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Die Magie der Technik

Wohnungsbau
Die Magie der Technik

Vor sieben Jahren sorgte Werner Sobek mit seinem eigenen Wohnhaus »R 128« für Furore: ein völlig transparentes, energieautarkes, emissionsfreies und recyclingfähiges Gebäude, das nicht zuletzt durch High-Tech-Gebäudeautomation die Assoziation zu technischen Geräten hervorruft. Drei Jahre darauf präsentierte er seine Vision eines »R 129«, eine im Gegensatz zu dem Vorgänger ephemere Struktur aus einer doppelt gekrümmten, elektrochromen Glasschale in Kombination mit Kunststoff und Solarzellen sowie faltbaren Möbeln. Während dieser Prototyp aber noch ein paar Jahre Entwicklungsarbeit vor sich hat, entstand auf der Schwäbischen Alb unlängst ein weiteres Einfamilienhaus des Stuttgarter Planers, das »H 16«. Als »Nullbilanzhaus« soll es ebenso energieautark wie sein Vorgänger sein.

    • Architekt und Tragwerksplaner: Werner Sobek

  • Text: Christine Fritzenwallner Fotos: Zooey Braun, Roland Halbe
Größer hätte der Kontrast nicht sein können. Bevor sie sich ein neues Wohnhaus planen ließen, überlegte das Bauherrenpaar noch, im gleichen Ort einen Gutshof aus dem 15. Jahrhundert, eine alte Ritteranlage, zu kaufen und umzubauen. Doch ein Besuch im Wohnhaus der Familie Sobek, dem sogenannten R 128 [1], überzeugte die Bauherren so sehr, dass sie sich einen Entwurf für einen ähnlichen Neubau erstellen ließen. Nicht ganz so transparent sollte er sein, daher ist nur die Wohnebene komplett verglast, ein offener Raum mit Küche, Essplatz und Sofa. Das versetzte Sockelge-schoss darunter ist hingegen weitestgehend geschlossen, ein Kubus mit dunkler Sichtbetonhülle, der als privater Rückzugsbereich dient. Auf dieser »Gartenebene« befinden sich Elternschlafzimmer, zwei Kinder- und ein Gästezimmer, Bäder und Gäste-WC. Eine gefaltete Edelstahltreppe entlang einer roten Schrankwand verbindet beide Bereiche. Garage und Haustechnik wiederum sind in einem dritten Baukörper untergebracht, einem kleineren Kubus aus hellem Sichtbeton.
Die gesamte Anlage liegt an einem Nordhang des Dörfchens Tieringen auf der Schwäbischen Alb, mit prächtigem Blick über den Ort hinweg in ›
› die umliegende, leicht bewaldete Hügellandschaft. Obwohl in dem Neubaugebiet eigentlich nur Satteldächer mit einer Neigung von 38 Grad hätten gebaut werden dürfen, gelang es Planer und Bauherren, ein Flachdach durchzusetzen – eine Lockerung, von der schließlich auch die Nachbarn profitieren.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Das H 16, wie es nach R 128 (dem Kürzel aus Anfangsbuchstaben der Straße und Hausnummer) und R 129 heißt, verstärkt die Assoziation der Sobek-Häuser mit industriellen Produkten. R 128 sorgte bei seiner Entstehung bereits für Aufmerksamkeit: Zum einen wegen seiner radikal nüchternen Gestaltung, der vollkommen verglasten Hülle ohne einen geschlossenen Kern im Inneren oder feste Wände (vgl. Bild 9), zum anderen weil sich dank Sensortechnik Wasserhähne, Türen und Fenster wie von Geisterhand öffnen.
Weniger radikal erscheint nun sein Nachfolger, was zunächst erstaunt. Man könnte es dem Planer als Eingeständnis an traditionelle Wohnvorstellungen und das menschliche Bedürfnis nach Rückzug und Privatheit auslegen oder es auf Erfahrungen in seinem eigenen Wohnhaus zurückführen. Tatsächlich hat sich Sobek hier aber lediglich nach den Bedürfnissen seiner Auftraggeber gerichtet. Auch dass das Gebäude nicht so durchgängig automatisiert ist wie sein Vorgänger, hat mit den Vorstellungen der Bauherren zu tun. Dennoch finden sich hier viele Ähnlichkeiten zum R 128. Das Einfamilienhaus entpuppt sich nämlich als ein bis ins Detail durchdachtes Nullbilanzgebäude, dem auch zukünftige Energieeinsparverordnungen so schnell nichts anhaben dürften. Von der Technik ist allerdings bewusst nicht viel zu sehen. Die Photovoltaikanlage wurde auch hier flach auf dem Dach installiert, die gläsernen Außenwände sind hochwärmegedämmt (Dreifachverglasung mit Argonfüllung), und unter der Garage graben sich drei Sonden 130 m tief ins Erdreich, die im Winter für Wärme und im Sommer für Kühlung sorgen.
