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Mittendrin statt nur dabei

Firmensitz in Schorndorf
Mittendrin statt nur dabei

In einer alten Fabrik hat das Unternehmen Movet, ein Hersteller von Förderbandtechnik, seinen neuen Firmensitz bezogen. Der Entwurf von Alexander Fehre zeigt, wie sich zahlreiche unterschiedliche Nutzungen auf wenig Fläche organisieren lassen, ohne den Raum einzuengen.

Text: Tanja Feil

Wer die Firma Movet im schwäbischen Schorndorf besucht, ist sofort mitten im Geschehen. Statt sich durch Foyers oder lange Flure seinen Weg suchen zu müssen, betritt man einen großen offenen Raum, in dem alle Mitarbeiter untergebracht sind; lediglich das Lager ist separiert. Herzstück des loftartigen Büros ist der »Workshop«, der gleichzeitig als Besprechungsbereich, Showroom und Teeküche dient. In der Mitte der Etage gelegen und auf einem flachen Lärchenholzpodest platziert, ist die multifunktional nutzbare Zone nur über leichte, semitransparente Streckmetallwände zu den Arbeitsplätzen hin abgeschirmt. Auf diese Weise lässt sie – einerseits – Kunden und Besucher Teil der Firmenabläufe um sie herum werden. Andererseits bezieht diese offene Raumstruktur die Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen in das Geschehen im Workshop mit ein und vermittelt so allen Beteiligten: Wir sind ein Team, das an einem Strang zieht und Kundenwünsche in den Mittelpunkt stellt. Geschäftsführer Hans Schüßler nimmt sich davon nicht aus. Zwar hat ihm das Studio Alexander Fehre auch ein eigenes, durch Glaswände abgetrenntes Büro am Ende des Raums eingerichtet; viel häufiger ist er jedoch zwischen den Arbeitsplätzen seiner Mitarbeiter oder gemeinsam mit ihnen am 5 m langen Empfangs-, Präsentations- und Besprechungstisch im Workshop anzutreffen. ›
Baugeschichte sichtbar gemacht
Dabei kommt es dem offenen Büro sehr zugute, dass es sich in einem alten Backsteingebäude mit teils wieder freigelegtem Stahlbetontragwerk befindet. Der Bau gehört zum Areal der ehemaligen Lederfabrik Gottlob Schmid, die 1865 direkt am Ufer der Rems erbaut, später von Hermann Röhm übernommen und bis 1950 sukzessive erweitert wurde. Anfang der 70er Jahre stellte sie die Produktion ein, ab 1990 wurden die Räumlichkeiten modernisiert und an die Anforderungen moderner Büro- und Gewerbenutzung angepasst. Die historischen Strukturen versuchte man dabei weitgehend zu bewahren. Heute bietet »das Röhm« frei aufteilbare Büro-, Lager-, Produktions- und Ladenflächen in unterschiedlichen Ausbaustandards. Im nördlichsten Gebäude des Areals hat sich die Firma Movet nun auf rund 300 m2 eingemietet.
Zuvor war ein Fitnessstudio in den Räumlichkeiten untergebracht gewesen. Im Zuge der Umgestaltung in eine Büroetage mit angegliedertem Versandlager wurde der originale Betonfußboden wieder freigelegt, abgeschliffen und neu versiegelt. Er ist im Eingangsbereich, am Übergang zum Lager und am mittig angeordneten Laufweg sichtbar geblieben. Auch die damals eingebaute abgehängte Decke wurde entfernt. So ist nun im gesamten Geschoss die bestehende charakteristische Betonrippendecke erlebbar, was dem Raum mehr Höhe gibt und dadurch die Proportion spürbar verbessert. An einigen Stellen musste Fehre die Deckenstruktur geringfügig ausbessern lassen, ansonsten beschränkte er sich darauf, sie lediglich neu zu streichen. Mit ihrer ruppigen Oberfläche, ihren Kiesnestern und Lunkern hält sie die Erinnerung an die unprätentiöse industrielle Vergangenheit des Gebäudes wach. Damit korrespondierend sind die neuen Installationen größtenteils offen verlegt. Dieses Zurschaustellen von Konstruktion und Versorgungsleitungen passt gut zu einem technikorientierten Unternehmen wie Movet.
Raum klar gegliedert
Wegen des relativ begrenzten Grundrisses – etwa 40 % der gemieteten Geschossfläche entfallen auf das Auslieferungslager – war trotz aller Offenheit, Transparenz und Flexibilität eine eindeutige Raumzonierung nötig. Den Eingang und den Zugang zu den Toiletten schirmt eine frei eingestellte, transluzente Glastrennwand als offene Schleuse und Windfang vom restlichen Raum ab. Über eine kleine Wartelounge-Zone betritt man direkt den offenen Bürobereich. Hier gab im Wesentlichen die vorhandene Tragstruktur aus Stahlbetonstützen, Unterzügen und Rippendecken die Einteilung vor. So erstrecken sich die Arbeitsplätze und der Workshop in die Tiefe des Raums – genau in die Richtung also, in der die freigelegten Rippen der Betondecke verlaufen. Der mittig angeordnete Laufweg grenzt diese beiden Bereiche voneinander ab, unterstützt vom Holzpodest der Besprechungsinsel und der durchlässigen Streckmetallwand, die wie ein industriell geprägter Paravent anmutet. Am Ende des Wegs ist ein verspiegeltes Möbelstück eingestellt, das den Raum optisch verlängert und gleichzeitig auf der Rückseite als Garderobe und Stauraum dient. ›
