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Oberflächen exakt nachgebildet

Turnhalle Dillmann-Gymnasium in Stuttgart
Oberflächen exakt nachgebildet

Wie macht man eine denkmalgeschützte, aber zum Teil marode Schulsporthalle aus den 50er Jahren wieder fit für den aktuellen Betrieb? Das Büro Architekturagentur rekonstruierte bei der Turnhalle des Dillmann-Gymnasiums innen wie außen das ursprüngliche Erscheinungsbild des Gebäudes; gleichzeitig brachte es den Bau »unter der Oberfläche« energetisch, haustechnisch und funktional auf den neuesten Stand.

{Text: Tanja Feil

In den Freistunden scheinen Turnhalle und Sportplatz des Dillmann-Gymnasiums ein beliebter Aufenthaltsort zu sein: Immer wieder kreuzen Schüler den öffentlichen Fußgänger- und Fahrradweg zwischen den Teilgebäuden der Schule und lassen sich auf den Eingangstreppen des Umkleidetrakts nieder; Lehrer suchen ihre hellen neuen Arbeitsplätze in der ehemaligen Hausmeisterwohnung auf. Der wohlproportionierte Stahlbetonbaukörper mit seiner dezenten blaugrauen Farbigkeit, den schlanken Fensterprofilen und schmalen Dachrändern wurde in den Jahren 1958/59 von den Architekten Peter Salzbrenner und Karl H. Neumann erbaut. Er gilt zusammen mit den Verwaltungs- und Klassengebäuden des Gymnasiums, die gestalterisch dieselbe Formensprache sprechen, als »bestes Beispiel der Schulhausarchitektur der 1950er Jahre in Stuttgart« und steht daher unter Denkmalschutz.
Doch der Zahn der Zeit hatte kräftig an dem Bauwerk genagt: Nachdem das Flachdach der Turnhalle undicht geworden war und die darunter abgehängte Rabitzdecke so durchfeuchtet hatte, dass der Putz teilweise abgefallen war, musste die Halle zeitweise gesperrt werden. Um den Schulsportbetrieb wieder aufnehmen zu können, war eine Dachrenovierung unumgänglich (s. S. 124). Da über 50 Jahre lang auch keine nennenswerte technische oder energetische Modernisierung stattgefunden hatte und es zudem zeitgemäße Anforderungen an den Unfallschutz zu berücksichtigen galt, verband man diese ohnehin fälligen Arbeiten mit einer Gesamtinstandsetzung des Gebäudes.
Raumreserven erschlossen
Die Architekturagentur, die mit der planerischen Umsetzung betraut war, hatte auch einige nutzungsbedingte Anpassungen vorzunehmen, die jedoch den ursprünglichen Charakter des Bauwerks nicht schwächen sollten. Daher ging man sehr behutsam vor, nahm die notwendigen Umbauten an sinnvoller Stelle vor und fügte sie mit möglichst wenig räumlicher Veränderung in den Bestand. Auf diese Weise verwandelten die Architekten eine nicht mehr genutzte Abstellfläche in eine Behindertenumkleide, machten die Damentoiletten direkt von der Damenumkleide aus zugänglich und organisierten die ebenfalls im Sporthallenbau untergebrachte, ehemalige Hausmeisterwohnung zu Arbeitsplätzen für die Lehrer und die Dillmann-Stiftung um. Letzteres konnten sie etwas freier angehen, da die Innenräume dieses Teilbereichs nicht unter Denkmalschutz stehen.
Farbkonzept wiederaufgegriffen