im Zauberhaus
Kein Wunder, dass die Kinder nur allzu gerne Besucher mitbringen. Die Magie der Technik zeigt sich bereits an der Türstation vor dem Haus am Eingangssteg: Mittels Fingerabdruck der Bewohner öffnet sich die Eingangstür, langsam schiebt sie sich beiseite. Unmittelbar darauf steht man in der Küche beziehungsweise in dem als Küche ausgewiesenen Bereich. Dessen typische »Utensilien« sind gut versteckt, teils im eingestellten Technikblock links des Eingangs, teils zur Rechten unter einer langen thekenartigen Arbeitsplatte. Auch eine herkömmliche Dunstabzugshaube sucht man vergeblich. Stattdessen öffnen sich Klappen neben der Herdplatte, über deren Schlitze Dampf und Gerüche eingesogen und über den Fußboden direkt nach außen abgeführt werden.
Der Bildschirm, ein Touchpanel zur Steuerung sämtlicher Haustechnik, ist ebenfalls in dem Technikblock nahe des Eingangs untergebracht. Zwar gibt es auch eine Fernsteuerung, mit der sich alles regulieren lässt, doch die Benutzung dieses Bedientableaus ist wesentlich einfacher. Auf ihm ist der Grundriss abgebildet mit den jeweiligen, vielfältigen Steuerungsmöglichkeiten, Lichtbereichen oder dem schematischen Energiekonzept (Bildfolge 4). So lässt sich unmittelbar ablesen, welcher Raum gerade beheizt wird oder ob die Wärmepumpe oder die Erdsonden im Einsatz sind. Die Familie hat so jederzeit Einfluss auf das Raumklima und kann alles individuell steuern; etwa die Textilrollos schließen, wenn die Sonne scheint oder man sich doch einmal von neugierigen Blicken abschotten mag … Auch der für die Gebäudetechnik und PV-Anlage zuständige Planer kann die Haustechnik jederzeit von seinem eigenen Büro aus einsehen und gegebenenfalls regulieren.
Sympathischerweise sieht man dem Haus an, dass es bewohnt wird: Im Inneren geht es längst nicht so starr zu wie die eher nüchternen Architekturfotografien möglicherweise auf den Betrachter wirken. Sind die Eltern mal nicht zu Hause, funktionieren die Kinder auch schon mal die gläserne Wohnebene kurzzeitig zum Tennisplatz um. ›
Klimakonzept
Besonders schwierig zu lösen war die Einhaltung des sommerlichen Wärmeschutzes nach DIN 4108–2:2003–04 für den Wohnbereich mit seinem hundertprozentigen Fensterflächenanteil. Hier besteht die Verglasung aus einer Dreifachwärmeschutzverglasung mit Argonfüllung und einem Wärmedurchgangswiderstand Ug = 0,7 W/m²K bei einem Gesamtenergiedurchlassgrad g von 44 %. Im Obergeschoss sind die Glasflächen zusätzlich mit einer Low-e-Beschichtung auf der Innenseite versehen, wodurch der Reflexionsgrad nach außen relativ hoch ist. Einen zusätzlichen Sonnen- und Blendschutz bilden die Textilrollos an der Innenseite der Verglasung, die über Ventilatoren hinterlüftet werden.
Der Wohnraum wird kontrolliert mechanisch belüftet (Frischluft Wohnebene: 270 m³/h, Gartenebene 180 m³/h). Die Luftwechselrate beträgt 0,7/h. Die Zuluftkonditionierung erfolgt über einen Erdkanal und über Wärmerückgewinnung: Im Winter wird die kalte Außenluft über den Erdkanal geführt, dadurch bereits erwärmt und mittels Wärmerückgewinnung aus der Abluft (Luft-Luft-Wärmetauscher) auf rund 18 Grad temperiert. Im Sommer hingegen wird die warme Außenluft über den Erdkanal im kühlen Erdreich geführt und kühlt dabei auf etwa 20 Grad ab.
