Wo heute nur noch Wald zu sehen ist, lag nach dem Zweiten Weltkrieg die fünftgrößte Stadt Dänemarks: In Oksbøl, rund 140 km nordwestlich von Flensburg, lebten zeitweise 35.000 jener 250.000 Deutschen, die in den letzten Kriegstagen vor der Roten Armee über die dänische Grenze geflüchtet waren. Das Lager mauserte sich mit Theater, Schule und Krankenstation für einige Jahre zu einer richtigen Stadt. Inzwischen ist davon allerdings kaum mehr übrig als zwei flache Backsteinbauten des ehemaligen Hospitals – einsam stehen sie auf einer Lichtung im Forst. Sie sind nun zu einem Museum umgenutzt worden. Es soll die Erinnerung an das spezielle Kapitel der deutsch-dänischen Geschichte wachhalten, zugleich aber auch die Erfahrungen heutiger Flüchtlinge dokumentieren, etwa aus Syrien oder der Ukraine. Die Bundesrepublik hat sich mit 1,33 Mio. Euro an den Baukosten beteiligt, nicht zuletzt weil jährlich noch immer bis zu 20.000 Deutsche den Friedhof in Oksbøl besuchen.
Der Entwurf für den Umbau stammt von BIG. Um eine große zusammenhängende Ausstellungsfläche zu erhalten, entkernte das Team um Bjarke Ingels eines der beiden langgestreckten Gebäude, während es bei dem anderen die Grundrissstruktur aus 40 Krankenzimmern und OP-Sälen bewahrte und zu kleineren Kabinetten umfunktionierte. Als Gelenk zwischen den beiden bestehenden Volumina dient ein neuer Anbau für Foyer, Kasse, Shop und Garderobe. Er verlängert das eine Gebäude und setzt dessen Trauf- und Firstlinien fort, bevor er in dynamischem Schwung um die Ecke gleitet und an die Kontur des zweiten Gebäudes anschließt. Obwohl diese Gestalt nachvollziehbar vom Bestand abgeleitet ist, entwickelt sie doch genug Eigenständigkeit, um ins Auge zu springen und sinnfällig den Eingang zu markieren.
Die Metallbekleidung für Dach und Fassade wird bei manchen Betrachtern Assoziationen an Nissenhütten wachrufen, in denen nach dem Krieg vielerorts Flüchtlinge untergebracht waren. Beim Museum in Oksbøl ist die Metallhaut freilich durch die ungewöhnliche, elegante Geometrie veredelt und aus Cortenstahl gefertigt, der durch seine raue rotbraune Oberfläche haptisch wie farblich mit dem Sichtmauerwerk des Bestands harmoniert. Zeigt sich der Verbindungsbau – abgesehen von der Eingangstür – zur Straße weitgehend geschlossen, so öffnet er sich an der Rückseite mit einer vollflächigen Verglasung und gibt den Blick auf das bewaldete Gelände des einstigen Flüchtlingslagers frei.
~Christer Godtveir
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