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Grünt es? Grünt es nicht? Typische Fehler bei Dachbegrünungen

Typische Fehler bei Dachbegrünungen
Grünt es? Grünt es nicht?

Schäden und Mängel bei begrünten Dächern mit Abdichtungen sind meistens auf Verarbeitungsfehler zurückzuführen. Doch auch Planungsfehler oder falsche Materialwahl, Wartung und Pflege tragen ihren Teil bei. Wie lassen sich solche Schäden verhindern?

Text und Fotos: Wolfgang Ernst

Die Schadensstatistik zeigt eindeutig, dass eine – bereits 1999 geforderte – fachqualifizierte Qualitätsüberwachung dringend notwendig ist. Die aus Planung, falscher Materialauswahl und Verarbeitung resultierenden Mängel und Schäden führen, oft schon nach wenigen Jahren, zu erheblichen Sanierungskosten, die die relativ geringen (Mehr-)Kosten für eine begleitende Qualitätssicherung in der Planungs- und Ausführungsphase um ein Vielfaches übersteigen.

Mängel und Fehler

Die Aufarbeitung von Mängeln und Fehlern, veröffentlicht in zahlreichen Fachberichten und Fachvorträgen, zeigt deutlich auf, dass handwerkliche Selbstverständlichkeiten in der heutigen Zeit oft nicht mehr als selbstverständlich anzunehmen sind. Bei Dachbegrünungen wird vielfach ein abnahmefähiger Zustand und damit das vertraglich vereinbarte Bau-Soll nicht erreicht. Die Ursachen hierfür sind meist:

  • nicht auf die Vegetationszeit abgestimmte Terminplanung, auf die sich Dachbegrüner (leider) immer wieder einlassen
  • zeitliche Verzögerung bei der Herstellung durch mangelhafte Koordination der Gewerke, in der Folge Verunkrautung der Flächen durch Samenanflug
  • fehlende Fertigstellungspflege, oft mit unerwünschtem Aufwuchs
  • Ausführung nach Regeldetails ohne Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten (wie Windsog, Anschlusshöhen, Randeinflüsse von Fassaden und Installationen)

Bei Vegetationsausfällen wird oft mit »momentan hinzunehmenden Unregelmäßigkeiten, die die Natur mit der Zeit schon richtet« argumentiert. Vielen Dachbegrünern muss man (leider) immer wieder klarmachen, dass das Bau-Soll erst dann erreicht ist, wenn nach erfolgter Fertigstellungspflege ein abnahmefähiger Zustand festgestellt werden kann. Die Rechtslage dazu ist eindeutig: Verzichtet der Auftraggeber auf einen Teil der in den Fachregeln beschriebenen Leistungen, so ist der Planer bzw. die ausführende Firma verpflichtet, den Auftraggeber umfassend und ausführlich darüber aufzuklären. Dabei ist dem Auftraggeber die Möglichkeit zu geben, sich nach Abwägung aller Vor- und Nachteile zu entscheiden. Erfolgt diese Aufklärung nachweislich nicht, kann er bei Mängeln (z. B. großflächiger Ausfall der Vegetation) und eventuell nachfolgenden Schäden (z. B. Windverlagerungen, bis hin zum Abtrag der Schichten) den dafür verantwortlichen Dachbegrüner in die Haftung nehmen.

Die Verarbeitungsfehler bei Abdichtungen haben bei Weitem die größten Auswirkungen. Sie führen im Regelfall dazu, dass die Dachflächen nach wenigen Jahren undicht werden und dann für eine Sanierung komplett abgeräumt werden müssen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass bei begrünten (und auch bei bekiesten) Dachflächen eine partielle Suche nach Ursachen wenig erfolgversprechend ist. Manchmal dauert der Kampf gegen immer wieder neue Undichtigkeiten an der Deckenunterseite – und immer an anderen Stellen – oft jahrelang, bis ein Umdenken und der Entschluss zur Komplettabräumung erfolgt.