Zum Heizen des Gebäudes und zur Trinkwasserbereitung dient eine Wärmepumpe. Sämtliche Heizkreise werden einzeln über Raumtemperaturfühler und Stellventile unabhängig geregelt. Im Winter erfolgt die Beheizung des Gebäudes über die Fußbodenheizung im Untergeschoss und im oberen Kubus über die rund 100 m2 große Heiz-/Kühldecke aus Gipskarton mit dahinterliegenden Kupferrohrschlangen, durch die Wasser zirkuliert. In den Übergangszeiten wird nur die Fußbodenheizung (Einzelraumregelung) eingeschaltet, während sich durch die Verglasung im Wohnraum solare Erträge erzielen lassen. Im Sommer wiederum kühlt die Heiz-/Kühldecke den Wohnbereich, während es im unteren, geschlossenen Kubus ohnehin kühler ist. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach (Leistung 9 kWp) – bestehend aus 41 Solarmodulen monokristalliner Siliziumzellen – soll zukünftig so viel Strom erzielen, dass sich damit der eigene Verbrauch decken lässt. Zwar würden die Module durch eine leichte Neigung auf der Dachfläche sicher mehr Leistung erzielen, wichtiger war in diesem Fall aber die architektonische Wirkung.
Die Familie rechnet damit, dass sich die höheren Investitionskosten für die Haustechnik nach zehn bis elf Jahren amortisiert haben. Derzeit plant Sobek ein weiteres Gebäude für den Bauherrn auf dessen Firmengelände im selben Ort – einen besseren Beweis für die Zufriedenheit mit Planung und Bauausführung kann es wohl nicht geben. •
[1] siehe db 7/01 Experiment Wohnen
  • Bauherr: G. und H. Link, Meßstetten-Tieringen Architekten (inkl. Tragwerks- und Fassadenplanung): 3e, Werner Sobek exhibtion & entertainment engineering GmbH & Co. KG, Stuttgart Mitarbeiter: Werner Sobek, Sven von Boetticher, Alexandra Sixt, Edelgard Willburger, Markus Buschmann, Hormoz Houshmand, Rüdiger Engelhardt, Oliver Reymann, Klaus Straub HLS, Klima: Transplan Technik-Bauplanung GmbH, Stuttgart / Transsolar Mitarbeiter: Eckehart Ullmer, Björn Röhle, Olaf Casper, Markus Knelles (knp. bauphysik, Köln) Elektrotechnik/Gebäudeautomation/PV-Anlage: Baumgartner GmbH, Kippenheim Nutzfläche: 454 m² Bruttorauminhalt: 1580 m² Bruttogeschlossfläche gesamt: 624 m² Bauzeit: Juni 2005 bis August 2006
  • Beteiligte Firmen: Verglasung Glaskubus (Format 2,36 x 3,63 m): Glas Trösch, Ulm-Donautal »Sunscreens« (aluminiumbedampft): Clauss Markisen, Biss-Ochsenwang Kühl-/Heizdecke: Lindner, Arnstorf Dach: Sika, Stuttgart (Dachfolie); Solarwatt, Dresden (Solaranlage) Tür- und Fenstergriffe: FSB, Brakel Küche: Bulthaup, Bodenkirchen PV-Anlage: Solarwatt, Dresden Wechselrichter: Fronius, Fulda Wärmepumpe: Stiebel Eltron, Holzminden
Herr Sobek, Ihr eigenes Wohnhaus, das 2000 entstand, gilt bereits jetzt unter einigen Architekturkritikern als Ikone des 20. Jahrhunderts und wird gern verglichen mit Mies van der Rohes Farnsworth-Haus oder dem Wohnhaus von Philip Johnson. Die db hatte dem R 128 damals ein ganzes Heft gewidmet, in dem Ihre Frau schrieb, man fühle sich darin »auf Dauer im Urlaub«. Sie erklärten neulich in einem Vortrag sogar, es habe eine antidepressive Wirkung.
Das sagte mal ein Ordinarius für Psychotherapie, der in einem meiner Vorträge war. Er meinte, das, was ich in netten Worten sehr umfänglich erklärt habe, würden die Psychotherapeuten als Antidepressivum verstehen. Das ist koinzident mit unseren Erfahrungen, dass man durch das permanente In-die-Natur-Eingebettetsein mit all ihren unterschiedlichen Witterungen einen anderen Seelenzustand erreicht.
Das heißt, Sie fühlen sich noch genauso wohl wie vor sieben Jahren und würden auch heute nichts ändern?
