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Keine Panik! Umgang mit Radon gemäß Strahlenschutzgesetz

Keine Panik!
Umgang mit Radon gemäß Strahlenschutzgesetz

In Zeiten luftdichter Gebäude kann Radon in Innenräumen eine hohe Konzentration erreichen. Wie lässt sich der neue Referenzwert des Strahlenschutzgesetzes einhalten? Welche baulichen Eingriffe in den Bestand sind dafür nötig und sinnvoll?

Das radioaktive Radon wird von der WHO als krebserregend eingestuft. In einer Studie aus dem Jahr 2006 heißt es, dass 5 % der in Deutschland auftretenden Lungenkrebsfälle, etwa 1 900 von 37 000, dem Radon zugeschrieben werden können, wobei Raucher noch einmal ein besonders hohes Risiko tragen [1]. Der Gesetzgeber hat nun das Strahlenschutzgesetz angepasst und verlangt erstmals die Berücksichtigung einer möglichen Radonbelastung in der Bauplanung. Eine eigenständige Radonnorm ist mit DIN SPEC 18117 in Vorbereitung. Österreich z. B. besitzt mit der ÖNORM S 5280 bereits Normen und Regelungen.

Radon entsteht im Erdboden und reichert sich in der dortigen Luft an. Lange Zeit glaubte man, dass Menschen in Tagebauregionen besonders gefährdet seien, weil dort der Boden großflächig aufgegraben wurde. Radon ist jedoch ein sehr mobiles Gas und verteilt sich über Ritzen und Spalten im gesamten Erdreich. Je bindiger der Boden, desto länger verweilt das Gas dort, Wasserschichten bilden eine nahezu komplett dichte Sperre. An der Außenluft sind die Radonkonzentrationen eher ungefährlich. Bedenklich kann es in Innenräumen werden, denn hier kann sich das Gas sammeln. Es dringt aus der Erde in nicht ausreichend abgedichtete Keller und bodennahe EGs ein und kann sich von dort aus im ganzen Haus verteilen. Auch das Wetter spielt eine Rolle: Wenn es lange trocken ist, kommt das Gas schneller im Boden voran und kann sich also schneller in Innenräumen aufkonzentrieren. Eine weitere, gar nicht so seltene Quelle sind Baustoffe – beispielsweise Schlackeabfälle aus der Industrie in Geschossdecken. Riechen (bzw. sehen oder schmecken) kann man Radon übrigens nicht.

Ein Referenz-, kein Grenzwert

Die Bundesländer werden in den nächsten zwei Jahren Karten mit sogenannten Risikogebieten aufstellen, in denen dann z. B. Arbeitsplätze verbindlich auf Radonbelastung untersucht und ggf. weiter gehende Maßnahmen getroffen werden müssen [2]. Da das Auftreten und die Strahlung von Radon aber je nach Region, Bodenbeschaffenheit, Wetter und Baujahr von Gebäude zu Gebäude – sogar von Raum zu Raum – erheblich variieren können, haben solche Karten nur orientierende Aussagekraft; es muss stets vor Ort an mehreren Stellen gemessen werden. Aus demselben Grund ist der jetzt im Strahlenschutzgesetz festgelegte Wert von 300 Bq/m³ Luft kein Grenz-, sondern ein Referenzwert, der für Wohnräume wie für Arbeitsplätze gilt. Als akzeptabel gelten Werte zwischen 100 und 300 Bq/m³. Liegt der Wert im Mittel über 300 Bq/m³, sollte saniert werden. In Deutschland weisen ungefähr 5-10 % der Wohnungen Werte über 100 Bq/m³ und etwa 0,04 % Werte über 1 000 Bq/m³ auf [1]. Ab diesem Schwellenwert, 1 000 Bq/m³ Luft, sollte der Aufenthalt in den betreffenden Räumen auf das unbedingt notwendige Maß reduziert und innerhalb von drei Jahren umfassend saniert werden. Mit Verweis auf die Senkung der Akzeptanzkonzentration von Asbest in der TRGS 910 von 10 000 auf 1 000 Fasern/m³ Luft im Jahr 2018 fordert beispielsweise der BVS [3] eine Senkung des Werts auf 100 Bq/m³, von dem dann immer noch ein Krebsrisiko vergleichbar einer lebenslangen Dauerbelastung mit 10 000 Fasern Asbest ausginge.