Besonders typische Fehlerquellen sind beispielsweise

  • Kopfstoßausbildungen bei beschieferten Bitumenbahnen
  • unsachgemäße Verwendung von Flüssigkunststoffen in An- und Abschlussbereichen
  • mangelhafte Nahtfügung bei Kunststoffbahnen, besonders bei Handschweißnähten
  • Perforationen während der Bauzeit durch begleitende Gewerke auf der ungeschützten Abdichtung

Solche typischen Fehler können bei einer fachqualifizierten technischen Abnahme der Dachabdichtung rechtzeitig, vor dem Aufbringen weiterer Schichten, von Fachleuten mit langjähriger Abdichtungserfahrung erkannt werden. Diese sind dann unter Aufsicht nachzubessern. Solche Nachbesserungsarbeiten sind für den Verarbeiter zwar immer lästig und manchmal auch peinlich, wenn festgestellt wird, dass die in den Fachregeln definierten Mindestanforderungen nicht erreicht wurden. Für den Auftraggeber ist es jedoch von essenzieller Bedeutung, dass die Werkleistung vertragsgemäß ausgeführt wird, um dadurch zusätzliche (Sanierungs-)Kosten nach wenigen Jahren und lange vor dem zu erwartenden Ende der Lebensdauer zu vermeiden.

Gemeinsame Verantwortung

Bei begrünten Dächern ist die Abdichtung eine Vorleistung, die die sachlich-technische Grundlage für die nachfolgende Leistung der Begrünung darstellt. Es sind zwei Gewerke (Dachdecker und Dachbegrüner) beteiligt, die gemeinsam für den Erfolg des Bauteils »Dach + Begrünung« verantwortlich sind. Dies betrifft auch die Planungsabgrenzung zwischen Hochbau- und Landschaftsarchitekt, insbesondere bei höherwertigeren Dachbegrünungen. Eine klare Trennung, jedoch auch Abstimmung, ist aus Gründen der Planungshaftung und Gewährleistung erforderlich.

Nicht allen Beteiligten ist bewusst, dass neben den Fachregeln (Normen und Richtlinien [1], [2]) zum fachlichen Grundwissen Fachliteratur und Forschungsberichte gehören. Darüber hinaus muss man auch die Grundsatzurteile der einschlägigen Rechtsprechung kennen. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof (BGH) ausdrücklich klargestellt, dass für die Beurteilung, ob ein Mangel vorliegt, die Funktionstauglichkeit des Werks maßgeblich ist (Urteil vom 8. November 2007). Dies bedeutet: »(…) selbst wenn die DIN-Vorschriften, die Fachregeln eines Gewerks, die Verarbeitungshinweise eines Produktherstellers oder sonstige technische Vorschriften sämtlich ohne Einschränkung eingehalten sind, aber die Funktionstauglichkeit dauerhaft nicht gegeben ist, das Werk als mangelhaft anzusehen ist«.

Nicht oft genug kann man darauf hinweisen, dass »die in den Fachregeln definierten Mindestanforderungen (für den Regelfall) Ermessens- und Anwendungsspielräume für den jeweiligen Einzelfall zulassen, die der Planer und der Verarbeiter kreativ, fach- und sachverständig und v. a. eigenverantwortlich umsetzen, gegebenenfalls interpretieren muss, um für die zu bearbeitende Sache eine jeweils richtige, dauerhaft funktionstaugliche Lösung zu finden« [3].

Fachregeln sind nun einmal keine Rezeptbücher mit Anleitungen für objektspezifisches Handeln, obwohl dies immer wieder erwartet wird.

Pflichten der Architekten

Aus der gefestigten Rechtsprechung resultieren für die Dachabdichtung als Grundlage für eine Dachbegrünung eindeutige und klar beschriebene Anforderungen an den planenden und bauleitenden Architekten. Der Architekt schuldet einen Werkerfolg. In diesem Zusammenhang muss er gegebenenfalls auf die »Notwendigkeit der Hinzuziehung von Sonderfachleuten hinweisen und im Zweifel darauf bestehen« (OLG Saarbrücken, 24. Juni 2003 – 7 U 930/ 01; OLG Hamburg, 7. November 2008 – 11 U 88/06). Dieses Urteil sollten auch jene Auftraggeber berücksichtigen, die der Meinung sind, dass der »studierte« Architekt als Generalist sich auf allen Spezialgebieten auskennen muss und deshalb Sonderfachleute unnötig sind. Eine solche Einstellung prägt die Schadensstatistik.

»Der Architekt hat im Rahmen der von ihm geschuldeten Planung für das jeweilige Objekt und die besondere Situation die richtigen Baumaterialien auszuwählen. Bei mehreren Alternativen muss er grundsätzlich den sichersten Weg gehen.« (KG Berlin, 5. Juni 2001 – 7 U 6697/00) Dies betrifft insbesondere die Auswahl der richtigen Abdichtung als wichtigste Funktionsschicht bei begrünten Dächern.

