Richard Neutra hat nicht allzu viel in Deutschland gebaut. Das 1967 fertiggestellte Haus Kemper ist nun instandgesetzt worden – mit der Sorgfalt von Bauherren, die sich auf das originalgetreue Restaurieren von Porsche-Oldtimern spezialisiert haben.
Nur eine knappe Viertelstunde ist nötig, um vom Hauptbahnhof Wuppertal mit dem Auto zum Haus Kemper zu fahren. Unterschiedlicher könnten die Welten kaum sein, die man dabei erlebt: eben noch das raue städtische Bahnhofsumfeld, dann das Idyll einer abgeschiedenen Waldlichtung, die an einem leichten Südhang liegt und den Blick über die offene Landschaft freigibt. 1965-67 hatte Richard Neutra hier für die Familie Kemper eine Villa in bestem International Style errichtet, bevor er zwei Jahre später ein paar Straßen weiter stadteinwärts mit Haus Pescher ein weiteres mondänes Wohngebäude fertigstellte. Bei beiden verlängern die für Neutra typischen „spider legs“ und die über die Fassade auskragenden Dachbalken den Innenraum in die Natur, während große Glasfronten zur Gartenseite Wohn- und Außenraum miteinander verschmelzen lassen. Dass sich dieser Bautypus in Deutschland zunächst nicht so durchsetzen konnte wie in Kalifornien, wo Neutra ihn berühmt gemacht hatte, liegt sicher auch an den deutlich kälteren Wintern hierzulande und an der Tatsache, dass es um den Wärmeschutz großflächiger Verglasungen damals noch nicht allzu gut bestellt war.
Während es Haus Pescher bereits auf die Denkmalliste geschafft hat, wird dies für Haus Kemper noch geprüft, da es zwischenzeitlich starke Veränderungen erfahren hatte. Dass Neutra 1970 in diesem Haus starb, als er es während einer Vortragsreise besichtigte, hat bislang offensichtlich nicht den Ausschlag zur Unterschutzstellung als Denkmal gegeben.
Nun ist die Villa Kemper sehr gewissenhaft instandgesetzt worden – mit dem Anspruch, sie wieder an den Ursprungszustand anzunähern. Als Glücksfall darf gelten, dass sie 2016 von einem Ehepaar erworben wurde, das sich als Inhaber von Early 911S, einer Manufaktur für die Restaurierung klassischer Porsche-Automobile, damit auskennt, Objekte originalgetreu wiederherzustellen. Sarah und Manfred Hering bewohnten das Haus während des gesamten Umbaus. Denn nur so konnten sie Raum für Raum auf Spurensuche gehen und direkten Einfluss auf jede Entscheidung nehmen. Dabei setzten sie auf alte Pläne und Bilder aus der Bauzeit, aber auch auf Besuche im nahe gelegenen Haus Pescher, das sich noch zu großen Teilen im Originalzustand befindet.
Wo ein Erhalt wegen schadhafter oder nicht mehr originalgetreuer Materialien nicht möglich war, galt es, auch die neu eingebauten Elemente mit einer Patina zu versehen. Über das Fotoarchiv des Architekturfotografen Karl Hugo Schmölz und das behutsame Offenlegen von Schichten konnte etwa die Wand zwischen Wohn- und Essbereich gerettet werden, die auf der einen Seite aus Palisanderholz und auf der anderen Seite aus Esche besteht. Auch die Travertinböden im Innenraum und im Außenbereich wurden aufbereitet, ebenso Neutras horizontale Lichtbänder in der Decke.
Gerade bei den großzügigen Festverglasungen und Schiebelementen der Fassade mit ihren extrem filigranen Rahmen und Pfosten gestaltete sich die Anpassung an die heutigen technischen Anforderungen nicht einfach. An einigen Stellen waren die ursprünglichen Fenster noch erhalten und dienten als Vorbild für die neu angefertigten Glaselemente. Zusammen mit den Firmen Alubau Puhlmann und Schüco entstand eine Sonderkonstruktion, die die statischen Anforderungen an die großformatigen Elemente erfüllt und zugleich eine manuelle Bedienung der Schiebeelemente mit filigranen Griffen erlaubt. Wegen der schlanken Sonderkonstruktion entschied man sich statt für eine Dreifach- für eine Zweifachverglasung und für eine zweigleisige Ausführung der Schiebeelemente. In den schmalen Blendrahmen sind kontaktlose Stromüberträger für die Verriegelung integriert, während für die Abdichtungsprofile mit dem 3D-Drucker der Entwicklungsabteilung von Schüco gearbeitet wurde.
Nun zeigt sich das Wohnhaus wieder weitgehend wie 1967. Nur die ehemalige Schwimmhalle hat eine neue Nutzung: Sie dient jetzt als Präsentationsfläche für die besten Stücke der firmeneigenen Porscheausstellung.
~Christian Schönwetter
Standort: Dorner Weg 100, 42369 Wuppertal
Architekt: Richard Neutra
Beteiligte Firmen:
Verarbeiter Metallbau: Alubau Puhlmann, Rhede
Sonderkonstruktion auf Basis des wärmegedämmten Schiebesystems Schüco ASS 48
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