursache bislang nur wenig oder überhaupt nicht bekannt war, können aber auf diesen »Unterhaltungswert« gut verzichten. Entscheidend ist daher, dass schnell und sachlich über neue Probleme informiert wird, damit alle Beteiligten angemessen reagieren können. Die unzureichende Raumbeständigkeit von Hausmüllverbrennungsaschen unter Bodenplatten ist dafür ein typisches Beispiel. New materials create new problems. This makes the treatment of building defects so varied and provides continuing subject matter for this long-lived series of articles. Developers, planners and clients, who are confronted with defects of which the causes are till now little or not at all known, can well dispense with such means of “entertainment“. Decisive is here, that quick and practical information is available to enable all responsible to react appropriately. The insufficient volume stability of incinerated household waste below ground slabs is in this a typical example.

Grundsätzlich ist es begrüßenswert, Abfallprodukte weiter zu verwenden. Im Unterschied zu nicht recycelten, neuen Produkten muss bei Abfallstoffen häufig mit einer größeren Streuung der Materialeigenschaften gerechnet werden. Daher sollte man sie hauptsächlich in solchen Bauteilschichten verwenden, die nur eine unter- geordnete Bedeutung für die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit haben. So werden Recycling-PVC in Schutzbahnen, geschrotetes Polystyrol-Partikelschaum-Verpackungsmaterial als

Zuschlag in Ausgleichsestrichen und seit sehr vielen Jahren Hochofenschlacken als sickerfähiges Verfüllmaterial für die Arbeitsräume vor Kellerwänden genutzt. Seitdem in Deutschland Hausmüll zunehmend verbrannt wird, fallen Hausmüllverbrennungsaschen (HMVA) in großen Mengen (1999: 2,7 Mio t Rohasche) an, die man ebenfalls nicht auf Dauer deponieren möchte, sondern zu etwa 80 % im Straßen- oder Hochbau als Auffüllschüttungen verwendet. Unter Bodenplatten kommt diesem Material dann eine Last ab- tragende Funktion zu. Wie der folgende Schadensfall zeigt, hat in einer solchen Einbausituation eine unzureichende Raumbeständigkeit bei großen Schichtdicken fatale Folgen.
Am Rand einer ländlich geprägten Stadt wurde 1996 auf ebenem Gelände ein Kindergarten gebaut, der in einem Grundriss aus aneinander gefügten Sechseck-Waben sechs Gruppenräume und Gemeinschaftseinrichtungen umfasste. Wie bei Kindergärten üblich, war das Gebäude eingeschossig und nicht unterkellert. Aufgrund ungünstiger, feuchter und schluffiger Baugrundverhältnisse musste der Boden bis in eine Tiefe von 60 bis 100 cm ausgetauscht werden. Man verwendete dazu Hausmüllverbrennungsasche. Die nur 15 cm dicke Bodenplatte mit oberseitiger Dämmung und Fußbodenheizung wurde am Rand mit Frostschürzen versehen, auf denen die zweischaligen Mauerwerksaußenwände aufstanden. Die Außen- und Innenwände aus großformatigem Kalksandstein trugen eine mit Ringbalken gefasste Decke aus Spannbeton-Hohlkörpern. Den oberen Abschluss bildete ein Holzdachstuhl mit Ziegeleindeckung; die Dachdämmung wurde direkt auf der Fertigteildecke ausgelegt.
Bereits im zweiten Jahr der Standzeit bildeten sich vor allem an den Innenwänden der Gebäudegruppe beunruhigend breite Risse. Im Jahr 2001 – also fünf Jahre nach dem Bau des Kindergartens – wurden diese Risse verspachtelt oder mit Dichtstoffen geschlossen. Auch danach traten weiterhin erhebliche neue Risse auf; einige Risse verbreiterten sich erneut so weit, dass die Dichtstoffe versagten. In den Zeichnungen und Fotos sind die Rissverläufe des Zustands im Frühjahr 2005 dokumentiert. Angesichts der Menge und Breite der Risse kann wirklich nicht von hinzunehmenden Unregelmäßigkeiten gesprochen werden:
Wir zählten über hundert Risse, die zu einem Drittel mehr als 1 mm breit waren; einige wenige klafften 5 mm und ein besonders ausgeprägter sogar 20 mm auf. Zu fast 90 % waren Innenwände betroffen. Risse an den Außenwänden waren nur innenseitig in der Nähe der Deckenauflager oder der Fensterstürze erkennbar. Die weitaus überwiegende Zahl der Risse verlief senkrecht beziehungsweise treppenförmig in den Wandflächen. Die breitesten Risse zeigten sich fast durchweg in der Nähe der Deckenanschlüsse.
