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Geeignete Baustoffen für eine Schimmelabschottung

Geeignete Baustoffen für eine Schimmelabschottung
Schimmel abschotten oder nicht?

Schimmelpilze dürfen innerhalb von Bauteilen vorkommen, wenn diese gegenüber Innenräumen abgeschottet sind. Das Aachener Institut für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik untersuchte nun, ob bauübliche Materialien dafür geeignet sind.

Text: Matthias Zöller, Silke Sous, Thomas Warscheid; Fotos: AIBau, Joachim Hansen

Es gibt Bauteile, die nach dem zweistufigen Feuchtigkeitsschutz- oder Abdichtungsprinzip bestimmungsgemäß feucht werden, z. B. Estriche. Daher werden nach der aktuellen DIN 18534-1 und -2 Abdichtungen unter Estrichen angeordnet (bisher: DIN 18195-5). Diese Bauweise wird seit Jahrzehnten insbesondere in Nassräumen, z. B. in Küchen, angewendet, ohne dass daraus raumhygienische Probleme erwuchsen. Zeigt das, dass »übliche Bauteile« geeignet sind, den durch Feuchtigkeit entstandenen mikrobiellen Bewuchs unter und in Estrichen oder in anderen Hohlräumen von Innenräumen abzuhalten? Ist die Hygiene von genutzten Innenräumen trotz Befall in Fußbodenaufbauten oder Hohlräumen in Bauteilen gewährleistet? Können gesundheitliche Gefahren ausgeschlossen werden, ohne das betroffene Bauteil auszutauschen?

Abschottungen nach UBA-Schimmelleitfaden 2017

Der Schimmelleitfaden 2017 [1] unterscheidet vier Nutzungsklassen:

  • Nutzungsklasse I stellt besondere Bedingungen an die Keimfreiheit, wie sie etwa in Krankenhäusern erforderlich ist. Diese Räume sind nicht Gegenstand des Leitfadens.
  • Der Nutzungsklasse II sind Räume zugeordnet, in denen sich Menschen ohne stärkere Immunsupressionen über längere Zeiträume aufhalten. Diese Räume sind nicht keimfrei und müssen es auch nicht sein.
  • Nutzungsklasse III beschreibt (reduzierte) Anforderungen an Räume, die nicht dem längeren Aufenthalt von Menschen dienen, etwa Abstellräume.
  • Nutzungsklasse IV sind Raumbereiche, die gegenüber Räumen der Nutzungsklasse II abgeschottet sind.

Diese Differenzierung ist richtig, da umfassende Maßnahmen in Räumen sinnlos sind, die durch ihren bestimmungsgemäßen Gebrauch oder durch ihre Bauweise nicht die Hygieneanforderungen von Innenräumen erfüllen müssen. Die meisten Altbaukeller oder bestimmungsgemäß feuchte Fußbodenaufbauten würden nach einer Instandsetzung kurze Zeit später den gleichen Zustand aufweisen wie vor einem Schadenseintritt. Gleiches gilt für viele Aufbauten in Altbauten, bei denen man, wenn man misst, grundsätzlich fündig wird. Wenn dort nicht mit der gleichen Akribie gereinigt wird, hat dies keine negativen Folgen für Nutzer.

Der UBA-Leitfaden fordert für Abschottungen zwischen den Nutzungsklassen nur, dass diese »geeignet« sein müssen, sagt aber nichts darüber aus, welche Anforderungen ggf. zu erfüllen sind.

Völlig überzogen?

Fallbeispiel: In einem in Massivbauweise errichteten Klinikgebäude beschwerten sich nach ca. zwei Jahren die Nutzer über Geruchsbildungen. Das war für einen Privatsachverständigen Anlass, nach Schimmel zu suchen. Der Sachverständige gab an, dass der Estrich zu feucht gewesen sei und dies die Ursache für eine hohe Sporenbelastung in der Dämmschicht des Fußbodenaufbaus sein müsse. Nach der Vorlage des Gutachtens wurden alle Fußböden im EG und OG zu Kosten von etwa einer halben Mio. Euro ausgetauscht und diese Kosten vom Architekten eingefordert. War das erforderlich?

