In den kommenden zwölf Monaten hat die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Hochkonjunktur: Das europäische Kulturerbejahr bietet allen Initiativen rund ums Thema Denkmal eine gute Gelegenheit, mehr Aufmerksamkeit als üblich auf sich zu ziehen.
Einen prominenteren Fürsprecher könnte sich das Kulturerbejahr kaum wünschen: Für die Europäische Kommission betonte Jean-Claude Juncker, dass 2018 das Gemeinschaftliche und Verbindende europäischer Kultur im Mittelpunkt stehen soll. Die Idee ist es, mit einem Aktionsjahr bei den Bürgern das Bewusstsein für das reichhaltige (bauliche) Erbe zu fördern und die Bereitschaft zu seiner Bewahrung zu wecken. Dabei soll der Erhalt als Entdecken gemeinsamer Wurzeln aufgefasst werden, nicht als bloßes Konservieren von Altbekanntem. Dieser europäische Ansatz verspricht neue Sichtweisen, wird Baukultur doch häufig eher als lokales Phänomen rezipiert.
Eine Vielzahl an Institutionen beteiligt sich, etwa Museen, Gedenkstätten, Archive, Bibliotheken, Vereine, Fachgesellschaften, Förderkreise – aber auch bürgerschaftliche Initiativen. Ihre Projekte und Veranstaltungen sind auf einer zentralen Internet-Plattform eingetragen. Manche Aktion würde vielleicht auch ohne das Kulturerbejahr stattfinden, aber nun bekommt sie wahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit. Vielversprechend unter den deutschen Beiträgen klingt beispielsweise die Ausstellung »Märklinmoderne« im DAM und in der Architekturgalerie am Weißenhof: Hier geht es um die legendären Modelleisenbahn-Häuschen des deutschen Herstellers Faller, von denen das eine oder andere Avantgardearchitektur aus dem Ausland nachbildete. Auf der »Europäischen Route der Backsteingotik« hingegen kann man grenzübergreifend der Hansearchitektur an der Ostsee nachspüren. Und im Projekt »SOS Hamburger Nachkriegsmoderne« wiederum fertigen Studierende Kurzfilme über gefährdete Gebäude in ihrer Stadt an. Von Messen über Symposien bis zu Online-Datenbanken reicht das Angebot im Rahmen des Kulturerbejahres.
Vielleicht gelingt es durch die Bündelung der Aktivitäten, tatsächlich eine gewisse Aufbruchstimmung zu erzeugen. Wir als Redaktion mit dem Schwerpunkt »Bauen im Bestand« freuen uns jedenfalls auf dieses Jahr. Es war längst überfällig. Denn die letzte vergleichbare Initiative ist schon ein paar Tage her: Das Europäische Denkmalschutzjahr fand 1975 statt. ~cs