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Zwei Stadtvillen in Frankfurt am Main von Jo.Franzke Architekten

Zwei Stadtvillen in Frankfurt am Main
Zurück in die Gediegenheit

Auch wenn die einzelnen Formelemente – Bossen, Lisenen, Faschen – keine direkten Vorbilder zitieren, lassen die beiden vier- bzw. fünfgeschossigen Wohnhäuser auf einem ehedem als Parkplatz genutzten Grundstück im Westend doch den Typus des klassizistischen Wohnhauses anklingen, wie er heute stellenweise noch am Mainufer anzutreffen ist. Mit flexibel gehaltenen Grundrissen geben sich die Bauten moderner als die äußere, auffallend gediegen wirkende und mit edlen Materialien gestaltete Erscheinung vermuten lässt.

    • Architekten: Jo. Franzke Architekten
      Tragwerksplanung: Kannemacher und Dr. Sturm

  • Kritik: Enrico Santifaller Fotos: Jean-Luc Valentin
Auch wenn man das ihrer Physiognomie nicht ansieht, im gegenwärtigen Zustand wahrscheinlich für komplett unmöglich hält, ist Frankfurt am Main eine Stadt mit reicher klassizistischer Tradition. Verantwortlich dafür war zunächst Johann Georg Christian Hess, der als Absolvent der École des Beaux-Arts in Paris und von 1786 an knapp 20 Jahre lang Stadtbaumeister in Frankfurt nicht nur eine Reihe klassizistischer Villen schuf, sondern auch – unter Überarbeitung der Pläne seines Vorgängers Liebhardt – die Pauls- ›
› kirche erbaute. Hess, der die Erhaltung mittelalterlicher Bauten Frankfurts zutiefst ablehnte, erarbeitete ein »Baustatut«, das Karl von Dalberg, Großherzog von Frankfurt, 1809 in Kraft setzte und den Klassizismus als verbindlichen Stil für alle Neu- und Umbauten festschrieb. Ein Dritter ist noch zu nennen: Nicolas Alexandre Salins de Montfort, ebenfalls in Paris ausgebildet, doch begabter als Hess, kam 1792 an den Main, wo er bald zum Lieblingsbaumeister der wohlhabenden Familien wurde. Das Baustatut, 1817 und 1819 bestätigt und von Hess’ Sohn Johann Friedrich Christian ergänzt, favorisierte den klaren Kubus, setzte auf das Flachdach, schrieb Stein- oder Putzfassaden vor und begrenzte zudem – sehr zum Unwillen vieler Bauherren – die Gebäudehöhen. Von den bescheiden »Landhäuser« genannten Villen sind nur noch sehr wenige erhalten: Was dem Krieg standhielt, wurde Opfer der Immobilienspekulation.
Repräsentation sticht
Spätestens mit dem Wiederaufbau der von Johann Friedrich Christian Hess entworfenen Alten Stadtbibliothek und deren Neunutzung als Literaturhaus seit 2005 wurde der Klassizismus vom Frankfurter Bildungsbürgertum neu entdeckt. Von Mäzenen finanziert, von Christoph Mäckler, weil die Pläne verloren waren, mittels bauhistorischer Analogieschlüsse reimaginiert, ist die Stadtbibliothek zum Symbol einer wertkonservativen »Bürgergesellschaft« geworden, die Oberbürgermeisterin Petra Roth stets im Munde führt, wenn sie von der Zukunft der Bankenmetropole spricht. Selbst auf den Wohnungsbau – vor allem im Premiumsegment – hat diese Neuentdeckung als repräsentativer Baustil Einfluss. Jo. Franzke, dessen Bürophilosophie unter den beiden Leitbegriffen »Wertigkeit« und »Kontinuität« steht, tummelt sich mit einer Reihe von Projekten in diesem Bereich. Die Entscheidung des Generalübernehmers Groß & Partner, Jo. Franzke mit dem Entwurf der beiden Stadtvillen in der Siesmayerstraße im Frankfurter Westend zu betrauen, war deshalb eine sehr bewusste, sehr kalkulierte Entscheidung. Franzke respektiert zwar, so lange sie Qualität hervorbringen, andere Architektursprachen, begreift selbst aber Architektur »als ein über die Jahrhunderte zusammengetragenes grundlegendes Regelwerk, mittels dessen die Stadt fortgeschrieben wird«. Und er sagt: »90 % des vom gehobenen Wohnungsbau angesprochenen Klientels sind konservativ«. Freilich, Franzkes stets elegante Erscheinung mit ausgesuchtem Tuch und Schuhwerk kommt diesem Klientel sehr nahe. ›
Edel-Tapete