Bereits mit dem ersten Auftreten der Risse wurde über die Rissursachen spekuliert. Zunächst vermutete man, die Auswirkungen könnten auf bergbaulich bedingte Grundwasseränderungen zurückgehen. Dies wurde dann aber ausgeschlossen, da solche Einwirkungen großräumige Folgen haben müssten und daher nicht nur die Innenwände eines Gebäudes betreffen können. Man hatte auch eine mögliche, mangelhafte Raumbeständigkeit der Asche vermutet; ein Forschungsinstitut konnte aber bei einer Dampfprüfung an entnommenen Proben keine besonderen Volumenvergrößerungen feststellen. Auch das Flächennivellement eines Vermessungsingenieurs auf den Estrichoberflächen hatte große Höhenunterschiede innerhalb einzelner Räume ermittelt. Zwei Messreihen im achten Jahr der Standzeit ergaben im Zeitabstand von 16 Monaten über die gesamten Flächen gesehen aber »nur« eine Höhenveränderung von 1 bis 2 mm. Aus diesen Gründen wurde eine Volumenvergrößerung des Verfüllbodens als Ursache ausgeschlossen.
Nun begann die Suche nach baukonstruktiven Mängeln. So wurden vor allem thermisch bedingte Längenänderungen der Fertigteildeckenplatten vermutet, die in zwei Abschnitten jeweils über etwa 30 m ohne Fuge verlegt waren. Da aber auch hier die Diagnosen und Empfehlungen der nur zu Einzelaspekten hinzugezogenen Berater widersprüchlich waren, das Rissbild zudem in Teilabschnitten immer bedrohlichere Ausmaße annahm, wurde neun Jahre nach der Errichtung erneut eine vollständige Untersuchung der Ursachen veranlasst.
Vor der ersten Ortsbesichtigung hatte ich spontan vermutet, dass der Schaden sich in die Reihe schon früher begutachteter Kindergärten einordnet. In all diesen Fällen war die Längenänderungs- differenz zwischen der unmittelbar auf dem feuchten Baugrund aufliegenden, oberseitig gedämmten und abgedichteten Bodenplatte und der voll austrocknenden Stahlbetondeckenplatte ursächlich. Langjährige Leser dieser Artikelreihe werden sich an einen entsprechenden Fall erinnern: in db 7/1996 wurden Risse bei ein-geschossigen Gebäuden ausführlich beschrieben. Wenn solche Längenänderungsdifferenzen ursächlich sind, müssen typischerweise an den vom Deckenschwerpunkt entfernt liegenden Ecken Risse in den tragenden Innenwänden auftreten, die nach außen hin treppenförmig ansteigen. Dies war aber hier nicht der Fall, da sich die Spannbetonhohlkörperplatten nicht gemeinsam verkürzen. Thermische Längenänderungen waren aufgrund der Wärmedämmsituation auszuschließen.
Angesichts der widersprüchlichen Untersuchungsergebnisse wurde nun ein systematisches Rissaufmaß veranlasst. Die Rissverläufe wurden dazu in einer isometrischen Darstellung des Gebäudes eingetragen, da nur so die Verformungen des Baukörpers übersichtlich verfolgt werden können. Daraus ließ sich deutlich ableiten, dass die Risseschäden aus einer ungleichmäßigen Hebung der Bodenplatte herrühren müssen. Damit war eine unzureichende Raumbeständigkeit der Hausmüllverbrennungsasche erneut in Betracht zu ziehen.
Die genauen Vorgänge, die zur Raumunbeständigkeit von Hausmüllverbrennungsaschen führen können, sind keineswegs vollständig untersucht. Sicher ist wohl, dass sich bei Feuchtekontakt Ettringit, Gips und Calziumhydroxid bilden. Auch die Metalle Eisen, Kupfer, Aluminium und Zink können im feuchten Milieu neue chemische Verbindungen eingehen, die ebenfalls mit einer Volumenvergrößerung verbunden sind. Je nach Zusammensetzung der Asche, ihrer vorherigen Lagerung und der Art des Feuchtekontakts können diese Vorgänge erfahrungsgemäß viele Jahre dauern, und die Volumenvergrößerung kann mehrere Prozent betragen. In 1,20 m hohen Schichten wurden Hebungen von 3 bis 4 cm beobachtet.
