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Nah am Wasser gebaut: Feuchteschäden am Mauerwerk instandsetzen

Innenleben alter Mauern: Feuchteschäden und ihre Instandsetzung
Nah am Wasser gebaut?

Nah am Wasser gebaut?
Abb. 01: Lange vernachlässigt: Im Inneren und auf den Mauerkronen des Turmstumpfs einer Burgruine haben sich Bäume und Sträucher angesiedelt, das Mauerwerk weist einzelne Ausbrüche auf. (Bild: Christian Kayser, München)

Ein Problem, das selbst den dicken Mauern aus Mittelalter, Renaissance oder Barock zu schaffen macht, ist Feuchtigkeit. Welche dadurch bedingten Schäden gefährden das ehrwürdige Mauerwerk? Und wie lässt es sich denkmalgerecht instandsetzen?

Autor: Christian Kayser

Ägyptische Denkmalpfleger muss man sich als glückliche Menschen vorstellen: In der Trockenheit der Wüste bleiben selbst ungebrannte Tonziegel über mehr als dreitausend Jahre erhalten. Unser weniger freundliches Klima dagegen macht die Erhaltung alten Mauerwerks zur reinsten Sisyphosarbeit – die meisten Bauschäden stehen direkt oder indirekt in Verbindung mit Feuchtigkeit. Die in engen Zyklen nötigen Instandsetzungen lassen den Erhalt von exponiertem Mauerwerk zu einer Aufgabe ohne echten Abschluss werden.

Feuchteschäden an historischem Mauerwerk

Nur ein Teil der Schäden ist auf die direkte Einwirkung von Witterungsfeuchte auf die Maueroberflächen zurückzuführen: Bei gut ausgeführtem Mauergefüge werden zwar die Mörtelfugen sukzessive oberflächig ausgespült, der Mauerverband bleibt jedoch stabil. Ein beträchtlicher Teil der Schäden ergibt sich hingegen aus den indirekten Folgen der Feuchteeinwirkung – Pflanzen können in den offenen Fugen siedeln und mit ihrem Wurzelwerk das Gefüge zerrütten, eine Gefahr, die allerdings durch regelmäßige Pflege minimiert werden kann. Erst bei langjähriger Vernachlässigung stellen sich gravierende Schäden bis hin zu Ausbrüchen ein (Abb. 1).

Staunässe und Einlagerung von Salzen

Eine deutliche Gefährdung der Konstruktion resultiert auch aus der langfristigen Einwirkung von Staunässe: Offene Wehrgänge oder Turmplattformen etwa besaßen zur Vermeidung stehenden Wassers allgemein eine reguläre Entwässerung mit einem definierten Tiefpunkt und Abläufen, das eigentliche Mauerwerk war beispielsweise mit einem Belag plattiger, im Mörtelbett verlegter Steine geschützt. Zu Feuchteschäden kommt es, wenn bei einer Turmplattform die Entwässerung nicht mehr gewartet wird und die Auslässe schließlich mit Schutt und organischem Material zugesetzt sind. Niederschlagsfeuchte und Schmutz stauen sich; es bildet sich eine durchfeuchtete Substratschicht, in der über die Jahre Buschwerk bis hin zu Bäumen gedeihen kann.

Auch am Hang liegenden Wehr- oder Stützmauern droht Gefahr: Auf der Hangseite wird über das Geländegefälle verstärkt Nässe eingetragen, die sich hinter der Mauer im Erdreich staut. Porige Mauersteine durchfeuchten und der Mauermörtel wird ausgeschwemmt. Im Winter friert die oberflächennahe Nässe auf und sorgt für Abplatzungen. Wird oberhalb am Hang im Winter auch noch Salz gestreut (etwa auf Spazierwegen), so transportiert die in den Mauerquerschnitt eindringende Feuchtigkeit zusätzlich gelöste Salze, die dann bei der Verdunstung der Feuchte über die Maueroberflächen auskristallisieren. Es kommt dabei zu einer deutlichen Volumenvergrößerung der Salze; die Oberflächen werden regelrecht aufgesprengt.

Die Instandsetzung von „versalzenem“ Mauerwerk ist ausgesprochen aufwendig. Soweit möglich, müssen Steine und Mörtel mit bauchemischen Behandlungen vom Salz befreit werden. Zusätzlich muss gewährleistet werden, dass der Zyklus von Lösung und Auskristallisation nicht erneut einsetzt. Eine verantwortungsvolle Instandsetzungsmaßnahme sollte in jedem Fall über eine reine Symptom-Reparatur hinausgehen. Vor Beginn der Instandsetzung müssen daher vor allem Fragen zum zukünftigen Feuchteschutz geklärt werden. Ebenso wie bei einem Neubau gilt das Prinzip „Abhalten, Ableiten, Ablüften“!