Orientierende Messungen können mit einfachen elektronischen Geräten durchgeführt werden. Um jedoch die schwankenden Radonkonzentrationen zu berücksichtigen, sollte über zwölf Monate gemessen werden, mindestens aber über die Wintermonate, da die Konzentration im Innenraum dann durch geringeren Luftaustausch i. d. R. höher ist. Das kann mit sogenannten passiv-integrierenden Exposi- oder Dosimetern geschehen, die im Labor ausgewertet werden, oder mit Datenloggern, die auch CO2, Temperatur und Luftfeuchtigkeit messen und somit zugleich Aufschluss über Lüftungsverhalten und Raumklima geben. Zum Aufspüren von Eintrittsstellen kommen der Blower-Door-Test oder ebenfalls elektronische Messinstrumente (»Sniffing«-Methode) infrage. Die notwendige Expertise bringen beispielsweise »Radon-Fachpersonen« mit [5].

Sofortstrategien

Undichtigkeiten, durch die das Radon ins UG und EG gelangt, umfassen Fugen zwischen Bauteilen, in kleinteiligem Mauerwerk oder Natursteinsockeln, außerdem Risse und Leitungsdurchführungen in Außenwänden und Bodenplatten sowie gealterten oder schlecht ausgeführten Abdichtungen. Von unten gelangt das Gas durch Naturböden und direkt darauf ruhende Innenwände und Bodenaufbauten, etwa Ziegel- oder Holzdielenböden, ins Haus. Das gilt auch für Schornsteine, Aufzugs- und Installationsschächte, durch die sich das Radon außerdem auf obere Geschosse ausbreiten kann. Die effektivste Maßnahme gegen Radoneintritt ist somit das Abdichten solcher Stellen, sei es durch punktuelles Verfüllen von Rissen oder Verputzen von Wänden oder durch flächige Abdichtungen.

Bis zum Abschluss einer Sanierung ist die wichtigste Sofortstrategie: erhöhter Luftwechsel. Für Wohnungen und Arbeitsplätze wird dreimaliges Lüften pro Tag empfohlen, da sich die Konzentration zumeist innerhalb weniger Stunden wieder auf demselben Pegel wie zuvor befindet. Das Ziel ist ein Wert von unter 100 Bq/m³ Luft.

Eine verhältnismäßig einfache bauliche Maßnahme ist die luftdichte Abtrennung des UGs vom Rest des Gebäudes, z. B. durch Einhausung der Treppe. Dadurch wird verhindert, dass das Radon durch den Kamineffekt in höhere Geschosse gelangt. Dabei ist zu bedenken, dass die Konzentration in den abgeschotteten Räumen ansteigen wird. Je nach Intensität genügt auch hier verstärktes Lüften. Da sich beim sommerlichen Lüften im (unsanierten) Keller zugleich die Frage nach Tauwasserbildung stellt, könnte sich eine mechanische Lüftung anbieten. Hier gilt es, darauf zu achten, dass die Anlage keinen Unterdruck erzeugt, der weiteres Radon durch die vorhandenen Undichtigkeiten ziehen würde. Bitte beachten: Es handelt sich dabei um Keller ohne Aufenthaltsräume, bei denen durch die EnEV u. a. ohnehin ein hygienischer Luftwechsel erforderlich wäre.

Sammeln und weglüften

Wo Abdichtungen zu aufwendig wären, sind Radondränagen, Radonsauger und Radonbrunnen, die das Gas sammeln und nach draußen abführen, eine vergleichsweise kostengünstige Lösung [4] und werden daher im Bestandsbau häufig mit Erfolg eingesetzt. Dränagen funktionieren i. d. R. passiv und über natürlichen Auftrieb, insbesondere in großen Gebäuden. Dafür wird unter dem Gebäude ein relativ dichtes Netz von perforierten Rohren verlegt und an eine Sammelleitung angeschlossen, die über Dach ( 10 m Steighöhe) entlüftet wird. Radonbrunnen haben dagegen ein Entlüftungsrohr mit Ventilator, der die Luft absaugt – hier genügt dann oft ein einziger Schacht. In einem beim Verein KORA [6] dokumentierten Sanierungsprojekt wurde die Wirksamkeit eines Brunnens auf einen Umkreis von 40 m nachgewiesen. Die Wirksamkeit sowohl der flächenbezogenen als auch der punktuellen Lösung ist von der jeweiligen Bodenbeschaffenheit abhängig. Darüber hinaus ist es sinnvoll, bereits vorhandene Hohlräume als Sammelpunkte und für die Leitungsführung in Betracht zu ziehen.

