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Ungewisse Zukunft

Wird Arne Jacobsens Rathaus in Mainz saniert oder abgebrochen?
Ungewisse Zukunft

Zum Spätwerk von Arne Jacobsen gehört das Mainzer Rathaus, das 1973 eröffnet wurde. Inzwischen bedarf das Gebäude zweifellos einer umfassenden Modernisierung, doch sogar ein Abriss ist im Gespräch.

{Text: Werner Durth

Die öffentliche Debatte über Sinn und Kosten einer Sanierung des Mainzer Rathauses schlägt hohe Wellen. Sogar der Abbruch dieses von Arne Jacobsen und Otto Weitling geplanten, denkmalgeschützten Gebäudes wurde von einigen Bürgern gefordert; seit seiner Eröffnung 1973 hatte es in der Fachwelt hohe Anerkennung, in der lokalen Öffentlichkeit aber auch Kritik ausgelöst. In einer gut besuchten »Bürgerinformation« des Mainzer Stadtplanungsamts am 25. Januar wurde die Bedeutung des Baudenkmals gewürdigt, doch die Debatte geht weiter.
Lange hatte Mainz kein richtiges Rathaus und musste sich mit Provisorien begnügen. In den 1960er Jahren setzte in Deutschland ein Bauboom neuer Rathäuser ein, und wenige Tage nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister von Mainz erklärte Jockel Fuchs im Mai 1965: »Die Selbstdarstellung des Gestaltungswillens unserer Generation ist eine verpflichtende Aufgabe. Dazu gehören die Stadthalle und das Rathaus.« Entsprechend anspruchsvoll hieß es in der Ausschreibung des Wettbewerbs 1967: »Wenn ein Rathaus in der heutigen Zeit mehr sein soll und mehr sein kann als nur ein Verwaltungsgebäude mit einem Sitzungssaal, dann darf es zugleich etwas von dem ausdrücken, was man unter Bürgersinn und Bürgerstolz versteht.«
Im April 1968 tagte unter Vorsitz von Rudolf Hillebrecht ein prominent besetztes Preisgericht, dem neben Egon Eiermann auch Jürgen Joedicke angehörte, renommierter Experte für Geschichte und Theorie moderner Architektur, der im Vorjahr, 1967, mit dem Team um Günter Behnisch den 1. Preis im Wettbewerb um die Olympischen Spiele in München unter Vorsitz von Egon Eiermann gewonnen hatte. Gleichsam als Gegenpol zur Münchner Leichtigkeit markierte die Entscheidung der Jury für den Entwurf von Jacobsen und Weitling die ganze Breite des Spektrums der Architekturströmungen jener Zeit am Ende der 60er Jahre. In der Erläuterung hieß es zu diesem Projekt: »Das Preisgericht sieht in ihm eine eigenständige und herausragende Lösung. Der Vorschlag der diagonalen Erschließung und der diagonalen Führung der Baukörper ist ein neuer und eigenständiger Beitrag, der die Struktur der mittelalterlichen Stadt aufnimmt und neu inter- pretiert.« Dabei wurde betont: »Die Höhenentwicklung der Gebäude ist so gehalten, dass keine Störung der historischen Stadtsilhouette auftritt.« Im Gegensatz zu den damals üblichen Zweckbauten wurde für das Mainzer Rathaus ein Monument in wuchtiger Kubatur geplant, ein Bauwerk, das in seiner eigenwilligen Setzung dem mehrfach zitierten »Bürgerstolz« sinnfällig Ausdruck geben sollte.
Dieses vor der bewegten Stadtsilhouette breit am Rhein gelagerte Bauwerk mit seiner Fassade, die durch Gitterstrukturen rhythmisch gegliedert wird, hat sich als Wahrzeichen der Stadt inzwischen tief ins kollektive Gedächtnis eingeprägt. Die Schrägstellung der Rathausfront, die sich als klares Bild der Stadt zuwendet, öffnet den Blick zum Rhein. In umgekehrter Richtung, von der Rheinbrücke her gesehen, öffnet der Platz den Blick auf die Altstadt mit Dom. Das städtebauliche Konzept überzeugt bis heute. Die Anerkennung in der Fachwelt war Konsens, doch gab es Kritik von den Bürgern vor Ort.
Mit der ironischen Bezeichnung »Fuchsbau« war der von Anbeginn als zu klein empfundene Eingang angesprochen, zweitens die Enge und Unübersichtlichkeit des Foyers, drittens die mangelnde Einbindung in das städtische Umfeld. Die als Sonnenschutzelemente wenig tauglichen Metallgitter vor den Fenstern gaben Anlass zum Spottnamen »Beamtengefängnis«. Inzwischen wölben sich Marmorplatten in der Fassade und müssen dringend ausgetauscht werden; zudem müssen die Haustechnik grundlegend erneuert und die Qualität der Arbeitsplätze im Haus verbessert werden. Eine Machbarkeitsstudie nennt erste Kostenschätzungen, die einer gründlichen Prüfung bedürfen, doch eine Sanierung deutlich günstiger erscheinen lassen als einen Abriss mit anschließendem Ersatzneubau an anderer Stelle.
Freilich lässt sich über vieles streiten und fraglos gibt es dringenden Handlungsbedarf, doch bietet die allzu lang aufgeschobene Entscheidung für eine Sanierung die Chance, einerseits mit Blick auf die Bedingungen der Entstehungszeit ein neues Verständnis für die Besonderheit diese Bauwerks zu vermitteln – und andererseits berechtigte Kritik aufzunehmen: Technische Erneuerung und energetische Sanierung sind Pflicht, Öffnung und Urbanisierung denkbar, Vorschläge dazu gibt es bereits. •
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