Die mangelhafte Raumbeständigkeit der in unserem Schadensfall eingebauten Asche wurde durch die Laborprüfungen nicht erkannt, da das verwendete Prüfverfahren im 168stündigen Dampfversuch ungeeignet war: Die Dampfprüfung wurde für Stahlwerkschlacke entwickelt – sie ist in erster Linie auf das Verhalten von freiem Kalk ausgerichtet; dessen Reaktion kann man nämlich durch den Dampfversuch beschleunigen. In Stahlwerkschlacke liegt der Anteil des freien Kalks bei etwa 10 bis 15 %, bei HMVA aber nur bei 1 bis 2 %.
Für Hausmüllverbrennungsasche sind als treibende Bestandteile nicht der freie Kalk, sondern Gips und Ettringit die entscheidenden Materialien, die sich aber durch den Dampfversuch nicht nachweisen lassen. Erst in diesem Jahr – im neuen Merkblatt über »Verwendung von Hausmüllverbrennungsasche im Straßenbau« der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen – wird ein geeignetes Verfahren zur Prüfung der Raumbeständigkeit von HMVA aufgeführt. Bei diesen Untersuchungen wird die Asche unterseitig ständig mit 50 °C warmem Wasser benetzt und 120 Tage lang auf Volumenveränderungen beobachtet. Charakteristische Messkurven zeigen, dass auch nach 120 Tagen der Vorgang selbst bei intensiver Feuchtebelastung und hoher Temperatur noch bei weitem nicht abgeschlossen sein muss.
Im hier beschriebenen Fall konnte aufgrund der inzwischen neunjährigen Beobachtung der Risse abgeschätzt werden, dass die Volumenveränderungen wohl im Wesentlichen zur Ruhe gekommen sind und insofern nicht der außerordentlich aufwändige Ausbau der Aschen notwendig war. Dies hätte den teilweisen Abriss des Gebäudes bedeutet. In anderen Fällen schadensbetroffener Industriefußböden war ein solcher Austausch mit sehr hohen Kosten unumgänglich (Bilder 10, 11).
Bei den Flächennivellements der Bodenfläche des Objekts waren die Hebungen aus zwei Gründen nicht deutlich bemerkbar:
– Wandscheiben reißen in Sattellage bereits bei sehr kleinen Verwölbungen des Untergrunds. Als Grenzwert für die Rissbildungen im Mauerwerk wird in der Literatur das Verhältnis 1:3000 angegeben, das heißt bei den hier häufig vorkommenden Wandlängen um 7,5 m kann bereits bei einer Anhebung auf mittlerer Wandlänge um etwa 2,5 mm ein erster Anriss in der Wand auftreten.
– Die Verwölbung des Gesamtbodens aufgrund der Volumenvergrößerung der Aschen überlagerte sich hier mit einer ausgeprägten Verwölbung der Zementestriche. Dieser Vorgang hängt mit dem Feuchtegehalt des eingebauten Estrichs, den Austrocknungsbedingungen und gegebenenfalls auch den Bettungsbedingungen des Estrichs zusammen (siehe dazu db 11/95, Schwachstellen: Estrichrandfugen). Auch hier hatten die Estrichverwölbungen zu erheblichen Absenkungen der Estriche entlang der Fußleisten geführt, die aber in keinem Zusammenhang mit der Volumenvergrößerung der Asche stehen.
Angesichts der scheinbar lückenlosen Erfassung aller Bauprodukte in Regelwerken wird man sich nun fragen, wie ein solches Material auf den Markt gelangen kann. Müssen nicht im Rahmen von Zulassungen solche, zu schweren Schäden führende Eigenschaften entdeckt und ungeeignete Materialien ausgeschlossen werden? Dies ist aber nicht der Fall. Verfüllstoffe sind nicht bauordnungsrechtlich geregelt. Sie sind daher auch nicht in der Bauregelliste aufgeführt. Solche Stoffe benötigen insofern auch keine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, kein bauaufsichtliches Prüfzeugnis und keine bauaufsichtliche Zulassung im Einzelfall.
