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Verjüngungskur

Sanierung eines Gründerzeithauses in Leipzig
Verjüngungskur

Verjüngungskur
1 Straßenfassade des Gründerzeithauses Arnoldstraße 26 in Leipzig 2, 3 Der Denkmalschutz steht der Umsetzung der erweiterten Hoffassade entgegen. Die Denkmalbehörde bewertet den Ensembleschutz höher als die pragmatische Lösung der Planer 4 Im Grundriss sind die Schlangen des Erdwärmetauschers zu erkennen
Passivhausstandard bei Neubauten zu erreichen, ist kein Hexenwerk. Den immens großen Bestand an Altbauten energetisch zu sanieren, kostet jedoch einige Anstrengung und führt leicht zu Konflikten mit dem Denkmalschutz. Ein Leipziger Ingenieurbüro hat sich zusammen mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur auf die Suche nach praktikablen Lösungen gemacht.
To achieve passive house energy standards in new building is no great problem. An energetical refurbishment for the enormous number of existing buildings, however, requires a big effort and can easily lead to conflict with conservation authorities. An engineers‘ office in Leipzig, together with the Institute of Technology, Economics an Culture, is searching for practicable solutions.

Text und Fotos: Harald Stahr

Altbausanierung im Passivhausstandard Neubauten im Passivhausstandard erbrachten den Nachweis, dass es auch in Mitteleuropa möglich ist, auf konventionelle Heizungssysteme zu verzichten, ohne Einbußen beim Komfort hinnehmen zu müssen. Das wesentlich größere energetische Einsparpotenzial liegt hingegen bei den Bestandsbauten – vor allem jene aus der Gründerzeit kommen energetischen Museen gleich. Das Ingenieurbüro Naumann & Stahr erstellte ein Konzept für ein Gründerzeithaus in Leipzig-Stötteritz. Die geplanten Maßnahmen und deren energetische und bauphysikalische Auswirkungen wurden im Rahmen einer Masterarbeit in Zusammenarbeit mit der HTWK Leipzig, Fachbereich Bauingenieurwesen, untersucht und berechnet. Ergebnis: Die Sanierung mit dem Passivhausstandard als Ziel ist möglich.
Der energetischen Sanierung des Gebäudes kommt die kompakte Bauweise als Mehrfamilienhaus ohne größere Versprünge und Vorbauten im Verlauf einer Häuserzeile zugute. Hinderlich wirken sich die strukturierte Klinkerfassade auf der Straßenseite sowie die Auflagen der Denkmalbehörde für die Hofseite aus, diese genießt mit ihrem vorspringenden Treppenhaus Ensembleschutz.
Der Heizenergieverbrauch des Gebäudes betrug bisher etwa 100 kWh/m²a, nach der Sanierung soll es einen Wert von um die 8 kWh/m² Wohnfläche im Jahr erreichen. Eine Rechnung mit dem Passivhaus Projektierungs Paket (PHPP) des Passivhaus-Institutes (Rechenverfahren zur Ermittlung der Energiekennwerte eines Gebäudes) zeigte, dass dies möglich ist. Die Einhaltung dieser Kennwerte und die bauphysikalische Funktionsfähigkeit wird im Rahmen eines messtechnischen Begleitprogrammes und als Förderprojekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gemeinsam mit der HTWK Leipzig überwacht.
Ausführung Die stark strukturierte Straßenseite kann nur von innen gedämmt werden. Zum Einsatz kommen Vorsatzwände mit Zellulosedämmung an Außenwänden und in den Fensternischen. Die vorhandenen Fenster werden durch Holzkastenfenster mit U-Wert = 0,68 W/m²K ersetzt. Durch Anbauten zu beiden Seiten des vorspringenden Treppenhauses soll die Kubatur der Hofseite verbessert werden. Geplant ist eine hochwärmegedämmte Holzfassade mit Zellulosedämmung und fassadenintegrierten Sonnenkollektoren sowie passivhausgeeigneten Holzkastenfenstern.
Das Treppenhaus wird durch Einbau eines Windfangs vom Eingangsbereich thermisch getrennt. Der Keller wird trockengelegt und mit einem Erdwärmetauscher für die Lüftungsanlagen versehen. Auf die Gewölbekappen wird eine 125 mm dicke Schicht aus Flachsdämmplatten und Trockenestrich aufgebracht.
Die Dachdämmung wird auf 50 cm erhöht, der Dämmwert der Dachfenster durch Vorsatzfenster verbessert.
Ebenso wichtig wie die Verbesserung des U-Wertes sind verschiedene Besonderheiten, wie zum Beispiel die Wärmebrückenfreiheit der Dämmkonstruktion, vor allem beim Übergang von Innen- zu Außendämmung und beim Anschluss der Innenwände, Decken und Fußböden an die Innendämmung. Mängel führen schnell zur Durchfeuchtung der Bauteile; Tapeten lösen sich ab, es bildet sich Schimmel.