Alle übrigen Interventionen zielten darauf ab, im Konsens mit dem Denkmalamt weitgehend den Originalzustand wiederherzustellen. Wo dies nicht möglich war, ergänzte man die Bauteile gemäß dem übergeordneten bauzeitlichen Material- und Farbkonzept aus den Restauratorenbefunden. Komplett neue Konstruktionen wie die weißen, abgehängten Akustikdecken oder die Sichtschutzelemente aus schwarzen MDF-Platten in den Umkleiden wurden bewusst im Kontrast dazu und leicht abgelöst vom Bestand umgesetzt. So gestalteten die Architekten zwar sämtliche Sanitärräume in heutiger Formensprache, orientierten sich aber bei den Wandfarben und Mosaikfliesen am ursprünglichen blaugrauen Erscheinungsbild. Die originalen Einbauten und Bodenfliesen in der Herrenumkleide mussten erhalten werden und wurden daher handwerklich aufgearbeitet. Im Gegenzug durften die Planer Fußboden und Ausstattung der Damenumkleide, in der ohnehin räumliche Veränderungen vorzunehmen waren, erneuern.
Proportionen erhalten
Um die für die späten 50er Jahre typische Architektursprache erhalten, das Bauwerk aber dennoch energetisch aufrüsten zu können, entschied man sich für eine Innendämmung der Räume. Die Planer ließen sie größtenteils mit Schaumglas in Dicken bis zu 80 mm ausführen und bekamen auf diese Weise auch Feuchtigkeitsprobleme an den Außenwänden besser in den Griff. Wegen etlicher Fehlstellen erneuerten sie auch den Außenputz komplett, selbstverständlich in einer Struktur und Farbigkeit, die dem Bestand nachempfunden ist. Nur dem geübten Betrachter wird auffallen, dass sich die Fassadenproportionen im Dachbereich nicht ganz wahren ließen und hier die Putzflächen geringfügig höher geworden sind. Dies ist den mit 160 mm relativ dicken Dämmpaketen auf den Flachdächern geschuldet. Die Architekten schafften es dennoch, den Dachrand annähernd so schmal wie zuvor aussehen zu lassen, indem sie die notwendige hölzerne Aufkantung leicht zurückversetzt anordneten, sodass sie vom Vorplatz aus nicht direkt sichtbar ist. Ein besonderer Kniff gelang bei den Betonstirnwänden der Halle: Da auch sie zu niedrig für die neue Dachdämmung gewesen waren, mussten sie ein Stück aufgemauert werden; der verantwortlicher Gipser verputzte sie so geschickt, dass das neue »Schalungsmuster« vom Bestand mit bloßem Auge nicht zu unterscheiden ist. Dieses Täuschungsmanöver widerspricht zwar denkmalpflegerischen Grundsätzen, der Wunsch nach möglichst wenigen Veränderungen am äußeren Erscheinungsbild war jedoch so groß, dass dies hier – auch mangels optisch gleichwertiger Alternativlösungen – in Kauf genommen wurde.
Da eine Sporthalle nicht denselben energetischen Anforderungen wie beispielsweise ein Wohnhaus genügen muss, rüstete man die Bestandsfenster lediglich auf. Auf diese Weise ließen sich auch hier die zeittypischen gestalterischen Qualitäten bewahren. Die Holzrahmen wurden aufgefräst, eine moderne zweifache Isolierverglasung mit einem Ug-Wert von 1,1 W/m²K eingesetzt und alles neu abgedichtet. Zusätzlich bauten die Planer fast sämtliche Elemente nun als Festverglasungen ein, um die Dichtigkeit zu erhöhen; lediglich in der Sporthalle und in den Toiletten finden sich noch die alten Klappfenster, die Wasch- und Umkleidebereiche werden mechanisch belüftet.
Der fehlerhaften Hallendach- und -deckenkonstruktion, dem eigentlichen Auslöser für die Modernisierung, widmeten die Architekten besonderes Augenmerk. Zunächst ließen sie außen eine neue Dämmung und eine zweilagige Abdichtung aufbringen, danach stellten sie im Inneren weitgehend das ehemalige, sehr charakteristische Erscheinungsbild der Decke wieder her. Ursprünglich waren die Stahlfachwerkträger, die über die Hallenschmalseite spannen, mit einer Rabitzkonstruktion in Sägezahnoptik bekleidet gewesen – eine Lösung, die sich für die Raumnutzung als ungeeignet erwiesen hatte, da sie weder ballwurfsicher noch akustisch wirksam gewesen war. Nun bildete man die alte Gestalt mit gelochten weißen Gipskartonelementen nach und integrierte zugleich lineare Beleuchtungselemente in die Zwischenräume der Zacken. Zuvor waren einige Leuchten oben an den Wänden vor den Oberlichtern angebracht gewesen, hatten die Turnhalle aber nur spärlich beleuchtet. Da das Dillmann-Gymnasium auch Sportleistungskurse anbietet, waren hier besondere Anforderungen an die Helligkeit des Raums einzuhalten.
