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CAD – eine Bestandsaufnahme

CAD – eine Bestandsaufnahme, Teil 1
CAD – eine Bestandsaufnahme

Teil1: Konzeptionen und Zeitersparnis

Über einen Zeitraum von rund zehn Jahren hat sich für uns Architekten eine Kerntätigkeit – das Erstellen von Zeichnungen – fast vollständig verändert. Stück für Stück ist die Arbeit mit CAD zu einem immer selbstverständlicheren Bestandteil unseres Berufsalltages geworden. Zwar legen wir im Büro Behnisch, Behnisch und Partner nach wie vor Wert darauf, dass auf jedem Tisch eine Reißschiene vorhanden ist, die für Skizzen, Detailpläne aber auch für Wettbewerbe tatsächlich noch genutzt wird. Aber ebenso selbstverständlich ist mittlerweile jeder Arbeitsplatz mit einem Computer ausgestattet. Zeit, einmal grundsätzlich über den Einfluss des Werkzeugs CAD auf unsere Arbeit nachzudenken. Was sind die Vorteile, was bedarf der Verbesserung?
Hinsichtlich der Einführung eines neuen Arbeitsmittels drängt sich natürlich der Vergleich mit dem seit Mitte des 19. Jahrhunderts verfügbaren »Ölpapiers« auf. Mit gewissem Amüsement liest man heute, dass damals auch namhafte Architekten, wie zum Beispiel Gottfried Semper (1803 – 79) in seiner Schrift »Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architectur und Plastik bei den Alten«, dem neuen Medium höchst skeptisch gegenüberstanden: »Der Kunstjünger durchläuft die Welt, stopft sein Herbarium voll mit wohlaufgeklebten Durchzeichnungen aller Art und geht getrost nach Hause, in der frohen Erwartung, dass die Bestellung einer Walhalla à la Parthenon … nicht lange ausbleiben können« [1].
Heute, gut anderthalb Jahrhunderte später, ist das Skizzenpapier – zusammen mit dem berühmten »6B« – geradezu eine Ikone des kreativ schaffenden Architekten geworden. Kann man daraus ableiten, dass spätere Generationen ebenso selbstverständlich und sicher mit dem Rechner arbeiten werden?
Aus meiner Sicht wäre es geradezu erstaunlich, wenn dies nicht der Fall sein sollte. Nur darf man im Umkehrschluss keineswegs darauf schließen, dass dies auch jetzt schon der Fall ist. So antiquiert sich der Skeptizismus Gottfried Sempers heute anhören mag, zu seiner Zeit war die Kritik sicher notwendig und vor allem hilfreich. Wahrscheinlich kann auch das neue Medium CAD nur durch eine intensive Auseinandersetzung kultiviert und in unsere Arbeit wirklich sinnvoll integriert werden. Dazu möchte dieser Artikel beitragen.
Programmkonzept Das Zeichnen selber ist inzwischen ein relativ komfortabler Vorgang. Dies liegt nicht zuletzt an der dramatisch gestiegenen Leistungsfähigkeit der verfügbaren Hardware; gemessen an der Taktfrequenz der Prozessoren, sind die Rechner in den letzten fünf Jahren um den Faktor zehn schneller geworden. Außerdem haben fast alle auf dem Markt befindlichen Programme inzwischen ein Niveau erreicht, bei dem es bezüglich eines guten Ergebnisses entscheidend ist, das eigene Programm gut zu kennen. Mit welchem Produkt man arbeitet, ist heutzutage eher zweitrangig.
Dennoch gilt es, Grundsätzliches zu den CAD-Programmen zu bemerken: Nach wie vor sind sie von der Konzeption her viel zu kompliziert. Dies erkennt man schon daran, dass trotz der an allen Stellen angepriesenen »Benutzerfreundlichkeit« erst backsteindicke Handbücher den oft Hunderte von Einzelbefehlen umfassenden Funktionsumfang erschließen.
Wobei es mir keineswegs darum geht, den enormen Aufwand hervorzuheben, mit dem wir uns in die Programme einarbeiten müssen; schließlich konnten wir auch mit Stift und Lineal erst nach jahrelanger Übung sicher umgehen. Vielmehr steht auf einmal eine für die Bearbeitung am CAD notwendige Metasprache zwischen unseren Gedanken und der Zeichnung. Selbst wer das neue Medium perfekt beherrscht, muss sich ständig überlegen, mit welcher Funktion er die nächste Linie am besten zeichnet. Im Vergleich zu der Schlichtheit und Unmittelbarkeit des traditionellen Zeichnens, lenkt dies zu stark von der Bearbeitung des Inhalts ab.
Zeitersparnis Eine zweite grundsätzliche Problematik des Werkzeuges CAD ist die sehr enge Bindung an die Begriffe Effizienz und Zeitersparnis. Dies hängt unter anderem mit den nicht unerheblichen Investitionskosten zusammen. Die Hersteller von CAD-Programmen müssen uns wahre Wunderdinge versprechen, um ihr Produkt verkaufen zu können. Liest man fünf Jahre alte Werbeprospekte und zieht dann die oben erwähnte Leistungssteigerung der Rechner mit in Betracht, sollte man meinen, dass sich unsere Arbeit inzwischen nahezu von selber erledigt und wir jede Menge Zeit für »Kreativität« hätten.
