Architekten: Silvio Schmed und Arthur Rüegg; Ruggero Tropeano Architekten
Tragwerksplaner: Dr. Deuring + Oehninger
Text: Hubertus Adam
Fotos: Georg Aerni; Alexander Tröhler
Der 1933 eingeweihte Komplex aus Kunstgewerbemuseum und Gewerbeschule in Zürich gilt als Meilenstein des Neuen Bauens in der Schweiz. Die Klarheit der Formensprache war indes erst allmählich entstanden. In der ersten Stufe des Wettbewerbs 1926 hatten Adolf P. Steger und Karl Egender, die seit 1922 in Zürich ein gemeinsames Architekturbüro betrieben, noch eine etwas unentschiedene Hoflösung mit einer Kombination von Flachdach- und Satteldachbauten vorgeschlagen. Vielleicht waren es Anregungen von Sigfried Giedion, dem Spiritus Rector der Moderne in Zürich, welche die Zielrichtung der Überarbeitung vorgaben. Vehement sprach er sich gegen eine Hofanlage aus und forderte, das Projekt müsse »wie eine Fabrik, ein Laboratorium, eine Schule« aussehen, und nannte als mögliche Vorbilder die Gewerbeschule von Leendert van der Vlugt in Groningen und das Bauhaus in Dessau.
Im ausgeführten Projekt fanden die Architekten dann zu einer ikonisch-abstrakten Lösung: ein sechsgeschossiger Schulflügel parallel zur Limmat, rechtwinklig anschließend der Museumstrakt mit einem basilikalen Querschnitt und wiederum rechtwinklig dazu der Baukörper des Auditoriums an der Ausstellungsstrasse. Mit dem Spiel aus fassadenbündigen Verglasungen und geschlossenen Wandflächen bringt der Stirnbau am radikalsten die kubische Volumetrie der Gesamtkomposition zum Ausdruck.
In den 30er Jahren empfanden viele Bürger das Projekt als geradezu revolutionär. Zwar war es von der sozialdemokratischen Stadtregierung unterstützt und auch durch eine Volksabstimmung abgesegnet worden, gleichwohl wurde der Schul- und Museumskomplex von konservativen Kreisen unter dem Stichwort »Architektur-Bolschewismus« attackiert, und Paul Schultze-Naumburg durfte in der Zeitschrift des Schweizer Heimatschutzes darüber räsonieren, ob man den Ausführungsentwurf »für eine gut angelegte Schuh- oder Fahrradfabrik oder vielleicht für die Werkstätten kosmetischer Artikel mit Lagerräumen oder eine Milchzentrale halten muss«.
Kontinuität und Wandel
Über die Jahrzehnte blieb das dreiteilige Ensemble relativ gut erhalten. Grund dafür war, dass die ursprünglichen Funktionen weiterbestanden und die Nutzer bewusst und sensibel mit der Substanz umgingen. Als größere Entstellung zu werten war lediglich das Einziehen einer Zwischendecke in die Museumshalle, wodurch die Unterteilung in Haupthalle und Seitenschiffe mit Galerien verloren ging. 1996/97, drei Jahre nachdem das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt worden war, fanden eine Fassadensanierung, Restaurierungsmaßnahmen im Innern und Brandschutzertüchtigungen statt.
Aufgrund der Neuorganisation des Hochschulwesens wurde das Gebäude 2004 von der Stadt an den Kanton übertragen, zehn Jahre später übersiedelte die nunmehrige Zürcher Hochschule der Künste ins gut zwei Kilometer weiter westlich gelegene Toni-Areal, wo auch das Museum für Gestaltung seinen neuen Hauptstandort mit Ausstellungsflächen und Magazin erhalten hat. Zwischen 2014 und 2017 wurde der leer stehende Komplex in getrennten Bauabschnitten für Museum und Schule von zwei unterschiedlichen Architekturbüros restauriert. Kopfbau und Ausstellungstrakt dienen seit März 2018 als Dependance des Museums für Gestaltung, der Schulflügel ist jetzt alleiniger Sitz der Allgemeinen Berufsschule Zürich, die hier u. a. im Bereich Gastronomie, Labor- und Zahntechnik ausbildet und auch zuvor schon Teile des Gebäudes nutzte.