Extrem wohl! Ich könnte nie mehr anders wohnen.
Was passierte in der Zwischenzeit, gibt es neben dem jetzigen »H 16« noch weitere Nachfolger?
Es gibt ähnliche Einfamilienhäuser, die aber noch nicht fertig sind. Eines ist gerade noch im Bau; wir hoffen, es demnächst publik machen zu können.
Bleibt R 129 nun doch nur eine Studie? Vor einigen Jahren hieß es, dass R 129 zum jetzigen Zeitpunkt gebaut werden soll.
R 129 wird mit Sicherheit gebaut. Ich weiß aber nicht wann.
Das heißt, Sie warten, bis die Industrie und die technischen Möglichkeiten so weit sind?
Bis ich selbst so weit bin. Wir haben mehrere, sogenannte Entwicklungsträger. Das sind Projekte, die zunächst keinen konkreten Bauherrn beziehungsweise Auftraggeber haben, in die wir aber zu Forschungszwecken investieren. Hierzu bekommen einige Mitarbeiter im Büro ein gewisses Zeitkontingent. Dann können sie immer, wenn sie nicht an Projektarbeit gebunden sind, an solchen Entwicklungsträgern arbeiten. Das sind manchmal Projekte, die man in 200 oder 300 Stunden erledigen kann, manche brauchen Jahre. R 129 ist einer der weitreichenden Entwicklungsträger, der mit Sicherheit noch ein paar Jahre benötigt. Ich hatte ursprünglich gedacht, dass wir das in vier, fünf oder sechs Jahren stemmen, habe aber derzeit nicht die Zeit zur Weiterentwicklung. Gleichzeitig haben wir uns allerdings auch einzugestehen, dass gewisse Dinge, die wir dort anvisieren, in ihrer technischen Umsetzbarkeit zu schwierig sind und wir sie heute noch nicht wirklich beherrschen. Das Brett ist dicker als erwartet, aber wir bohren weiter. Ich bin sicher, dass ich das irgendwann realisiere, in der einen oder anderen Form.
Inwiefern war R 128 für H 16 eine Grundlage?
R 128 ist wahrscheinlich das erste nahezu vollkommen rezyklierbare Haus der Welt, das ganz klar unter diesem Gesichtspunkt gebaut wurde – obwohl ich diese technischen Gesichtspunkte nie nach vorne gestellt habe. Ich denke, es ist einfach eine Selbstverständlichkeit, dass Gebäude rezyklierbar und »low-energy« oder »zero-energy« sind. Bedauerlicherweise hat sich die Architekturkritik oder das Echo von außen sehr viel mehr mit den technischen Dingen beschäftigt und nicht so sehr mit der Wohnqualität und der Wohnphilosophie als solcher, die mir persönlich immer wichtiger war.
Was wir bei R 128 zum ersten Mal umgesetzt haben – ein Haus ohne Schornstein, Rezyklierbarkeit bei gleichzeitig höchstem ästhetischen Wert, ökologisches Bauen ohne Entsagungsästhetik, das lustvoll ist, kühn, avantgardistisch, zukunftsorientiert –, das ist mein persönliches Manifestum. Und das ist auch überzeugend für viele Bauherren. Was wir dort erarbeitet haben, diese Haltung transportieren wir in die anderen Gebäude hinein und entwickeln sie, was das Technische betrifft, weiter. Was die Gestaltung der Gebäude angeht, variieren sie natürlich hinsichtlich der Nutzerbedürfnisse.
Das heißt, nach R 128 und R 129 wirkt H 16 zwar eher konventionell und wie ein Rückschritt, ist aber in Wirklichkeit nur ein Zugeständnis an die Bedürfnisse der Bauherren?
H 16 ist ein Gebäude, bei dem die Nutzer auf der einen Seite dieses atemberaubende, schöne, transparente Wohnen haben wollten, auf der anderen Seite aber einen Bereich benötigten, der nicht transparent, sondern opak ist, mit geschlossenen Räumen. Wo der Familienvater, wenn er als international tätiger Geschäftsmann frühmorgens zum Flieger muss, seine Kinder nicht weckt. Daher war ein zweiter Baukörper notwendig, der eine eher konventionelle Innenraumaufteilung hat – aber das ist nicht schlimm.
Wo liegen neben der anderen Grundrissgestaltung und der Baukörperform die wesentlichen Unterschiede zwischen R 128 und H 16, was hat sich hinsichtlich der Gebäudetechnik oder der Konstruktion weiterentwickelt, verbessert?