Auch das unmittelbar an den Palmengarten angrenzende Parkgrundstück an der Siesmayerstraße hat Frankfurter Geschichte geschrieben. Dort hatten Skidmore Owings Merril – Bauleitung: Otto Apel – das amerikanische Generalkonsulat gebaut, das seit dem Vietnam-Krieg und den Studentenunruhen über Jahrzehnte das bestbewachte Gebäude der Stadt war. Auch die Architektur des 1955 eröffneten Baus, die schlanke Gebäudescheibe über einem breit gelagerten, mit einem schönen Patio aufgelockerten Erdgeschoss und einem zurückgesetzten gläsernen Mezzaningeschoss, hat mit ihrer Klarheit, Leichtigkeit und fein profilierten Vorhangfassade aus abwechselnd transparentem und blauem Glas die Frankfurter Nachkriegsarchitektur stark beeinflusst. Weil das 1986 unter Denkmalschutz gestellte Ensemble zu klein wurde, zog das Generalkonsulat 2005 in den Frankfurter Norden. Das Grundstück wurde verkauft, das Gebäude vom Büro Schneider+Schumacher ausgezeichnet saniert und eine neue Tiefgarage gebaut. Auf dem ehemaligen Parkplatz entstanden besagte, leicht versetzt angeordnete Stadtvillen – die südliche, Villa 1 genannt, mit vier Geschossen sowie zurückgesetztem Staffelgeschoss, die nördliche, Villa 2, mit fünf Geschossen sowie einem bündig zur Fassade ausgeführten Staffelgeschoss. Die Bauaufsicht wünschte eine unterschiedliche Anmutung beider Baukörper, sie differieren auch in den Details – etwa den Fensterbrüstungen –, dennoch schafft vor allem das gemeinsame Fassadenmaterial Einheitlichkeit.
Die Steinfassaden seiner Gebäude, so Franzke, konzipierte er im Kontrast zur Glasfassade des ehemaligen Konsulates. Der helle, zwischen weiß und graubeige changierende portugiesische Kalkstein namens Mocca Creme ist gegen das Lager gesägt, weist daher eine leichte Struktur auf. Die Fugen zwischen den horizontalen, 4 bis 5 cm dicken Plattenformaten aber ließ Franzke mit Marmorsilikon schließen und anschließend besanden. Während der helle Mörtel im klassizistischen Vorbild durch eine dem Fugenschnitt ähnliche eingezogene waagrechte Lineatur belebt wurde, die über den Fenstern von einer strahlenförmigen abgelöst war, verwendete der Architekt der Stadtvillen den mit einem mittelfeinen Schliff versehenen Naturstein ganz modern als glatte Haut. Franzke scheut sich nicht, von einer Tapete zu sprechen, freilich einer »Edel-Tapete«. Elemente von Franzkes früheren Bauten ganz in der Nähe – Rahmungen mit bossiertem Naturstein, Gliederung durch horizontale Kanneluren und Lisenen – tauchen in der Hülle der Stadtvillen wieder auf. Fensterfelder mit vertikalen Kanneluren und leicht vorspringende Sohlbänke verleihen der Haut der Villa 1 eine leichte Plastizität, wobei das viergeschossig wirkende Volumen optisch gestreckt wird. Bei der Villa 2, die den Eindruck eines sechsgeschossigen Baukörpers hervorruft, wird hingegen mit in Höhe der Geschossdecken umlaufenden bossierten Steinbändern die horizontale Linie betont. Die bossierten, allerdings nicht zu weit hervorstehenden Steine wurden bei der Villa 2 auch für den hüfthohen Sockel sowie zur Umrahmung der Eingangstür verwendet.
Auch das auskragende Vordach mit seinen 15 Glasquadraten, das allerdings an den Art Déco erinnert, hat Franzke schon einmal – bei einer Villa im Frankfurter Nordend – in ähnlicher Form verwendet. Zusammen mit der Tür aus gebeizter Eiche, den großformatigen Glasflächen, einem Granitpodest, das die Größe des Vordaches aufnimmt, sowie der bronzenen Klingel- und Briefkastenanlage verleiht es dem gesamten Eingangsbereich einen äußerst repräsentativen Eindruck. Waren die Treppenhäuser im Frankfurter Klassizismus stets an der Seite oder an der Hoffassade platziert, so legte Franzke sie an die Eingangsfassade – mit dem Effekt, dass die großzügigen Glasflächen dem Raum mit der natürlichen Belichtung eine enorme Qualität verleihen. Ebenfalls einen Bruch bedeuten die Balkone mit ihrer thermisch abgesetzten Konstruktion in allen Vollgeschossen – dies ist der Einsicht in die Notwendigkeiten des Wohnungsmarkts geschuldet. Die Brüstungen aus Glas bzw. bronzefarbenen ›
› Metallstäben sind problematisch: Sie genügen, gerade bei den beengten Grundstücksverhältnissen, nicht als Sichtschutz und bieten wenig Intimität. Franzke dazu: »Ich wollte keine Schuhkartons für die Balkone nehmen«. Einen gewissen Ersatz offerieren die breiten, mit Schiebetüren versehenen Wintergärten, die reichlich Sonnenlicht in jede der Wohnungen hineinholen. Die Wohnungen sind dem angesprochenen Kundenkreis gemäß aufwendig ausgestattet: Holz-Alu-Fenster, Naturstein in Bad und Küchen, Sanitärkeramik gehobener Preisklasse, geräuchertes Eichenparkett. Auf Flexibilität hat Franzke besonderen Wert gelegt. Das Treppenhaus sowie zwei Stützen sind die aussteifenden Elemente der Stahlbeton-Massivkonstruktion. Möglich wären 20 als Zweispänner organisierte Wohneinheiten gewesen, durch Zusammenlegungen und Maisonette wurden aber nur zwölf bis zu 450 m² umfassende Wohneinheiten realisiert.