Dies wurde im späteren gerichtlichen Verfahren verneint. Während der Bauerrichtung waren keine Fehler unterlaufen, der Sachverständige hatte falsch beraten. Der Fußbodenaufbau bestand aus feuchteunempfindlichen Stoffen, in denen nur eine unproblematische Schimmelbelastung vorlag. Das war zu erwarten gewesen, denn während des Bauens liegen keine Reinraumbedingungen vor; vor der Verlegung der Dämmung unter einem schwimmenden Estrich wird der Untergrund nicht feingereinigt. Die Ursache des Geruchs hatte der Sachverständige nicht feststellen können. Sie waren wohl auf Emissionen aus einem Bodenbelag zurückzuführen, wie das in einem Nachbargebäude auch der Fall war. Der Klinikbetreiber blieb damit auf den Kosten für den Fußbodenaustausch sitzen.

Forschung zu Abschottungen

Die raumhygienischen Bedingungen in Räumen mit feuchten Fußbodenaufbauten sind offensichtlich gewährleistet. Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? Diese Fragen waren Anlass für ein Forschungsprojekt [2], das Fälle untersuchte, in denen Schimmelpilze nach Feuchtigkeitsbildung in Bauteilen nicht entfernt, sondern gegenüber dem Innenraum abgeschottet wurden. Neben diesen praktischen Untersuchungen wurden im Labor handels- und bauübliche Stoffe bzw. Bauteile auf ihre Durchlässigkeit gegenüber Schimmelsporen geprüft.

Die Forschungsarbeit befasst sich ausschließlich mit der Auswirkung von Schimmel innerhalb von Bauteilen, u. a. Fußböden, und dessen Auswirkung auf die Raumhygiene. Sie beschäftigte sich nicht mit rechtlichen Ansprüchen. Ebenso wurden keine Bauteilschädigungen berücksichtigt, die auf Feuchtigkeit beruhen können, etwa holzzerstörende Pilze in Holzbauteilen. Freisetzung von Gefahrstoffen bei Trocknungen, z. B. von Asbest, war ebenfalls nicht Gegenstand dieser Forschung.

Parallel zu den Forschungen im Labor wurden 2 300 Sachverständige nach der Häufigkeit von Schimmelpilzschäden in den letzten zehn Jahren befragt. Beteiligt haben sich etwa 250 Sachverständige. Nach deren Angaben sind am häufigsten Schichten in Fußbodenaufbauten (118 von 177 Fällen) und innerhalb leichter Wandkonstruktionen befallen (114 von 177 Fällen). Die Sachverständigen kamen zum Ergebnis, dass Schimmel in Bauteilen, der keine Bauteilschädigungen zur Folge hat und nicht mit der Innenraumluft in Verbindung steht, ohne Auswirkung auf die Raumhygiene verbleiben kann. In der Praxis allerdings werden immer wieder Bauteile, die nicht geschädigt, sondern nur befallen sind, trotz raumhygienischer Unbedenklichkeit ausgetauscht – weil entweder rechtliche Ansprüche gegenüber Dritten, etwa Verkäufer, Vermieter oder Versicherungen, dies zulassen oder die Bauteile aus psychologischen Gründen ausgetauscht werden, um die Bewohner zu beruhigen.

Laboruntersuchungen

Für die Prüfung der Durchlässigkeit für Schimmelpilzsporen und Hyphenfragmente wurde eine Doppelkammer mit einem »Schwarzbereich« und einem »Weißbereich« eingerichtet. Zwischen den Kammern wurden zur Durchlässigkeitsprüfung eingebaut:

  • kartonkaschierte Gipsplatten (ohne und mit Hydrophobierung) sowie faserverstärkte Gipsplatten
  • Holz (massiv und verleimte Querschnitte) und Holzwerkstoffe (Holzfaserplatte, Pressholz, Spanplatte und OSB-Platte)
  • Dämmstoffe (expandiertes und extrudiertes Polystyrol EPS und XPS, Steinwolle)
  • Zementestrich
  • diffusionshemmende Kunststofffolien