Halten wir doch einmal einen Augenblick inne und vergleichen eine Wettbewerbsabgabe von heute mit einer von vor zehn Jahren. Haben Sie den Eindruck, dass Ihnen dank der modernen Technik mehr Zeit zum Entwerfen bleibt oder gar eine entspanntere Situation entsteht?
In unserem Büro machen wir vielmehr die Erfahrung, dass nun noch der erheblich stresserzeugende Faktor des Bangens um das Funktionieren der Technik zu berücksichtigen ist. Wenn man den Berichten von etlichen Kollegen und Kolleginnen Glauben schenken darf, scheinen beispielsweise nicht nur unsere Plotter ein in keinem Werbeprospekt angekündigtes feines Gespür dafür zu haben, wann sie durch einen Ausfall oder lediglich mangelhaftes Funktionieren die Nerven der Beteiligten aufs Äußerste strapazieren können.
Darüber hinaus werden wir immer häufiger mit Planungszeiten konfrontiert, in denen es kaum noch möglich ist, die gestellten Aufgaben gewissenhaft zu bearbeiten. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, jedoch trägt der sich in allen Köpfen festsetzende Mythos, dass mit der Bearbeitung am Computer alles schneller geht, sicher einen nicht zu unterschätzenden Teil zu dieser Entwicklung bei.
Dabei muss klar gesagt werden: Durch den Einsatz von CAD wird für uns Architekten nicht unmittelbar Zeit eingespart. Ich für meinen Teil konnte jedenfalls nicht feststellen, dass wir in unserem Büro seit der Einführung von CAD, Werkpläne wirklich schneller erstellen können.
Dies hängt wohl insbesondere damit zusammen, dass eben nicht die Darstellung, sondern die Verantwortung für den Inhalt eines Planes unser eigentliches Metier ist. Natürlich ist die Darstellung selber als kommunizierbares Abbild unverzichtbarer Bestandteil unserer Tätigkeit, allerdings schulden wir unserem Bauherren ein realisiertes Gebäude und keinen Stapel Papier inklusive Verteilungslisten.
Dabei spielt das Zeichnen selbst als Mittel zur Lösungsfindung natürlich eine wichtige Rolle bei unserer Arbeit. Jeder von uns kennt die Situation, wie sich zeichnerisch eine Lösung durch mehrere Schichten Transparentpapier aus einer Vielzahl von Möglichkeiten herauszuarbeiten beginnt. Aber dieses suchende und herantastende Zeichnen wird von den klassischen CAD-Programmen kaum abgedeckt. Und selbst wenn dies in Zukunft der Fall sein sollte, gibt es keinen triftigen Grund, weshalb der Prozess der Entscheidungsfindung dann schneller ablaufen sollte.
Hinsichtlich der Ausführungsplanung muss man sich vergegenwärtigen, dass gerade Werkpläne im Wesentlichen lediglich das Ergebnis umfangreicher Koordinationsprozesse darstellen. So müssen Planer zum Beispiel mit Herstellern telefonieren, Lösungen erarbeiten und koordinieren, Alternativen entwickeln und diese mit den anderen Planungsbeteiligten und dem Bauherrn abstimmen. Setzen wir den Zeitaufwand hierfür in Relation zum Zeitanteil der reinen Zeichenarbeit, stellen wir fest, dass eine Verkürzung der Zeichenzeit auf den Gesamtaufwand bezogen wesentlich weniger einspart als es im ersten Moment den Anschein haben mag.
Was im Umkehrschluss natürlich nicht heißt, dass sich der Einsatz von CAD nicht lohnen würde. Die Gesamtlaufzeit eines Projektes und folglich auch der für uns Architekten entstehende Aufwand lässt sich durch dieses elektronische Arbeitsmittel durchaus verringern. Dies liegt meines Erachtens jedoch weniger an der Zeitersparnis beim Zeichnen, als vielmehr in erster Linie am Zeitgewinn durch die beschleunigten Planlaufzeiten mittels des digitalen Datenaustausches zwischen den Projektbeteiligten. Schon aus diesem Grund ließen sich insbesondere Projekte im Ausland ohne das Hilfsmittel CAD kaum in dem vorgegebenen Zeitrahmen umsetzen.
Gerade deshalb lohnt es sich aber, einzelne Programmfunktionen beziehungsweise die daraus resultierende Arbeitsweise genauer zu untersuchen. Hiermit beschäftigt sich der zweite Teil dieses Beitrages, der im nächsten Heft veröffentlicht wird. Klaus Schwägerl
[1] Gottfried Semper, Altona, 1834, Nachdruck in: G. Semper, Wissenschaft, Industrie und Kunst, Mainz und Berlin, 1866, Seite 15, aus: Die Architekturzeichnung, Winfried Nerdinger (Hrsg.), Prestel, München, 1985
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