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Schimmelvermeidung in Schwimmenden Estrichen

Schimmelvermeidung in Schwimmenden Estrichen
Sind schwimmende Estrichaufbauten noch zeitgemäß?

Im Zuge allgemeiner Schimmelbekämpfung kommt es vermehrt zu Untersuchungen bei der Bauabnahme. Eine neuralgische Stelle ist die Dämmung unterm Estrich, die durch Rohbaufeuchte und Wasserschäden gefährdet ist. Unser Autor schlägt zwei Lösungen vor.

Text und Fotos: Ralf Gebauer

Einer Tatsache muss man sich bei der Schimmelbekämpfung bewusst sein: Grundsätzlich kommen Schimmelpilze in unserem gesamten Lebensraum vor. In einem feuchten Habitat wachsen sie an den Baustoffoberflächen (und nur an den Oberflächen!), wenn sie ausreichend Feuchtigkeit, Temperaturen und Nahrung finden. Eine Staubschicht und erst recht die baustellenübliche Verschmutzung nach Abkehren der Geschossdecke reichen als Nährstoffangebot vollkommen aus. Erst ab einem Wassergehalt von aw  0,75, das entspricht etwa einer relativen Luftfeuchte (rF) von 75 %, findet praktisch kein Wachstum mehr statt. Beispielsweise ist bei der für Schimmelpilze am schlechtesten geeigneten Substratgruppe II (dazu zählen mineralische Baustoffe und EPS) die Auskeimung bei einer Sorptionsfeuchte von 87 % rF und einer Temperatur von 15 °C nach vier Tagen abgeschlossen. Bei einem Wassergehalt entsprechend 95 % rF und einer Bauteiltemperatur von 20 °C keimen Schimmelpilze innerhalb eines Tages aus. Von den genannten Wachstumsvoraussetzungen ist baupraktisch nur eine beeinflussbar: Der Feuchtegehalt der Baustoffe.

Warum ist Schimmelvermeidung unterm Estrich wichtig?

Estriche werden insbesondere deshalb auf Dämmschichten aufgebaut, weil hier ein Masse-Feder-System aus Betonplatte und Dämmung den Trittschallschutz gewährleistet. »Feder« bedeutet aber gerade, dass diese Schicht elastisch zusammendrückbar ist. Beim Begehen des Fußbodens biegt sich die Estrichplatte etwas nach unten durch. Dadurch wird ein Pumpeffekt erzeugt, und über die Estrichrandfugen gelangen sehr kleine Partikel (Sporendurchmesser circa 10 µm) und gasförmige Bestandteile in die Raumluft.

Woher kommt der Schimmelpilz in Estrichaufbauten?

Für Bodenaufbauten in Wohngebäuden werden überwiegend Estriche auf Dämmschichten aus Polystyrol und künstlicher Mineralfaser eingebaut. Zum Schimmelpilzbefall zwischen der Deckenplatte und der Unterseite der Dämmplatte führt meist eins von zwei Szenarien:

Szenario 1: »Schadenszenario«

Dringt Wasser (geplatzte Rohrleitung, umgefallene Gießkanne o. ä.) in die Konstruktion ein, verbleibt es einige Zeit zwischen der dichten Stahlbetonplatte und der Dämmschichtebene. Sind die Wachstumsvoraussetzungen für Schimmelwachstum erreicht, keimen die immer vorhandenen Sporen aus. Die Schimmelpilze wachsen dann so lange weiter, bis kein ausreichendes Feuchteangebot mehr vorhanden ist.

Szenario 2: »Neubauszenario«

Bislang kaum beachtet, dürfte nach eigenen Untersuchungen auch folgendes Szenario häufig anzutreffen sein: Die Geschossdecke wird hergestellt, wenige Wochen danach folgt der schwimmende Estrich. Der Estrichaufbau, mit PE-Folie und PS-Dämmschicht sowie feuchtem Estrich, ist sehr dampfdicht. Folglich steigt der Feuchtegehalt an der Oberseite der Stahlbetonplatte, bis Schimmel zu wachsen beginnt.

Wieviel Wasser steckt in der Rohbetonplatte?