In einer zweiten Messreihe wurde untersucht, wie durchlässig Estrichrandfugen zwischen Kalksandstein und Beton

  • mit und ohne Folienranddämmstreifen
  • mit und ohne Polystyrol bzw. Steinwolle als Estrichdämmung

sind. Weder die geprüften Baustoffe noch mit Folienranddämmstreifen geschlossene Randfugen ließen Sporen oder Hyphenstücke hindurch. Auch nach dem Entfernen des Foliendämmstreifens stieg die Sporenkonzentration nach einer Luftverwirbelung und damit erzeugtem konvektivem Luftstrom zunächst nur gering an, weil die Pilzsporen auf dem elektrostatisch geladenen Polystyrol anhingen. Erst die Entfernung des Polystyrols hob diesen »Abfangeffekt« auf.

Gesundheitliche Aspekte

Solange keine Aspekte aus Vertragsansprüchen oder der Psychologie relevant sind, geht es bei Schimmelpilzinstandsetzungen um die Gesundheitsvorsorge. Dazu sind der Schimmelpilzbewuchs zu beseitigen, die Raumhygiene zu sichern und schadensbedingte Geruchsbelästigungen zu beseitigen [3]. Damit ist bereits die Forderung nach einem hygienisch einwandfreien Wohnungszustand erfüllt. Die Existenz von schimmelpilzspezifischen Krankheitssymptomen wird gegenwärtig vom Großteil der Mediziner verneint. Daher erachten Umweltmediziner umfassende Analysen von Schimmelpilzen, Toxinen, PAMPs oder MVOCs als nicht notwendig [4]. Diese würden sich ohnehin nur auf Räume der Nutzungsklasse II beschränken. Andere Bereiche, die sich auf diese nicht auswirken können, sind nicht relevant [5]. Raumlufthygienische Messungen dienen der Gesundheitsvorsorge für Innenräume. Sie können auch Hinweise zu Quellen liefern, die in anderen Bereichen liegen, die gegenüber Innenräumen nicht (hinreichend) abgeschottet sind. Wenn aber keine Übertragung aus diesen Bereichen in Innenräume möglich ist, kommt es unter raumhygienischen Aspekten auf den Zustand innerhalb dieser Bauteilschichten nicht an [6].

Fazit

Bei Schimmelpilzbefall werden häufig Bauteilschichten nicht wegen hygienischer Notwendigkeiten ausgetauscht, sondern wegen eines durchsetzbaren Anspruchs gegen andere. Haben Betroffene aber keinen Anspruch auf Kostenübernahme, wird nach hygienischer Notwendigkeit entschieden. Durch die differenzierte Vorgehensweise des Schimmelleitfadens wird Menschen, die nicht ganze Bauteile auf eigene Kosten austauschen lassen können, ermöglicht, dennoch eine hygienisch einwandfreie Situation herstellen zu lassen.

Die Messungen zeigen, dass übliche Bauteilschichten Schimmel innerhalb von Bauteilen gegenüber Innenräumen abschotten. Durch üblich verschlossene Randfugen findet kein konvektiver Luftaustausch statt. Um aber ganz sicherzugehen, dass keine Partikel vom Bereich unter dem Fußboden in den Innenraum gelangen, sollten Randfugen ergänzend z. B. mit Dichtstoffen verschlossen werden.

Das Forschungsprojekt erklärt, warum die seit Jahrzehnten üblichen Fußbodenaufbauten mit bestimmungsgemäß feuchten Schichten hygienisch funktionieren. Eine Unterscheidung zwischen bestimmungsgemäß feuchten und bestimmungsgemäß trockenen Fußbodenaufbauten ist aber bei sonst gleichen Verhältnissen nicht zu rechtfertigen. Sofern Geruchsbelästigungen oder feuchtigkeitsbedingte bzw. biogene Materialschäden auszuschließen sind, können Schimmelpilze in Bauteilen i. d. R. gefahrlos verbleiben.