Auch die hölzerne Wandverkleidung an den Hallenlängsseiten genügte nicht mehr den Vorgaben des vorbeugenden Unfallschutzes: Sie war mit einem zeittypischen grafischen Muster aus horizontalen und vertikalen Latten gestaltet, das als bewusste Gliederung der Flächen einige extra breite Fugen aufwies, die nur mit einem schwarzen Gewebe hinterlegt waren; die offenen Kanten der Holzleisten stellten aber ein erhöhtes Verletzungspotenzial dar. Die Architekten ließen die Betonwände im Außenwandbereich innenseitig mit Schaumglas dämmen und darauf eine neue schwingende Prallwandkonstruktion einbauen. Die Lattenstruktur wurde dabei wieder exakt im Gestaltungsraster der 50er Jahre angebracht, die ehemals breiten Zwischenräume nun allerdings mit schwarzen MDF-Leisten geschlossen. Sie erzeugen das alte Bild, minimieren aber das Unfallrisiko.
Um zu verhindern, dass sich jemand an den Laibungen der beiden Fluchttüren auf der Gebäudesüdseite stößt, wurde je eine neue Innentür wandbündig eingebaut, die nun eine zweite Ebene vor den bestehenden Außentüren bildet. Der Sportfußboden, eine Hohlraumkonstruktion mit Schwingbelag, wurde nachträglich gedämmt, mit einer Fußbodenheizung versehen und wie zuvor wieder mit Eichenparkett belegt. So lässt sich die Halle nicht nur gleichmäßiger temperieren als früher, sondern man konnte auch auf die Heizkörpernischen verzichten, die wiederum ein Verletzungsrisiko dargestellt hatten. •
Standort: Forststraße 43, 70176 Stuttgart
Auftraggeber: Landeshauptstadt Stuttgart, Hochbauamt, www.stuttgart.de
Nutzer: Dillmann-Gymnasium, Stuttgart, www.dillmann-gymnasium.de
Architektur: architekturagentur, Stuttgart, www.architekturagentur.de
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Karl Lörcher, Stuttgart, www.ib-loercher.de
HLS-Planung: Ingenieurbüro Greipl + Roche, Stuttgart, www.igrs.de
BGF: 1 175 m²
BRI: 6 310 m³
Baukosten: 2,1 Mio. Euro brutto (KG 300-600)
Beteiligte Firmen:
Außenputz: Silikonharzputz in Kratzputzstruktur StoSilco, Sto, Stühlingen, www.sto.de
Innendämmung: Schaumglas T4, Deutsche Foamglas, Erkrath, www.foamglas.de
Wandfliesen: Mosaik Mix, Appiani, Oderzo, www.appiani.it
Sportboden: Duply 502 S29, Polysport, Lautertal, www.polysport.de
Hallendecke: Cleaneo Akustik Decke ballwurfsicher, Knauf Gips, Iphofen, www.knauf.de
weitere Informationen unter www.db-metamorphose.de

Stuttgart (S. 120)
architekturagentur
Arno Freudenberger
1987-95 Studium der Innenarchitektur und Architektur. 1996-2003 Mitarbeit in mehreren Büros. Seit 2004 eigenes Architekturbüro, seit 2005 mit Klaus Grübnau.
Klaus Grübnau
1987-95 Studium der Innenarchitektur und Architektur. 1996-2005 Mitarbeit bei Wilford Schupp Architekten. Seit 2005 Büro mit Arno Freudenberger.
Tanja Feil
2001 Diplom an der FH Regensburg. Mitarbeit in mehreren Architekturbüros. 2005 Energieberaterin für Gebäude. Seit 2007 Redakteurin und freie Fachautorin.
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