Feuchteinduzierte Aufspaltung des Mauerquerschnittes

Besonders schadensanfällig ist das Mauerwerk von Ruinen mit seinen Abbruchkanten. Die unregelmäßige Bruchführung bietet eine große und zerklüftete Oberfläche mit zahlreichen Ansatzpunkten für Schmutztaschen. Der offengelegte Mauerquerschnitt begünstigt Feuchteschäden: Sowohl historisches Naturstein- wie auch Ziegelmauerwerk ist häufig als „mehrschaliges“ Gefüge im Querschnitt aufgebaut – in der Bauausführung wurden dabei zuerst die äußeren, später sichtbaren Mauerflanken sorgfältig im Verband aufgemauert, der Zwischenraum im Mauerkern wurde dagegen einfach mit übrigem Material und Bruchsteinen verfüllt und mit Kalkmörtel ausgegossen.

Damit ein stabiler Verbund zwischen den äußeren Mauerschalen und dem Kernmauerwerk entsteht, muss eine ausreichende Verzahnung hergestellt werden, etwa mit einzelnen, nach innen herausragenden und in das Kernmauerwerk einbindenden Steinen. Bei etwas nachlässig ausgebildetem Verbund zwischen Mauerschalen und Mauerkern kann Feuchtigkeit in den Mauerquerschnitt eindringen und sich in der „Fuge“ zwischen den einzelnen Teilen sammeln. Bei Frost vergrößert sich das Volumen, es wird lokal die Mauerschale vom massiven Mauerkern abgesprengt. Pflanzen, die auf den Oberflächen von Ruinenmauern siedeln, verstärken den Schadensmechanismus, da ihre Wurzeln gleichfalls bevorzugt in den Spalt zwischen äußerem Mauerwerk und Mauerkern wachsen. Es bilden sich Beulen, in denen großflächig die äußere Schale vom Kern gelöst ist, und die – werden sie nicht bemerkt – eine Gefährdung für Spaziergänger oder neugierige Ruinenkletterer darstellen, da sie jederzeit plötzlich ausknicken und einstürzen können (Abb. 2, 3).

Welches Instandsetzungsverfahren sich für einen aufgespaltenen Mauerquerschnitt eignet, hängt davon ab, ob die abgelöste Schale in sich noch tragfähig und in einem festen Verbund ist oder ob sich das Gefüge bereits in einem stark aufgelösten Zustand befindet. Im ersten Fall kann „chirurgisch“ repariert werden: Soweit möglich, muss der Spalt zwischen den beiden Mauerteilen von Schutt beräumt werden. Danach kann das abgelöste Mauerstück mit zahlreichen vorsichtig eingebohrten Nadelankern wieder mit dem Mauerkern „vernäht“ werden; der Spalt wird abschließend mit einem geeigneten, auf den Bestand abgestimmten Mörtel vergossen und injiziert. Ist dagegen das abgelöste Mauerstück bereits so stark zerrüttet, dass akute Einsturzgefahr besteht, bleiben häufig nur noch Rückbau und Erneuerung des abgelösten Mauerstückes. Um zu vermeiden, dass solche Feuchteschäden wiederholt auftreten, wird das erneuerte Mauerwerk gleichfalls kraftschlüssig mit dem Kernmauerwerk verbunden. Denkmalpflegerisch und ökologisch sinnvoll ist eine Wiederverwendung der Bestandssteine bei der Vermauerung des Ausbruchs. Bei besonders hochwertigem Bestand können die Mauerquader vor dem Ausbau aufgemessen und nummeriert werden.

Feuchteschäden durch unsachgemäße Instandsetzungsverfahren

Den durch direkte Feuchteeinwirkung verursachten Schäden stehen heute vor allem gravierende Probleme an historischem Mauerwerk gegenüber, die auf fehlerhafte frühere Instandsetzungs- versuche zurückzuführen sind: Zahlreiche Gebäude Westdeutschlands, die bereits einmal in den „Wohlstandsjahren“ der alten Bundesrepublik instand gesetzt wurden, müssen heute wiederum instand gesetzt werden – und zwar, um die Folgeschäden der letzten Kampagnen wieder rückgängig zu machen. Kern des Problems ist ein Schadensmechanismus, der aus einer einfachen Materialunverträglichkeit herrührt: Moderner Zementmörtel und historisches Mauerwerk passen bauphysikalisch schlecht zusammen.