Die Elektronik und die Computersteuerung sind besser. Das, was speziell für mein Haus entwickelt und dort zum ersten Mal eingesetzt wurde, ist jetzt weiterentwickelt, stabiler, komfortabler, einfach perfekter. Die Verglasung hat größere Formate, wie ich sie bei meinem Haus auch immer gern gehabt hätte, die aber damals noch nicht herstellbar waren. Mit dem Bodenwärmetauscher haben wir etwas eingesetzt, was wir in R 128 nicht realisierten, dort haben wir eine rein solarenergetisch betriebene Heizung und Kühlung mit einem großen Wassertank. Der schluckt natürlich Volumen – bei R 128 konnten wir das akzeptieren, bei H 16 wollten wir das aber nicht.
Hätten Sie gern weitere Materialien verwendet, wenn es möglich gewesen wäre? Ich denke jetzt beispielsweise an Vakuumverglasung oder Phase Change Materials …
Wir haben nichts zurückhalten müssen, was wir gerne eingebaut hätten. Das Haus ist, was die Technizität und die Robustheit des Betriebes, die elektronische Steuerung oder das energetische Konzept betrifft, extrem avanciert. Die nächste »Stufe«, die man dort einbringen könnte, wie etwa schaltbare Verglasungen, ist technisch noch nicht ausreichend entwickelt. So etwas kann man einem Bauherrn heute noch nicht zumuten, weil das finanzielle Risiko im Fall des Nicht-Funktionierens noch zu groß ist. Das probiere ich lieber erst einmal selber aus.
Sie sprachen neulich bei einem Vortrag zum Thema Nachhaltigkeit von aktiven und passiven Häusern. Das Nullbilanzhaus H 16 zählten Sie als »High-Tech-Haus« zu aktiven Häusern. Das hieße im Umkehrschluss, dass ein Passivhaus kein High-Tech-Haus ist?
Das ist kein Widerspruch. Das Passivhaus agiert einfach so, dass man mit einer entsprechend hochwertigen Wärmedämmung den Energiebedarf für Heizen und Kühlen insgesamt drastisch reduziert, wenn möglich sogar auf Null. Wo das nicht gelingt, muss man mit Zusatzheizung und Kühlung arbeiten, zum Beispiel solarenergetisch oder durch Bodenwärme. Dazu braucht man auch eine gewisse Technologie, die man auch als High-Tech bezeichnen könnte. Das Aktivhaus, was ich anspreche, kann zumindest in Teilen auf Dinge verzichten, die ich am Passivhaus nicht mag.
Welche sind das?
Das sind kleine Fensterflächen und die relativ stringent zu fahrende Belüftung, was – das war zumindest meine subjektive Wahrnehmung bei den Passivhäusern, die ich mir bislang angeschaut habe – dazu führt, dass man ein Raumempfinden hat, dass mir persönlich zu introvertiert ist, zu wenig Ausblick nach außen ermöglicht, zu wenig Offenheit besitzt, und dadurch zu wenig Blick in die Ferne erlaubt. In einem Passivhaus brauchen Sie durch diese absolute Dichtigkeit eine Zwangsbelüftung, die die Abluftmenge garantiert – und eine Zwangsbelüftung ist etwas, was ich persönlich ›
› nicht mag. Ich lebe viel lieber in einem Haus, das energetisch auch autark ist, das es aber durch seine große Transparenz und den Blick nach außen einfach erlaubt, Frischluft reinzulassen, kräftig durchzuatmen, durchzulüften. Damit benötigen Sie natürlich Energie, viel mehr als in einem Passivhaus. Aber das muss ja keine fossile Energie sein, die CO2 oder ähnliche Substanzen freisetzt – das kann Energie sein, die man mit dem Haushalt gewinnt. Das bezeichne ich als aktiv. Das Haus wird zur Energiegewinnungsmaschine, sei es jetzt mit Wärmetauscher, Photovoltaik oder Photosynthetik, in Kombination mit Bodenwärme oder nicht. Das Haus gewinnt so viel Energie, dass Sie es sich leisten können, nachts auch einfach mal die Tür aufzulassen.
Sie sind Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für nachhalti-ges Bauen. Was ist Nachhaltigkeit für Sie, speziell auf das Bauwesen bezogen?