Arbeitsplätze funktional entwickelt
Die Büroarbeitsplätze reihen sich entlang der Straßenfassade im Rhythmus der bauseits vorgegebenen Fenster- und Stützenachsen aneinander. An zwei großzügig geschnittenen Gruppentischen finden insgesamt acht Mitarbeiter Platz. Diese beiden Arbeitsinseln werden jeweils von halbhohen Regalen eingerahmt, die speziell für die Funktionsabläufe der Firma entworfen wurden. Unten bieten sie Stauraum für Ordner und oben Ablageflächen für Auftragsdokumente. Sowohl die Tische als auch die Schrankmöbel bestehen aus Multiplexplatten mit Eichenfurnier und bilden mit ihren dreieckig zugeschnittenen Füßen eine gestalterische Einheit. Jedes Regal ist aus vier gleichen Elementen gefertigt, deren Rückwand unten als Fuß und oben als Anschlag für die Ablagefläche dient (s. Bild 5). Da je zwei Elemente um 180 Grad gedreht sind, öffnet sich das Regal nach zwei Seiten, sodass trotz beschränkter Grundfläche und einzeiliger Regalanordnung jedem Mitarbeiter direkt hinter seinem Sitzplatz ein eigener Stauraum zur Verfügung steht. Sämtliche Holzflächen sind mit Zweikomponentenöl behandelt und werden über die Jahre zusätzlich an Charakter gewinnen. Die Schreibtische überzieht eine Schicht dunkelgraues Linoleum, das v. a. wegen seiner antistatischen Wirkung ausgewählt wurde.
Technik geschickt verteilt
Da der Raum über eine Vielzahl an glatten, harten Oberflächen verfügt, kam dem Thema Akustik eine übergeordnete Bedeutung zu. Unter den Arbeitsplätzen verlegte man daher Teppichfliesen (die nach Gebrauch vom Hersteller zurückgenommen und komplett recycelt werden können). Um die Bestandsdecke sichtbar lassen zu können, ließ Fehre leicht schräg gestellte Baffeln aus weißem Akustikschaumstoff zwischen die Betonrippen hängen. Sie betonen die charakteristische Deckenkonstruktion noch zusätzlich und sorgen zugleich für ein dynamisches Element im Raum. Auf den Schreibtischen schließlich trennen halbhohe, akustisch wirksame Schaumstoffpaneele mit Stoffbezug diejenigen Arbeitsplätze voneinander, die sich gegenüberliegen.
An den Unterzügen montierte Ceiling Washer beleuchten Baffeln und Deckenkonstruktion; auf diese Weise werden die Arbeitsplätze mit blendfreiem, indirektem und tageslichtweißem Grundlicht versorgt. Punktuelle, zwischen die Deckenrippen gehängte LED-Spotlights inszenieren die Streckmetallwand und die Showroom-Möbel des Workshops. Ein bisschen ausgefallener geht es lediglich über dem großen Besprechungstisch zu: In spielerischer Anordnung sind hier unterschiedliche Pendel-leuchten in Kupfer, weißer und grauer Lackierung aufgehängt, die den besonderen Stellenwert des Workshops innerhalb der Büroetage betonen. •
Standort: Stuttgarter Straße 11, 73614 Schorndorf
Bauherr: Hadi, Hans Schüßler, Schorndorf
Architektur: Alexander Fehre, Stuttgart
Beteiligte Firmen:
Innenausbau: Demmelhuber Holz & Raum, Hainichen, www.demmelhuber.net
Glastrennwand: Strähle, Waiblingen, www.straehle.de
Bürofachhändler: Chairholder, Schorndorf, www.chairholder.de
Teppichfliesen: Tweed von Desso, Waalwijk (NL), www.desso.de
Beleuchtung: Elektro Taraschewski, Schorndorf, www.elektrotaraschewski.de
Leuchten Besprechungstisch: Form Us With Love, Stockholm (S), www.formuswithlove.se
Leuchten Wartelounge: AIM von Flos, Bovezzo (I), www.flos.com
  • 1 Eingangsbereich
  • 2 Büro
  • 3 Besprechung, Showroom, Teeküche
  • 4 Garderobe und Ablage
  • 5 Lager
  • 6 Anlieferung

Schorndorf (S. 118)

3843372

Studio Alexander Fehre
Alexander Fehre
Studium der Innenarchitektur an der Hochschule Wismar. Mitarbeit bei den Deutschen Werkstätten Hellerau und bei Pret a Manger, London. Projektleitung bei Ippolito Fleitz Group. 2010 Gründung von Fehre Design.
Tanja Feil
s. db 12/13, S. 129
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