Bei energetischen Sanierungen sollen auch vorhandene Radonkonzentrationen berücksichtigt werden. Durch dichtere Fenster oder höhere Luftdichtheit der Gebäudehülle insgesamt sinkt (wunschgemäß) der Luftwechsel. Nach Auswertung internationaler Projekte wird jedoch geschätzt, dass dadurch in etwa der Hälfte sanierter Gebäude nach Abschluss der Maßnahmen höhere Radonkonzentrationen auftreten [4]. Es ist also sinnvoll, den zumeist außerhalb des beheizten Volumens liegenden Keller zu untersuchen und bei Bedarf Radonbrunnen oder -dränagen anzuordnen, Verbindungen zwischen den beiden Volumina abzudichten bzw. auf eine besonders saubere Abdichtung unter der Kellerdecke zu achten. Auch das Lüftungskonzept soll darauf abgestimmt sein. Unkontrollierte Elemente wie Dunstabzugshauben sollten angepasst werden. Empfehlenswert sind Anlagen, die druckneutral oder mit leichtem Überdruck arbeiten.

Abdichten

Im Neubau sind flächige horizontale und vertikale Abdichtungen der KGs und EGs die effizienteste Lösung, auch weil fast alle Ausführungen nach der neuen DIN 18533 (Erdberührte Bauteile, Abdichtung in und unter Wasser) in Nicht-»Radongebieten« ausreichend radondicht sind. Lediglich bei Wassereinwirkungsklasse W1-E (Bodenfeuchte und nichtdrückendes Wasser) sind ergänzende Maßnahmen erforderlich, etwa das Verkleben oder Verschweißen der Abdichtungsbahnen miteinander und die Abdichtung von Durchführungen durch Flansche, Manschetten u. Ä. Bis zum Erscheinen der angekündigten DIN 18536 (Nachträgliche Abdichtung erdberührter Bauteile) muss man sich an der DIN 18533 orientieren. Das größere Problem dürfte die Möglichkeit sein, Abdichtungen im Bestand überhaupt durchgehend gasdicht auszuführen. Diese Variante lohnt sich also insbesondere bei ohnehin notwendigen Feuchtigkeitssanierungen. Neben den üblichen Abdichtungsbahnen bietet der Markt auch sogenannte Radonfolien, die speziell für den Schutz gegen Radon entwickelt wurden. Ein Teil der Sanierungskosten lässt sich übrigens durch staatliche Förderungen, z. B. für energetische Sanierungen, auffangen.


Text: Dagmar Ruhnau
Abbildungen: Bundesamt für Strahlenschutz, Marc Ellinger, Karin Leicht, GEOPRAX, RadonSTOP

Wertvolle Impulse für diesen Text haben geliefert:
Marc Ellinger vom VPB Freiburg sowie die Radon-Fachpersonen Thomas Haumann, Essen, und Karin Leicht, Zell am Main

Weitere Informationen:
[1] Strahlenschutz konkret: Radon – ein kaum wahrgenommenes Risiko, Bundesamt für Strahlenschutz 2016, Download unter www.bfs.de; hier ist auch das Strahlenschutzgesetz zu finden
[2] s. auch Strahlenschutzverordnung § 154
[3] Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger
[4] Maßnahmenbroschüre Sachsen, August 2018: praxisnah, viele Beispieldetails, Neubau und Bestand, auch Überlegungen zum Denkmalschutz, Download unter www.umwelt.sachsen.de
[5] www.lfu.bayern.de oder www.umwelt.sachsen.de
[6] Kompetenzzentrum für Forschung und Entwicklung zum Radonsicheren Bauen und Sanieren e. V.: Datenbank umgesetzter Neubauten und Sanierungen mit Maßnahmen, Messwerten vorher und nachher, z. T. auch Kosten, www.koraev.de


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