Bei einer Betonplatte mit einer Betongüte C35/45, einem Zementgehalt von 360 kg/m³ und einem wz-Wert von 0,66 beträgt der Wassergehalt 238 kg/m³. Etwa 40 % Wasser werden physikalisch und chemisch gebunden. Bei einer 20 cm dicken Betondecke beträgt die Verdunstungsmenge somit 19 l/m² oder ca. 10 l/m² je Seite. Das Wasser bewegt sich kapillar aus dem Beton und konvektiv von der Oberfläche des Betons. Nach Einbau des Estrichpakets kommt der konvektive Wassertransport zum Erliegen. Der diffusive Wassertransport ist zu vernachlässigen. Um die rF möglichst schnell und dauerhaft auf unter 75 % zu bringen, gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Entweder man wartet mit dem Ausbau des Gebäudes, bis die Stahlbetonplatten genügend ausgetrocknet sind. Das wird beim Rohbau im Sommerhalbjahr kaum gelingen, da nur ein geringer Unterschied in der Wasserdampfkonzentration zwischen Betonoberfläche und Außenluft besteht.
  • Oder man belüftet die Schicht zwischen der Stahlbetonoberfläche und der Estrichdämmung auch nach dem Estricheinbau.

Zur Schimmelbekämpfung Proben nehmen oder Estrich ausbauen?

Schimmelbewuchs und Feuchtegehalte in der Estrichdämmschicht entwickeln sich kleinräumig [2]. Proben von Estrich, Dämmschicht und Oberfläche der Tragplatte müssten in einem Abstand von ca. 0,5 m genommen werden. Dieses Vorgehen ist zwar technisch richtig, wirtschaftlich jedoch unsinnig, weil es günstiger wäre, zur Schimmelbekämpfung den gesamten Estrich zu erneuern. In der Praxis werden daher Estriche nach Wasserschäden nur an wenigen Stellen (erfahrungsgemäß etwa eine Probenahme-Stelle je 10 m²) beprobt. Das Ergebnis einer Probenahme-Stelle mit ca. 5 cm Durchmesser wird auf den gesamten Raum übertragen. Damit ist die Gesamtaussage hinsichtlich Feuchtegehalt und mikrobiellem Bewuchs ebenso unbrauchbar wie eine komplette Erneuerung des Estrichs nach jedem Wasserschaden.

Estrichtrocknung funktioniert theoretisch …

Was muss man zur Schimmelbekämpfung tun? Die Lösung erscheint zunächst trivial: Bauteile trocken halten! Zur Trocknung schwimmend eingebauter Estriche wird in der Literatur [3] das Unterdruck-/Saug-Verfahren beschrieben, das auch in der Praxis üblich ist: Die über die Estrichrandfugen nachströmende Luft nimmt Wasser aus den durchfeuchteten Dämmplatten auf, das durch Absaugen ausgetragen wird. Bei nicht-permeablen Dämmplatten, etwa aus Polystyrol, erfolgt der Wassertransport nach dem Abtrocknen der Oberfläche der Dämmplatte durch Wasserdampf-Diffusion. Die Dämmplatten trocknen also entlang der Oberfläche, beginnend vom Estrichrand, ab. Die Kernzone der Dämmplatte trocknet dabei vergleichsweise langsam. Bei permeablen Dämmplatten, wie etwa KMF, erfolgt der Wassertransport durch Wasserdampf-Konvektion. Die Dämmplatten trocknen mit einer annähernd senkrecht verlaufenden Trocknungsfront, beginnend vom Estrichrand hin zur Absaugstelle, ab.

Je größer der Unterschied in der Wasserdampfkonzentration ist, desto schneller wird Wasser aus der Estrichdämmschicht ausgetragen. Gleichwohl verläuft der diffusive Feuchtetransport im Vergleich zum konvektiven Feuchtetransport deutlich langsamer. Die Transportkapazität liegt etwa 1 000-mal niedriger als beim konvektiven Feuchtetransport, d. h. nicht-permeable Dämmstoffe trocknen deutlich langsamer. Permeable Dämmstoffe trocknen zwar wesentlich schneller, doch bleiben die weiter vom Estrichrand entfernt liegenden Bereiche der Dämmschicht ebenfalls relativ lange feucht. Zur Erinnerung: Die Feuchte in der Estrichdämmschicht muss innerhalb von einem bis vier Tagen auf unter 75 % abgetrocknet sein, um Auskeimung und Wachstum von Schimmelpilzmyzelen zu verhindern.

… aber nicht praktisch

So weit die Theorie. Diese geht jedoch davon aus, dass zwischen Dämmschicht und Tragschicht ein durchgängiger Luftspalt verbleibt. Die Oberflächen von Stahlbetonplatten sind aber keineswegs eben: Die zulässigen Toleranzen nach DIN 18 202 sind bekanntermaßen erheblich! Die Dämmplatten liegen an den Hochpunkten der Stahlbetonplatten auf, was eine Unterströmung mit Trockenluft verhindert. Baut man ehemals durchfeuchtete Estriche auf Dämmschicht aus, erkennt man sowohl auf der Unterseite der Dämmplatten als auch auf der Oberseite der Stahlbetonplatten Spuren von »Straßen« und häufig sogar von Pfützen. Offensichtlich strömt die Trockenluft lediglich in Bereiche, die durch Luftspalte verbunden sind. Insbesondere in Bereichen von Installationen in der Estrichdämmschicht, wie Elektrokabel, Heizleitungen und Wasserleitungen, strömt die Trocknungsluft entlang der Leitungen und nicht unter die Dämmplatten. Nicht durchströmte Bereiche können deshalb nur diffusiv, also langsam austrocknen. Daraus folgt, dass selbst elektronische Messungen und der Vergleich von Temperatur und rF in Trockenluft und Abluft keine hinreichende Aussagekraft haben – die Anreicherung der Abluft ist nach ein bis zwei Wochen Trocknung so gering, dass sie nicht erfasst werden kann.