Schon lange gilt: »Die Planung der Abdichtung eines Bauwerks muss bei einwandfreier handwerklicher Ausführung zu einer fachlich richtigen, vollständigen und dauerhaften Abdichtung führen. Es betrifft auch die Details, die als besonders schadensträchtig eingestuft werden. Diese müssen im Einzelnen geplant und dem Unternehmer in einer jedes Risiko ausschließenden Weise verdeutlicht werden.« (BGH, 25. Oktober 1973 – VII ZR 181/72) Selbstverständlich müssen bei Dachbegrünungen die Anforderungen, die sich aus den weiteren Funktionsschichten ergeben, bereits bei der Planung der Abdichtung berücksichtigt werden.

Dachbegrüner als Nachunternehmer

Es ist ebenso gefestigte Rechtsprechung, dass der Dachbegrüner als Nachunternehmer eine besondere Hinweis-, Aufklärungs- und Prüfungspflicht hat. Diese Pflichten ergeben sich nicht nur bei Verträgen, welche unter der Einbeziehung der VOB geschlossen werden, sondern auch beim BGB-Werkvertrag. »Vor Aufbau einer Dachbegrünung muss der Unternehmer die Abdichtung sorgfältig auf etwaige Beschädigungen hin untersuchen.« (OLG Hamm, 23. Juli 2001 – 17 U 164/98) Dies ist jedoch nach neuester Rechtsprechung nicht ausreichend. Seit Jahren erweitert der BGH seine Rechtsprechung zu den Prüfungen, Hinweispflichten bzw. den Bedenkenanmeldungspflichten, wenn ein Handwerker auf Vorleistungen anderer Handwerker aufbaut. Ist die Vorleistung mangelhaft, trifft den nachfolgenden Unternehmer immer eine Kontroll- und Hinweispflicht. (Den Letzten beißen bekanntlich die Hunde.)

»Werden Arbeiten in engem Zusammenhang mit den Vorarbeiten eines anderen Unternehmers oder aufgrund dessen Planung ausgeführt, hat der nachfolgende Unternehmer das Vorgewerk nicht nur nach Augenschein auf Mängel zu untersuchen, sondern hat auch, falls erforderlich, qualifizierte Fachleute einzubeziehen, die beurteilen können, ob die Vorarbeiten eine geeignete Grundlage für sein Werk bieten.« (BGH, 30. Juni 2011 – VII ZR 109/10)

Nachdem laut einer Erhebung der Europäischen Vereinigung dauerhaft dichtes Dach (ddD) über 60 % der Mängel auf Verarbeitungsfehler bei der Dachabdichtung zurückzuführen sind, ist dies eine dringend notwendige Entwicklung in der Rechtsprechung.

Kontrollierter Gewerkeübergang

Eine technische Abnahme der Abdichtung vor dem Aufbringen weiterer Schichten, gegebenenfalls durch Hinzuziehung von qualifizierten Sachverständigen mit Abdichtungserfahrung, ist in Anbetracht der Schadensstatistik notwendig und dringend anzuraten. Viele »Normengläubige« verweisen in diesem Zusammenhang immer darauf, dass es in den Fachregeln dazu keine definierte Verpflichtung gibt und sie deshalb auch nicht notwendig sei. Bestätigung finden sie im Schadensfall auch noch bei »Sachverständigen-Generalisten«, die mit speziellem Bauteil-Fachwissen überfordert sind, deshalb nur die Fachregeln gebetsmühlenartig zitieren und häufig zu dem Ergebnis kommen, dass handwerkliche Selbstverständlichkeiten vom bauleitenden Architekten nicht überprüft werden müssen – obwohl gerade darauf in der Fachliteratur, bei Fachvorträgen und in Merkblättern von verschiedenen Verbänden (DDV, ddD, FBB, BGL etc.) seit Jahren explizit hingewiesen wird.

In dieser Fachliteratur finden sich auch Hinweise darauf, dass mit den üblichen Prüfmethoden oder Messverfahren zwar eine momentane Dichtigkeit festgestellt werden kann, Fehler bei der Nahtfügung oder Ablösungserscheinungen jedoch damit nicht erfasst werden. Solche Fehler führen erst nach mehreren Jahren zu Undichtigkeiten [4]. Die häufigsten Schadensursachen hier sind Undichtigkeiten durch offene Nähte bei Kunststoffbahnen, Kapillare und Ablösungserscheinungen bei Bitumenbahnen.