Vor allem im Bereich der Balkenköpfe der Holzbalkendecken spielt die Luftdichtheit der Konstruktion eine entscheidende Rolle. Eindringende Feuchte wird durch Fäulnis über kurz oder lang die Tragfähigkeit dieser Balken zerstören. Bereits im unsanierten Zustand wurden die Balkenköpfe mit entsprechender Messtechnik (Temperatur und Feuchtegehalt) vermessen. Im sanierten Zustand werden diese Messungen weitergeführt, da zwar viele verschiedene Meinungen existieren aber keinerlei verlässliche Werte vorliegen.
Von ähnlicher Bedeutung ist die Diffusionsoffenheit der gewählten Konstruktionen und Baustoffe. Da die straßenseitige Klinkerfassade nur sehr eingeschränkt diffussionsfähig ist, müssen die für die Innendämmung verwendeten Materialien entweder mit einer dauerhaft funktionierenden Dampfsperre versehen sein oder über eine gute Sorptionsfähigkeit verfügen, die eine Zwischenspeicherung und zeitversetzte Rückgabe der Raumfeuchte ermöglicht. Die Wahl fiel auf Zellulosedämmstoff, da die dauerhafte Dampfsperre praktisch nicht realisierbar ist.
Die verbesserte Dämmung und dichte Kastenfenster unterdrücken einen Großteil der Außengeräusche, wodurch nun die im Gebäude entstehenden Geräusche (z. B. Trittschall) wesentlich deutlicher zu Tage treten. Umso mehr Augenmerk muss daher auf der Entkoppelung der zusätzlichen Bauteile (Vorsatzwände) und Installationen (Lüftungs- und Sanitärtechnik) liegen.
Haustechnik Das Gebäude erhält die für ein Passivhaus typischen technischen Ausstattungen wie Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (WRG), vorgeschaltete Erdwärmetauscher und thermische Solaranlage zur Warmwasserbereitung. Die Anwendung von Lüftungsgeräten mit WRG im Mehrfamilienhaus ist jedoch problematisch, da sie für wohnungsweise Nutzung zu groß und zu teuer sind und wesentlich höhere Luftwechselzahlen als erforderlich mit sich bringen. Der Einsatz von einem Gerät für mehrere Wohneinheiten erschwert den Brandschutz (Brandüberschlag über die Lüftungsleitung, Verknüpfung von Brandabschnitten) und den Schallschutz (Telefonieschallübertragung). Außerdem entfällt bei der gemeinsam genutzten Anlage der individuelle Zugriff des Einzelmieters auf das Lüftungssystem. Daher werden Geräte verschiedener Hersteller auf ihre Eignung für den wohnungsweisen Einsatz geprüft.
Die fassadenintegrierte Solaranlage (Solarwand) wurde gezielt für das Passivhaus-Holzbausystem von Naumann & Stahr entwickelt. Durch ihre vertikale Ausrichtung ist ein gleichmäßiger Betrieb möglich, mit deutlich höheren Erträgen im Winter. Die Mehrkosten für die größere Kollektorfläche im Vergleich zur Anbringung auf dem Dach werden durch geringere Herstellungskosten kompensiert. Es werden keine separaten Gehäuse benötigt, die Kollektordämmung ist ohnehin vorhanden.
Zur Kompensation der erforderlichen elektrischen Leistung für Pumpen und Ventilatoren der Lüftungsanlage ist der Anschluss von Waschmaschinen und Geschirrspülern an die Anlage vorgesehen. In Zeiten solarer Überschüsse lassen sich dadurch merkliche Einsparungen beim Stromverbrauch dieser Geräte bewirken.
Die Nachheizung des Trinkwassers bei mangelnder Einstrahlung kann wohnungsweise mit elektrischen Durchlauferhitzern erfolgen, so dass auf Zirkulation und die daraus resultierenden Verluste verzichtet werden kann.
Darüber hinaus ist eine Photovoltaikanlage in den Brüstungselementen auf der Hofseite vorgesehen. Damit lässt sich ein Teil des Stroms, der für die elektrische Notheizung erforderlich ist, erzeugen.
In Passivhäusern stellen sich bei normaler Nutzung in der Heizperiode Temperaturen im Bereich von 19 bis 21 °C ein. Der guten Luftdichtheit und der gleichmäßig hohen Temperatur der Umgebungsoberflächen wegen reicht dies für ein behagliches Wohnen aus. In Deutschland stößt der Verzicht auf eine Restheizquelle jedoch auf wenig bis keine Akzeptanz. Deshalb wird im Gründerzeithaus in der Arnoldstraße 26 ein elektrisches Direktheizsystem in Form von Wandheizflächen oder Wandheizkörpern installiert, das bei extremen Außentemperaturen oder temporär höherem Wärmebedarf zum Einsatz kommt. Die anfallenden Stromkosten belaufen sich auf etwa 50 bis 100 Euro je Wohnung pro Jahr. Ein ähnlicher Betrag fällt für die elektrische Nachheizung des Trinkwassers in sonnenarmen Zeiten an. Der Einsatz einer herkömmlichen Heizungsanlage auf Öl- oder Gasbasis ergäbe im Vergleich dazu keinerlei Sinn. H. S.
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