Das Westend war das Wohnviertel für gehobene Ansprüche; in den 60er und 70er Jahren aber wurden viele alteingesessene Bewohner von der dort eindringenden Finanzindustrie verdrängt. Heute ist ein umgekehrter Trend zu beobachten: Wohnungen aller Preisklassen werden händeringend gesucht, und Bürogebäude, vor allem jene älteren Baujahrs mit geringen Raumhöhen und hohen Betriebskosten, zu Wohnhäusern umgebaut. In Niederrad, im Bahnhofsviertel und auch im Westend. Franzkes doch sehr elegante Stadtvillen sind, so würde man in der Finanzindustrie sagen, Trendfolger: Innen mit allem Komfort ausgestattet, den der Stand der Technik zu bieten hat, außen mit Versatzstücken des Klassizismus, die eine wichtige Tradition aufgreifen. Der Klassizismus spiegelt andererseits die Zurückhaltung wieder, die für das einkommensstarke Bürgertum der Mainmetropole im privaten Bereich – im Gegensatz zu anderen Städten – so typisch ist. So gelingt es, den Charakter des Westends zu stärken und mit handwerklicher Perfektion und Gediegenheit den Bedürfnissen dieser Klientel zu entsprechen.


  • Adresse: Siesmayerstraße 21, 60323 Frankfurt am Main

    Bauherr: Swan’s Westend GmbH, Frankfurt/M.
    Generalübernehmer: Groß & Partner Grundstücksentwicklungsgesellschaft, Frankfurt/M.
    Architekten: Jo. Franzke Architekten, Frankfurt am Main, Jo. Franzke, Magnus Kaminiarz
    Mitarbeiter: Kerstin Bräuer, Karin Geißler, Alexander Riechert, Joachim Keilbach-Kiwak
    Tragwerksplanung: Kannemacher und Dr. Sturm, Frankfurt/M.
    Haustechnik/Elektrotechnik: IBK Ingenieurbüro Klöffel, Bruchköbel
    Landschaftsplanung: BWP Endreß Landschaftsarchitekten, Frankfurt/M.
    BGF: Villa 1: 1720 m², Villa 2: 2 330 m² BRI: Villa 1: ca. 6 500 m², Villa 2: 8 600 m²
    Baukosten: keine Angabe Fertigstellung: Mai 2009
  • Beteiligte Firmen Naturstein: Zeidler&Wimmel, Kirchheim, www.zeidler-wimmel.de;
    Lulay Natursteinobjekte, Heppenheim, www.zeidler-wimmel.de
    Metallbau: Uhl Stahl- und Metallbau, Würzburg, www.zeidler-wimmel.de
    Rollladenpanzer: ROMA Rollladensysteme, Burgau, www.zeidler-wimmel.de
    Aluminium-Raffstore: WAREMA, Marktheidenfeld, www.zeidler-wimmel.de
    Klingelanlage: Siedle, Furtwangen, www.zeidler-wimmel.de
    Leuchten. BEGA; tz Schmitz Beschläge: FSB, Brakel, www.zeidler-wimmel.de
    Schalter: Jung, Schalksmühle, www.zeidler-wimmel.de
    Sanitärausstattung: Alape; Dornbracht; Duravit; Kaldewei Aufzüge: TAD-Aufzüge, Kronberg im Taunus, ta.haushahn-aufzuege.de

 

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