Dauerhaft dichte und begrünte Dächer

Ausgeführte Objektbeispiele mit positiven Ergebnissen verdeutlichen, dass Ausführungslösungen mit einer Lebensdauerprognose von über 50 Jahren möglich und machbar sind. Hierbei bestätigen Langzeituntersuchungen die Schutzfunktion der Begrünung und damit die längere Lebensdauer der fachgerecht ausgeführten Abdichtung [4]. Bei solchen, jetzt 28-30 Jahre alten Positivbeispielen wurden bereits damals die noch heute gültigen (und notwendigen) Qualitätskriterien berücksichtigt:

  • Auswahl einer qualitativ hochwertigen Abdichtung auf Basis von praxisbezogenen Prüfergebnissen [5]
  • materialgerechte Planung mit allen notwendigen, für den Verarbeitenden jedes Risiko ausschließenden Detailangaben
  • fachqualifizierte Ausschreibung mit Berücksichtigung der Gewerketrennung, durchgehender Qualitätssicherung und ggf. erforderlichen Schutzmaßnahmen
  • materialspezifische Ausführung durch eine Fachfirma mit geschulten Mitarbeitern und Qualitätssicherung der Ausführung durch dokumentierte Eigen- und Fremdüberwachung
  • technische Abnahme der Abdichtung durch qualifizierte Experten als Qualitäts-Endkontrolle vor dem Aufbringen weiterer Funktionsschichten
  • den vegetationstechnischen Anforderungen entsprechende Funktionsschichten
  • klare Zielvorgabe für die geplante Vegetationsform mit Angaben, bis wann der abnahmefähige Zustand erreicht werden soll und welche Leistungen der Fertigstellungspflege hierzu notwendig sind
  • Wartung und Pflege bis zum Ende der Gewährleistungszeit

Fazit: Billig kann teuer werden

Nicht zuletzt sind in Anbetracht der relativ vielen Mängel und Schäden die Auftraggeber gefordert, darüber zu entscheiden, ob sie sich einen vergleichsweise geringen Mehraufwand für die Qualitätssicherung bei Planung und Ausführung leisten wollen. Dem gegenüber steht eine mögliche, meist mit hohen Kosten verbundene Sanierung nach wenigen Jahren. Oft kommt es dabei aus Unwissenheit und mangelnder Erfahrung zu teuren (Kiesdach-)Komplettsanierungen, obwohl bei über 50 % substanzerhaltende, ressourcenschonende und wesentlich günstigere Überarbeitungen bzw. Instandsetzungen möglich sind [6 ].

 


[1] Regeln für Abdichtungen mit Flachdachrichtlinie, Deutsches Dachdeckerhandwerk, Stand Dezember 2016, R. Müller Verlag, Köln

[2] Richtlinie für die Planung, Ausführung und Pflege von Dachbegrünungen – Dachbegrünungsrichtlinie, Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL), Bonn, 2008

[3] Dachabdichtung – Dachbegrünung, Teil IV, Fehler – Ursachen, Auswirkungen und Vermeidung, W. Ernst, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2002

[4] Die Bandbreite liegt bei 6-17 Jahren. Aus: 30 Jahre Dach(+)Begrünung, Vortrag auf dem World Green Infrastructure Congress WGIC 2017 in Berlin

[5] R. Oswald, Vorwort in Dachabdichtung – Dachbegrünung, Teil VI, Abdichtungen – über 100 Produkte im direkten Qualitätsvergleich, W. Ernst, Eigenverlag, Pullach, 2009

[6 ] ddD-Journal 34: Komplettsanierung ./. substanzerhaltende Überarbeitung. Ein Ausführungsbeispiel im direkten Vergleich, Europäische Vereinigung dauerhaft dichtes Dach ddD, Pullach, 2017

 


Wolfgang Ernst

Studium an der FH Weihenstephan, Praxis in Landschaftsarchitektur- und Architekturbüros, seit 1986 eigenes Beratungs-, Planungs-, Sachverständigenbüro. 1992-2009 Herausgeber der Fachbuchreihe Dachabdichtung Dachbegrünung, Fachveröffentlichungen und Vorträge. Präsident der Europäischen Vereinigung dauerhaft dichtes Dach ddD.


 

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