Abschottungen ersparen den Austausch von Bauteilen, ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen von Bewohnern und Nutzern zu riskieren. Der Leitfaden [1] enthält keine nachvollziehbaren Anforderungen an abschottende Schichten und hatte hilfsweise Diffusionsdichtheit gefordert. Der Forschungsbericht zeigt, dass diese Anforderung unnötig scharf ist. Bauübliche Stoffe genügen zur Abschottung.

Technische Gutachten sind keine juristischen Empfehlungen

Diese Ergebnisse der Forschungsarbeit des AIBau [2] wurden in einem Zeitschriftenbeitrag [7] angegriffen, die es aus fachlichen und juristischen Gründen für falsch halten, von Schimmel befallene Bauteile zu belassen. Sachverständigengutachten dürfen jedoch keine Rechtsansprüche regeln, sondern müssen technisch-objektiv beraten. Sie haben erst dann Rechtsfolgen, wenn Gerichte sie zur Grundlage ihrer Urteile machen. Ob Mängel vorliegen oder nicht, bestimmt sich ausschließlich nach Vertragsrecht. Deswegen wurde für das Forschungsprojekt der Blick auf rechtliche Auswirkungen ausdrücklich ausgeschlossen. In diesem Kontext möge auch darauf hingewiesen sein, dass Planer und Sachverständige in Haftung genommen werden können, wenn sie mit maximierender Beratung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen. Auf der sicheren Seite liegende Empfehlungen sind nicht unbedingt sicher. Wer glaubt, mit Kanonen auf Spatzen schießen zu müssen, muss sich des Risikos bewusst sein, die Kosten für die Kanonenschüsse eventuell selbst tragen zu müssen. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit erlauben eine differenzierte Vorgehensweise, die vor Haftungsfallen schützt.

Der privat tätige Sachverständige des Eingangsbeispiels hatte übrigens das Glück, wegen Verjährung nicht mehr in Anspruch genommen werden zu können.

[1] Leitfaden zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden, Umweltbundesamt (UBA) 2017
[2] Sous, S.; Warscheid, T.; Zöller, M.: Instandsetzung von Schimmelschäden durch Abschottung – Partikeldichtheit von Baustoffen. AIBau/LBW Bioconsult, Juli 2019
[3] Deitschun, F., Warscheid, T. et al.: Richtlinie zum sachgerechten Umgang mit Schimmelpilzschäden in Gebäuden – Erkennen, Bewerten und Instandsetzen« Netzwerk Schimmel, 2014
[4] Medizinisch-klinische Diagnostik bei Schimmelexposition in Innenräumen. GHUP – Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin; Koordination: Heinzow, B., Herr, C.E.W. und Wiesmüller, G.A., 2015
[5] Leicht, K., Moriske, H.-J.: Schimmelinstandsetzung durch Abschottung in Innenräumen. Der Sachverständige 11/2019, S. 279-294.
[6] Warscheid, T.: Schimmel ohne Auswirkungen in Innenräumen kann bleiben. Tagungsband Aachener Bausachverständigentage 2019, S. 213-218
[7] Betz, S., Haun, P., Herrnstadt, C., Kern, J., Kussauer, R., Lorenz, W., Münzenberger, U., Trautmann, C.: Abschotten reicht nicht. Bauen im Bestand, 2/2020, S. 54-60


Weitere Informationen: // Literaturhinweise:

[1] www.umweltbundesamt.de/gesundheit/innenraumhygiene/innenraumluftkontaminationen.pdf
[2] www.stuttgarter-zeitung.de vom 9. August 2013, »Narkotikum in der Luft: Kita bleibt zu«


Über die Autoren:

Matthias Zöller
s. db 12/2019, S.121

Silke Sous
s. db 3/2017, S. 145

Thomas Warscheid
Biologiestudium in Konstanz und Saabrücken, 1991 Promotion an der Universität Oldenburg, anschließend dort Assistenzprofessur. 1995-2002 Aufbau und Leitung der Abteilung Mikrobiologie an der MPA Bremen, seit 2003 eigenes Fachlabor LBW Bioconsult. Seit 2016 ö. b. u. v. Sachverständiger für Mikrobielle Schäden im Bauwesen. Lehraufträge an der TU München und FH Erfurt für Mikrobiologie in der Denkmalpflege.


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