Wirkung von Zementmörtel auf das Mauerwerk

Historische Mauergefüge sind meist mit (Luft-)Kalkmörtel (Abb. 4) vermauert. Dieser besitzt eine vergleichsweise diffusionsoffene Struktur, eine gewisse Feuchtigkeit kann also im Fugensystem eines Mauerstückes zirkulieren und über die Fugenoberflächen verdunsten. Im Mauerquerschnitt stellt sich ein Feuchtegleichgewicht aus Eintrag und Verdunstung ein. Da Kalkmörtel meist mit lokalen „Zutaten“ gemischt wurde, erfolgten frühere Reparaturen meist automatisch mit einem vergleichbaren Material. Dies alles änderte sich jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg. An die Stelle der aufwendig herzustellenden lokalen Kalkmörtel mit ihren langen Abbindezeiten und der anspruchsvollen Verarbeitung traten nun die vorbereiteten stark zementhaltigen Mörtel (sogenannter Zementmörtel): Der mit Wasser abbindende hydraulische Zementmörtel erhärtet schnell und ist einfach zu verarbeiten, zudem erreicht er prinzipiell eine deutlich größere Härte und Stabilität. Und er ist – im Verhältnis zu reinem Kalkmörtel – weitgehend diffusionsdicht.

Während in Ostdeutschland aufgrund des weit verbreiteten Materialmangels weiterhin Kalkmörtel zumindest als Option in Nutzung blieb, ersetzte in Westdeutschland schon bald der „praktische“ zementhaltige Mörtel die arbeitsaufwändigen Kalkmörtel. Mit wachsendem Wohlstand begannen viele Gemeinden, ihre Kirchen, Burgen, Stadtmauern und sonstigen Zeugnisse der Vergangenheit „ansehnlich“ als Ausflugsziele herzurichten. Bei zahlreichen Anlagen wurden die ausgewaschenen Mauerfugen einfach mit größeren Mengen an Zementmörtel verfüllt und überschmiert; häufig verzichtete man sogar darauf, zuvor Wurzelwerk und Pflanzenreste zu entfernen. Für einige Jahre sahen die Mauern so gut wie neu aus. Inzwischen zeigen sich jedoch gravierende Feuchteschäden. Durch die „Versiegelung“ der Fugen mit neuem, diffusionsdichtem Material kann die im Mauerwerk gespeicherte, zirkulierende Nässe nicht mehr austreten.

Folgen der Diffusionsdichtheit

Zugleich kommt es aber kontinuierlich zu einem Eintrag weiterer Feuchte in das Mauergefüge, etwa über die unter Bodenniveau liegenden, „unsanierten“ Mauerabschnitte. Da ein Austritt der Feuchtigkeit über die Fugen stark erschwert ist, steigt die Nässe im Gefügesystem im Mauerinneren weiter nach oben. Nun beginnt ein wahrer Teufelskreis: Die im Mauerwerk gespeicherte Nässe muss, statt wie bisher über das Fugsystem, über die Mauersteine austreten; das Mörtelgefüge wird durch die beständige Durchfeuchtung ausgespült und zerrüttet. Dieses häufige Schadensbild lässt sich an starren Zementfugen erkennen, die als hervorstehende „Grate“ stehen blieben, während die Mauersteine seitlich deutlich zurückgewittert sind. Die historischen Steinoberflächen mit ihren bauzeitlichen Bearbeitungsspuren oder sogar Inschriften sind dadurch akut gefährdet. Durch die auffrierende Nässe wird schließlich bereichsweise die „Versiegelung“ mit zementhaltigem Mörtel abgesprengt. In den entstehenden Spalten können sich Pflanzen ansiedeln und den oben bereits beschriebenen Schadensmechanismus in Gang bringen (Abb. 5, 6).

Durch ein falsch eingesetztes Material kann eine Mauer innerhalb weniger Jahrzehnte stärker geschädigt werden, als es ein Jahrhundert offener Bewitterung vermocht hätte. Vergleichbare Gefahren bestehen auch beim unsachgemäßen Einsatz sogenannter Hydrophobierungsverfahren, bei denen die Steinoberflächen durch eine chemische Tränkung ebenfalls „versiegelt“ werden können.
Inzwischen sind die materialbedingten bauphysikalischen Feuchteschäden bei Denkmalpflegern gut bekannt – leider kommt es durch mangelnde Information bei Planern und Handwerkern aber immer noch vor, dass historisches Mauerwerk unter reichlicher Verwendung von diffusionsdichtem Mörtel „saniert“ wird.

Die Instandsetzung solcher Fehlsanierungen ist so aufwendig wie teuer: Das gesamte neue Material muss wieder entfernt werden – möglichst ohne weitere Beschädigung der historischen Steinoberflächen. Die freigelegten Fugen müssen danach rückstandsfrei von Zementresten, Wurzelwerk sowie losem und aufgefrorenem Mörtel gereinigt werden. Im Anschluss kann eine Neuverfugung erfolgen – dieses Mal aber möglichst mit einem bauchemisch bestimmten, an das historische Material angepasstem Mörtel auf Kalkbasis.
Nach einer Instandsetzung endet die Verantwortung für den Bauherrn jedoch nicht: Unser feuchtes und kaltes Klima erfordert eine beständige Pflege und Wartung des Mauerwerks. Denn es wird wohl noch eine Weile dauern, bis der Klimawandel auch in unseren Breiten für ägyptische Verhältnisse ohne Feuchteschäden sorgt.


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