Vorbeugen ist günstiger …

Wie gezeigt, ist eine einwandfreie Entfeuchtung der Estrichdämmung i. d. R. nicht erreichbar. Die Kosten für eine technische Trocknung mit anschließender Beprobung übersteigen oft die Kosten für eine Erneuerung des Estrichaufbaus. Immerhin würde der Ausbau des Estrichs im »nassen« Zustand Kosten für Abschottung, Schleuse und Unterdruckhaltung der Schadenstelle ersparen. Ein durchgehendes Unterströmen der Dämmplatten von vornherein einzuplanen, ist also sinnvoll für eine effektive Schimmelbekämpfung. Dafür bieten sich sogenannte Wirrgelege an, die mit 6 mm Höhe die notwendige Belüftung dauerhaft sicherstellen und auch beim Begehen in vernachlässigbarem Maß zusammengedrückt werden. Wird der schwimmende Estrich neu eingebaut, können PE-Rohre (40 mm) zur Be- und Entlüftung vorgesehen werden, die nach ausreichender Trocknung der Rohbetonplatte verschlossen werden. Bei erdberührten Bodenplatten ist auf ausreichend kleine Randfugen zur Vermeidung eines hygrothermischen Schadens zu achten.

… und noch günstiger:
ganz ohne schwimmenden Estrich?

Um der gesamten Problematik aus dem Weg zu gehen, wird das System Bodenaufbau in letzter Zeit auch ganz neu gedacht: Statt vieler einzelner Funktionsschichten, die später nicht mehr erreichbar sind, sollte das ganze System im Interesse der Schimmelbekämpfung vereinfacht werden. Dabei sollen die üblichen Anforderungen an Bodenaufbauten – Schallschutz, Brandschutz, Ästhetik, Wärmeschutz – selbstverständlich erhalten bleiben. Das Weglassen des Estrichs wäre zudem noch deutlich wirtschaftlicher. Wäre nicht so etwas vorstellbar?

  • Schallschutzanforderungen mit ausreichend dicken Stahlbetondecken (ca. d = 30 cm) und entsprechendem Bodenbelag erfüllen
  • Brandschutzanforderungen damit ebenfalls erfüllt
  • ästhetische Ansprüche durch Spachteln der Rohbetonoberfläche und Einbau eines Bodenbelags erfüllen
  • Die EU-Gebäuderichtlinie fordert ab dem Jahr 2021 den Niedrigstenergiestandard bei Neubauten. Die geringen Mengen an Heizenergie werden dann ohnehin nur noch über
    die Lüftungsanlagen zugeführt, weshalb Fußbodenheizungen keinen Sinn mehr ergeben. Ergänzend könnte man auch die Stahlbetondecke aktivieren.

Weitere Informationen:

[1] Roma Thamm, Christina Poethko-Müller, Antje Hüther, Michael Thamm: Allergische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland, Journal of Health Monitoring 2018 3(3), Robert Koch Institut, Berlin

[2] Ralf Gebauer, Michele Bianchi-Janetti, Fabian Ochs, Wolfgang Feist, Martin Kirchmair: Messtechnische Untersuchung der Trocknung und des mikrobiellen Wachstums nach irregulären Feuchtezuständen in Estrichdämmschichten, in: Bauphysik Band 39, Ausgabe 1, Februar 2017

[3] WTA-Merkblatt 6-15: Technische Trocknung von durchfeuchteten Bauteilen, Teil 1: Grundlagen, Fraunhofer IBR Verlag, Stuttgart 2013


Über den Autor Ralf Gebauer

1989-94 Studium des Bauingenieurwesens an der TU München. 1994-2000 Mitarbeit bei verschiedenen Bauunternehmen. Ausbildung zum Sachverständigen. Seit 2001 eigenes Sachverständigenbüro, ö. b. u. v. Sachverständiger der IHK München und Oberbayern. 2013-17 Studium der Mikrobiologie an der LMU München und der Universität Innsbruck, Promotion.


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