Museum
Die Restaurierung des Museumsbereichs übernahm unter der Leitung des Hochbauamtes des Kantons Zürich das Architekturbüro Ruggero Tropeano. Wichtigste Intervention war das Entfernen der Zwischendecke und damit die Wiederherstellung des Raumeindrucks im Museumstrakt. Für die entfallenen Flächen wurde im UG Ersatz geschaffen: Unter dem Foyer befindet sich in einem mit Pilzstützen von Robert Maillart versehenen Saal ein neues Schaudepot und unter der eigentlichen Museumshalle sind sogenannte »Period Rooms« zur Schweizer Wohnkultur seit 1900 mit Objekten aus der Sammlung eingerichtet worden.
Zentrales Anliegen war die klimatische, brandschutz- sowie sicherheitstechnische Ertüchtigung des Bestands. Das Museum erhielt eine Klima- und Lüftungsanlage, die Fenster bekamen eine zusätzliche Isolierverglasung. Aus klimatischen Gründen wurden der Durchgang zum Foyer mit einer zweiten Glaswand ausgestattet und die Galerien im OG verglast.
Soweit wie möglich setzte Tropeano auf Ausbessern, Flicken und Ergänzen, so etwa bei den Bodenplatten (Farbtöne Orange/Beige/Braun) aus Lausener Klinkern; wo dies nicht möglich war, versuchte er, mit zeitgenössischen Materialien dem ursprünglichen Bild nahezukommen. So ersetzt beispielsweise ein für die Ausstellungszwecke als strapazierfähiger erachteter Gummigranulatbelag das ursprünglich vorhandene schwarze Linoleum in den Seitenschiffen. Neu entstanden ist die Ausstattung des Foyers mit Rezeptionstresen und Cafeteria. Hier wurde die bauzeitliche Farbfassung der Wände mit ihrem hellen Grauton rekonstruiert, während die Museumsleitung in den Ausstellungsräumen ein helles Weiß durchsetzte. Auch Nutzungskontinuität eines Gebäudes aus den 30er Jahren zwingt an der einen oder anderen Stelle zu Kompromissen.
Schultrakt
Bei der Restaurierung des Schulflügels konnten sich in einem Bieterwahlverfahren Arthur Rüegg und Silvio Schmed durchsetzen, die in Zürich neben Tropeano zu den ausgewiesenen Spezialisten beim Umgang mit Zeugnissen des Neuen Bauens zählen. Angesichts der Tatsache, dass eine vorherige Restaurierung in den Jahren nach 1994 erfolgt war, sprechen die Architekten von einer »Re-Restaurierung«. Fassaden und Fenster wurden lediglich aufgefrischt, Hauptinterventionsfeld bei der jetzigen Sanierung war das Innere, weil die Nutzung durch die Berufsschule Anpassungen erforderte. So sind im Keller Lehrküchen entstanden, an der Stirnseite des Gebäudes befindet sich neu der Haupteingang. Die Raumeinteilung für das anschließende Informationszentrum lehnt sich mit den durch schmale Stahlprofile gegliederten Glaswänden an bauzeitliche Vorbilder an.
Im Großen und Ganzen konnte die historische Struktur der zweibündigen Anlage mit ihren Schulzimmern, Parkettböden, Wandschränken, Türen und Sanitärnischen erhalten und sanft renoviert werden. An einigen Stellen musste das Raumgefüge verändert werden. Dabei achteten die Architekten darauf, etwa bei neuen Türöffnungen Materialien zu verwenden, die den historischen nahekommen. Wiederhergestellt wurde der »Gelenkraum« im 2. OG, der als kleiner Ausstellungsraum zwischen dem Schulkorridor und dem Museum vermittelte, 1945 aufgrund Platzmangels jedoch verbaut worden war. Die Tapete in den Korridoren mit ihrem charakteristischen, durch Walzen aufgetragenen Punktmuster, die schon in den 90er Jahren durch eine nicht materialidentische Rekonstruktion ersetzt worden war, wurde mit heutigen Techniken (Digitaldruck der Punkte auf Stramingewebe) nachgeschaffen, sodass der ursprüngliche Raumeindruck gewahrt bleibt.
Alle drei Baukörper mussten überdies gegen Erdbeben ertüchtigt werden. Aufgrund von aufwendigen Untersuchungen und Berechnungen im Vorfeld der Restaurierung entschied man sich für ein gewissermaßen minimalinvasives Vorgehen.
Die Gebäudefugen zwischen den Bauteilen und in der Mitte des Schultrakts wurden mittels Gewindestangen kraftschlüssig verbunden. Dadurch konnte auf zusätzliche Aussteifungen weitgehend verzichtet werden.
