Eine lokale Bürgerinitiative fürchtet, dass wertvolle Architektur- und Ausstattungsdetails verloren gehen, wenn das Mainzer Rathaus saniert wird. Sie fordert daher mehr Mitsprache der Denkmalpflege und einen deutlich transparenteren Planungsprozess.
Eigentlich könnte alles gut sein in Mainz. Nachdem das Rathaus, 1968-73 gebaut von Arne Jacobsen und Otto Weitling, lange Jahre als Abrisskandidat galt, soll es nun saniert werden. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel, ob dies denkmalgerecht geschehen wird. Diese Befürchtungen äußern »Die Betonisten«, eine Mainzer Initiative zur Vermittlung von Nachkriegs-Architektur. So stehen etwa Ideen der Stadtverwaltung im Raum, Großraumbüros in den Innenräumen einzurichten, die als unterteilbare Module verschiedene Raumkonfigurationen ermöglichen. Die Veränderung würde wahrscheinlich sowohl das Raumkonzept als Gesamtheit als auch die (unterschiedlich gut) erhaltenen Interieurs berühren, die wesentlich für die Denkmaleigenschaft des Gebäudes sind. Denn die hochwertige und umfassende Ausstattung – mit Einbauschränken, modularen Stellwänden, Stühlen, Leuchten und Wanduhren – hatten Jacobsen und Weitling selbst entworfen. Doch die zuletzt von der Stadt veröffentlichten Pläne und Kostenkalkulationen stammen vom Juni 2017. Währenddessen laufen die Planungen zwischen der Kommune und der Landesdenkmalpflege weiter, ohne dass die Bevölkerung oder Experten für Denkmalpflege, Architekturgeschichte oder nachhaltige Sanierung informiert, geschweige denn nach ihrer Meinung gefragt würden.
In einem offenen Brief u. a. an Oberbürgermeister Michael Ebling und die Baudezernentin Marianne Grosse fordert die Initiative nun eine Informationspolitik »über das gesetzliche Minimum hinaus« und kontinuierliche öffentliche Präsentationen »über den geplanten Umgang mit dem bauzeitlichen Interieur und die angedachten Lösungsansätze«. Zentrale Aufgabe müsse es sein, den Charakter und die Substanz des »bedeutendsten Baudenkmals des 20. Jahrhunderts in Mainz zu bewahren«. Als Negativbeispiel für die »Banalisierung der hochwertigen Raumqualität« führen die Autoren die Cafeteria im OG an, in der vor 2006, bevor das Mainzer Rathaus Denkmalstatus erhielt, mit »vermeintlich freundlicheren Farben und Materialien« die ursprüngliche Raumwirkung zerstört worden sei. Nicht zuletzt sei eine respektvolle Sanierung auch eine Sache der Nachhaltigkeit und eine Frage des Willens, das Kulturdenkmal als Bestandteil der Mainzer Identität zu begreifen – was den planenden Architekten und der Stadtspitze »nicht Last, sondern Antrieb« sein sollte.
Kurz nach Veröffentlichung des offenen Briefs gab Ebling eine Presseerklärung zum Status quo der Sanierungsplanung heraus. Darin beziffert er die voraussichtlichen Kosten auf 97,4 Mio. Euro, die gute 26 Mio. höher liegen als die im Stadtratsbeschluss von Anfang 2018 bewilligten 71,2 Mio. Euro – schon damals als »politische Zahl« bewertet. Mit der denkmalgerechten Sanierung an sich befasst sich die Presseerklärung nicht, sondern stellt mithilfe der höheren Kostennennung eher das gesamte Vorhaben und damit erneut das Mainzer Rathaus infrage. ~dr
Offener Brief der Betonisten:
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