Architektur: Vaillo+Irigaray Architects
Tragwerksplanung: Raúl Escrivá – OPERA Ingeniería
Text: Julia Macher
Fotos: Rubén P. Bescós, Vaillo+Irigaray Architects
Selten haben Architekten so freie Hand wie das Büro Vaillo+Irigaray beim Umbau des Psychiatrischen Zentrums in Pamplona. Das ortsansässige Büro hatte bereits den Masterplan für die langfristige Neugestaltung des fast 52 000 m² großen Klinikkomplexes erstellt, als es auch den Wettbewerb für die ersten beiden Bauabschnitte gewann.
Mit seinen symmetrisch angelegten Pavillons in einem weitläufigen Park entspricht das Centro San Francisco Javier der typischen Klinikorganisation des 19. Jahrhunderts. In den 50er, 60er und 70er Jahren kamen allerdings weitere Pavillons hinzu, die teils tentakelartig in den Grünraum ausgreifen und die Aussicht verstellen.
Ihr Abriss war im Masterplan vorgesehen. Parallel dazu musste die Fläche in den alten Gebäuden von 5 000 auf 9 000 m² erweitert werden, um zusätzliche Nutzungen wie kurz- und mittelfristige Therapien zu ermöglichen. Das Projekt folgte streng den Vorgaben des Masterplans: »Unser Hauptziel war es, den Landschaftsbezug und die ungefähre Kubatur des historischen Ensembles wiederherzustellen«, sagt Antonio Vaillo – und damit eben jene Elemente, wegen denen die Klinik unter Denkmalschutz stand.
Rekonstruktion einer Idee
Das Büro Vaillo+Irigaray ist eine Größe in Pamplona, das Wort der Architekten hat Gewicht. Auch deshalb gelang es dem Duo, bereits während der Phase des Masterplans das Rathaus davon zu überzeugen, dass für die bauliche Weiterentwicklung der Klinik augenfälligere Eingriffe am Bestand notwendig waren als von der Behörde ursprünglich gewünscht. »Wir haben gedroht, dass wir entweder unseren Plan durchführen können oder die neoklassizistischen Gebäude in zehn Jahren zusammenbrechen«, schmunzelt Vaillo. Tatsächlich ist in einem der nördlichen, unsanierten Pavillons bereits das Dach eingestürzt.
Einige der nachträglich hinzugefügten Trakte wurden nun abgerissen. Dadurch öffnet sich der südöstlich gelegene Hof wieder nach außen zur Stadt und zur Landschaft. Mit seiner gärtnerischen Gestaltung wird er Teil der Grünflächen, die auch einen therapeutischen Nutzen haben können, so wie es sich der Bauherr, die Gesundheitsverwaltung der Provinz Navarra, gewünscht hatte. Park und Klinik werden wieder miteinander verzahnt.
Aufgedoppelt
Gleichzeitig knöpften sich die Architekten zwei der bestehenden, lang gestreckten Gebäudeflügel vor und ergänzten sie jeweils mit einem parallelen seitlichen Anbau. Aus einhüftigen wurden so zweihüftige Anlagen, was die Wirtschaftlichkeit des Grundrisses enorm steigert. Anschließend bekamen der Bestand und seine Erweiterung aus Sichtbeton ein neues Dach. Die unterkellerten Anbauten stabilisieren über ihre auf Pfahlgründung gelagerten Bodenplatten und Decken das stark gefährdete Tragwerk des Altbaus. So konnten in beiden Flügeln die hofwärts liegenden Wandelgänge gerettet werden: Das neoklassizistische Fassadenmauerwerk bleibt sichtbar, die Bogengänge im Innern erhalten.
Auch wenn die neuen Bauteile mit einem gläsernen EG eine moderne Sprache sprechen, gehen sie mit dem Bestand eine hybride Verbindung ein. Das verdankt sich u. a. der Dachgestaltung. Über Alt und Neu liegen zwei parallele Satteldächer, eines steil, eines flach geneigt, die sich zu einem asymmetrischen Doppelgiebel ergänzen. Dabei greift das niedrigere Dach die historische Kontur der Pavillons auf. Doch statt mit Ziegeln sind beide Dächer einheitlich in Sichtbeton ausgeführt, was den Baukörpern ein kraftvolles, monolithisches Erscheinungsbild gibt – gleichzeitig traditionell und modern.
Während das steilere Dach einschalig aus selbstverdichtendem WU-Beton errichtet wurde, ist beim flacheren die außen sichtbare Betonfläche lediglich eine Verkleidung, unter der ein klassischer Aufbau mit Dämmung, Abdichtung und der eigentlich tragenden Betondecke liegt.
Der unter dem Steildach zusätzlich gewonnene Platz dient entweder als Lager- und Maschinenraum (auch für den Aufzug) oder lässt sich für Veranstaltungen und Therapien nutzen. Dagegen bleibt das flacher geneigte Dach in den Worten des Architekten »eine Spielerei« und bietet über den abgehängten Decken großzügig der Haustechnik Platz.
Zeit als gestaltendes Element
Auch bei den neuen Fassaden haben Vaillo+Irigaray den Altbau auf eigenständige Weise interpretiert: Die Sichtbetonflächen führen den Bogenrhythmus der Tore und der doppelten Fenster des Bestands fort, in Form eingegossener Vertiefungen, die ein feines Relief bilden. Diese ornamentale Fassadengliederung wird überlagert von den tatsächlichen Fenstern, die auf den neuen Grundriss abgestimmt sind und daher einem ganz anderen Rhythmus folgen. Zusätzlich variieren die Öffnungen noch in der Höhe. Vor den Fenstern wiederum erzeugen unterschiedlich platzierte Blenden aus gelochtem Cortenstahl ein lebendiges Spiel und sorgen dafür, dass die Fassaden trotz ihrer Länge von z. T. mehr als 100 m nicht monoton wirken. Der hellgelb durchgefärbte Sichtbeton entspricht der Farbe des Mörtels im Bestandsmauerwerk. Er wird im Laufe der Zeit nachdunkeln und die Patina des Altbaus annehmen – eine Hommage an die gestalterische Kraft der Zeit. »Wir verstehen unser Gebäude auch als Reflexion über die Erinnerung«, so die Architekten. Nach dem gleichen Prinzip wie beim ersten Bauabschnitt wollen sie auch die anderen, teils leerstehenden Pavillons der Klinik überarbeiten. Einen Zeitplan dafür gibt es allerdings noch nicht.
Standort: Av de Villava 53, E-31015 Pamplona, Navarra
Bauherr: Servicio Navarro de Salud – Osasunbidea, Gesundheitsverwaltung Navarra
Architekten: Vaillo+Irigaray Architects, Pamplona
Tragwerksplanung: Raúl Escrivá – OPERA Ingeniería, Pamplona
BGF: 9 820 m²
Baukosten: 11,6 Mio. Euro
Beteiligte Firmen:
Beton: Cetya, Tajonar (E), www.cetya.es
Keramik-Bodenfliesen: Margres, Ílhavo (P), www.margres.com
Fenster: Wicona, Sant Cugat, Barcelona, www.wicona.de
Gipskarton: Placo Saint Gobain, Madrid, www.placo.es
Trennwände: Dynamobel, Peralta (E), www.dynamobel.com