Erfindungsreichtum für den Brandschutz
Die mehr als 100 m langen Korridore des zweibündigen Gewerbeschultrakts, die sich zwischen den beiden Treppenhäusern an den Gebäudeenden aufspannen, sind als Erschließungs- und Pausenflächen ein wirkungsbestimmendes Charakteristikum des Gebäudes. Anlässlich der Sanierung 1994 waren sie durch Verglasungen mit Brandschutztüren unterteilt worden, zugleich hatte man die Decke leicht abgehängt, um Platz für Leitungsführungen zu erhalten. Angesichts verschärfter Brandschutzbestimmungen musste eine neue Lösung gefunden werden. Dabei war es Ziel von Rüegg und Schmed, eine visuelle Unterteilung des Korridors möglichst zu vermeiden. Resultat sind eigens entwickelte vierteilige Brandschutzdrehfalttüren, die im Normalzustand offen stehen und jeweils zusammengeklappt wandparallel ihre Ruheposition haben. Nur im Brandfall schlagen sie zu, wobei die zwei Mittelflügel als Fluchttüren dienen. Schmale Festverglasungen trennen die Türen von den Korridorwänden.
Durch Verlegung der Elektroleitungen von den Fluren in die Klassenräume war es überdies möglich, die tiefer gehängte Decke zu entfernen. Dadurch sind die vorher verdeckten oberen Profile der Oberlichter zu den Klassen wieder sichtbar geworden. Auch hier musste brandschutztechnisch durch eine klassenseitige zusätzliche Verglasung eingegriffen werden. Details wie dieses zeigen die große Sorgfalt, mit der die Architekten vorgingen und die dazu führt, dass der Raumeindruck der 30er Jahre jetzt wieder stärker hervortritt.
Berufsschule
Standort: Ausstellungsstrasse 44, CH-8005 Zürich
Bauherr: Kanton Zürich, vertreten durch Baudirektion Kanton Zürich
Architekten: Silvio Schmed und Arthur Rüegg mit Monika Stöckli, Zürich
Tragwerksplanung: Dr. Deuring + Oehninger, Winterthur
Gebäudetechnik: Amstein + Walthert, Zürich
Bauphysik: BWS Bauphysik, Winterthur
Bauleitung: Dürsteler Bauplaner, Winterthur
Restauratoren: Heinz Schwarz & Gertrud Fehringer, Kriens
Visuelle Gestaltung: Karin Schiesser Partner, Zürich
Wandbild: Cat Tuong Nguyen, Zürich
BGF: 14 718 m²
BRI: 56 940 m³
Baukosten: 31,5 Mio. CHF
Beteiligte Firmen:
Brandschutztüren und -oberlichter: Jos. Berchtold, Zürich (CH); www.josberchtold.ch
Restaurierungen, Tapezier- und Malerarbeiten: fontana & fontana, Rapperswil-Jona; www.fontana-fontana.ch
Beleuchtungskörper: Prolux Licht, Schlieren; www.prolux.ch
Museum für Gestaltung
Standort: Ausstellungsstrasse 60, CH-8005 Zürich
Bauherr: Kanton Zürich, vertreten durch Baudirektion Kanton Zürich
Architekten: Ruggero Tropeano Architekten, Zürich
Tragwerksplanung: Dr. Deuring + Oehninger, Winterthur
Gebäudetechnik: Amstein + Walthert, Zürich
Bauphysik: BWS Bauphysik, Winterthur
Bauleitung: Vollenweider Baurealisation, Schlieren
Lichtplanung: matí Lichtgestaltung, Adliswil
BGF: 7 000 m²
Baukosten: 14,99 Mio. CHF
Beteiligte Firmen:
Einbauten Empfangsmöbel: Metall Werk Zürich, Zürich (CH), www.met-all.ch
Beleuchtung: MOOS licht, Luzern, www.mooslicht.ch
Bodenbeläge, Textilien: Daniel Fournier Agencement, Zürich, www.danielfournier.ch
Türen, Tore: Surber Metallbau, Dietikon, www.surber.ch
Fenster: holzmanufaktur SWISS, Hunzenschwil, www.holzmanufaktur-swiss.ch
Elektroarbeiten: Burkhalter Technics, Zürich, www.burkhalter-technics.ch
Lüftungsarbeiten: Hälg Group, Zürich, www.haelg.ch