Das Deutsche Institut für Bautechnik erläutert dazu, dass man davon ausgeht, dass Schüttungen – gleich welcher Art – wie natürliches Baugrundmaterial zu bewerten sind. Somit müssen sie – wie andere Schüttstoffe aus natürlichem Material auch – entsprechend der jeweils geltenden Normen individuell auf ihre Eignung überprüft werden. Die wesentliche, für diesen Zweck anzuwendende Norm ist DIN 18196 – Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke, die aber auf eine Volumenvergrößerung bei Wasserkontakt nicht ausdrücklich eingeht. Erst der Eurocode 7 (DIN EN V 19871 – Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – allgemeine Regeln (1996)) spricht die »Anfälligkeit für Volumenveränderungen« ausdrücklich an. Dem Unternehmer und dem Planer kommt daher eine erhebliche Verantwortung zu, wenn HMVA eingebaut werden soll.
Diese wird offenbar vielfach verwendet, ohne dass es zu Problemen kommt. Da man einer gelieferten Asche ihr späteres Verhalten aber nicht ansieht, ist es ratsam, HMVA nur dort einzubauen, wo eine Volumenvergrößerung keine schweren Schäden nach sich ziehen kann. Ist ein Einbau unter Bodenplatten vorgesehen, sollten die Planer und Unternehmer vom Lieferanten fordern, dass nur aufbereitete und abgelagerte Aschen geliefert werden, deren ausreichende Volumenbeständigkeit nach dem dargestellten, neuen Verfahren geprüft wurde. Welche Grenzwerte noch tolerabel sind, hängt dabei von der Einbausituation ab. Im vorliegenden Fall reagierte die biegeweiche, nur 15 cm dicke Bodenplatte sehr empfindlich auf Hebungen, während die durch die Sechseckform gegeneinander ausgesteiften Plattenränder keine wesentlichen Lageänderungen zeigten.
Im dargestellten Fall konnte dem Träger des Kindergartens nicht zugesichert werden, dass in Zukunft keine weiteren Risse geringeren Umfangs entstehen werden. Standsicherheitsprobleme ergaben sich aus den Rissen nicht – wohl mussten erheblich und breit gerissene Wandflächen so weit miteinander verdübelt werden, dass die vollständige Nutzung weiterhin möglich war. Ein kraftschlüssiges Verpressen der Risse wurde nicht empfohlen, da dann bei erneuten Volumenveränderungen an anderer Stelle mit neuen Rissen zu rechnen gewesen wäre. Der Rissverschluss musste den Schallschutz wieder herstellen. Sonst wurden rissüberbrückende Wandverkleidungen beziehungsweise Tapeten vorgeschlagen, um erneute Rissaufweitungen zu kaschieren. Solche Instandsetzungen, die auf eine Minimierung der Kosten hinzielen, waren aber nur angemessen, da Gewährleistungsansprüche gegenüber den Planungs- und Ausführungsbeteiligten im dargestellten Fall nicht mehr bestanden.
Angesichts der Bedeutung des Problems für die Gebrauchstauglichkeit und auch für die Standsicherheit von Gebäudeteilen scheint es notwendig, für Schüttmaterialien wie HMVA bauaufsichtlich geregelte Prüfverfahren zu fordern. Der Ruf nach »Vater Staat« als Kontrollinstanz sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei neuen Baustoffen und Bauweisen – unabhängig der Ergebnisse von Prüfverfahren – das gesunde Misstrauen und die wache Aufmerksamkeit aller Verantwortlichen besonders gefordert sind. R. O.
Literaturhinweise: Die Literatur zum Thema der mangelhaften Raumbeständigkeit von HMVA ist spärlich: Tillmanns, W.: Bauwerkschäden in Folge von Verwendung von Hausmüllverbrennungsasche (Workshop Verbrennungsrückstände, TU Hamburg-Harburg, 2000) Mesters, K.: Raumbeständigkeit von HMVA-Aschen (Workshop Produkte aus der thermischen Abfallverwertung, Berlin, 2002) Das neue Prüfverfahren für die Raumbeständigkeit von Hausmüllverbrennungsasche ist ausführlich dargestellt im Aufsatz: Mesters, K.: Bestimmungsverfahren zur Raumbeständigkeit von HMVA-Aschen, in: VGB-PowerTech 3/2004 Das neue Merkblatt lautet: Merkblatt über die Verwendung von Hausmüllverbrennungsasche im Straßenbau, Forschungsgesellschaft für Straßenverkehrswesen, Köln, 2005
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