Natürlich mehr als Energieeinsparen. Das ist zum einen die Energieeinsparung bis hin auf Null und zum anderen der Aspekt, möglichst viel Energie zu gewinnen. Warum sollen Häuser keine Kraftwerke werden? Und dann der Aspekt des »No waste«, also weder übermäßiger Landverbrauch noch übermäßiger Materialverbrauch. Das hat auch etwas zu tun mit Treibhauswirtschaft, Rezyklierbarkeit, im positiven Sinne. Zusätzlich haben wir diese Nachhaltigkeit natürlich auch zu betrachten in der Wirkung des Hauses auf die Umwelt, das heißt die Implantierung in ein Stück Natur. Und es gibt noch den Begriff der sozialen Nachhaltigkeit zur Stabilisierung von Sozialsystemen, die durch eine nachhaltige Städteplanung und eine nachhaltige Siedlungs- und Gebäudeplanung positiv beeinflusst werden.
Bei Ihren Bauten sieht man vordergründig nie Holz, ein natürlich nachwachsender Rohstoff. Wäre die Verwendung von Holz nicht nachhal- tiger als Stahl, auch wenn dieser filigraner und kühler wirkt?
Wir arbeiten prinzipiell mit allen Werkstoffen. Wir haben im Büro drei große Holzbaupreise bekommen und arbeiten beispielsweise auch zusammen mit Peter Hübner. In den nächsten Jahren werden wir mit Sicherheit auch den Werkstoff Holz mit einbringen – wahrscheinlich anders als er heute verarbeitet wird. Ich bin mit der Verarbeitung von Holz, wie es heute geschieht, nicht einverstanden. Man muss da Erhebliches weiterentwickeln. Aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ist Holz ein idealer Werkstoff. Aber bezüglich seiner Tragfähigkeit kommen Sie mit Holz dann, wenn Sie zu größeren Spannweiten kommen, auch zu großen Querschnitten, was die Sache nicht immer elegant macht. In der Skelettbauweise wird unter dem Stichwort der Transparenz das Ganze schnell absurd. Beim R 128 wurden nur 10 Tonnen Stahl verbraucht, also etwa 1,2 Kubikmeter.
Sie sagen, Holz wird nicht richtig verarbeitet?
Sagen wir so – jetzt ziehe ich mir natürlich sofort wieder Ärger zu –, aber wenn wir uns auf die Ebene des Bauteiles herunterbegeben und in die Faser des Holzes hineinkriechen und schauen, was das für ein Baustoff ist, dann ist dieser im Grunde genommen ähnlich empfindlich wie unsere Hand beziehungsweise unsere Gliedmaßen. Das ist ein hochsensibler feinfasriger Stoff, bei dem die Zellen innen hohl sind und nur diese fragilen Zellwände, bestehend aus Lignin und ein paar anderen Substanzen, die tragende Arbeit übernehmen. Und solche Bauteile verbindet man jetzt, indem man eine Reihe von Nägeln hineinschlägt. Man sieht dem Bauteil an, wie die Fasern auseinandersplittern, wie sie aufreißen durch die Fügetechnik, die zwar einfach und auch für jeden ausführbar ist, aber im Grunde der Seele des Werkstoffes zutieftst zuwiderläuft.
Sie sind Architekt und beratender Ingenieur. Wie sehen Sie Ihre Rolle als Architektingenieur? Was geben Sie an Planungsleistungen ab, was machen Sie selbst? Wie definieren Sie Ihre Arbeitsweise ?
In meiner Rolle als Architekt weiß ich ganz genau, wo meine Kompetenz endet. Die endet beim Bürohausbau, beim Hotelbau oder beim Krankenhausbau. Das heißt, wir arbeiten bei solchen Gebäuden in unserer Rolle als Tragwerksplaner, als Fassadenplaner oder als Berater für ökologische Fragen mit unserer Firma Green Technologies. Die architektonischen Anteile an diesen baulichen Planungen übernehmen andere, Christoph Ingenhoven, Norman Foster, Helmut Jahn, Kengo Kuma … Die Gebäude, bei denen ich als Architekt zeichne, sind im Wesentlichen Eventarchitekturen und Messestände oder Einfamilienhäuser, Straßenlaternen oder Bushaltestellensysteme. Das macht immerhin auch 10 bis 15 Prozent meiner täglichen Arbeit aus.
Die Aufteilung in Architekt und Ingenieur müssen wir ohnehin irgendwann hinter uns bringen. In der Kooperation mit wirklichen Toparchitekten und Topingenieuren ist das Geben und Nehmen ohne jeweiliges Aufstempeln eines Copyrights Tagesgeschäft.
Sie sind in Ihrer Haltung und Bauweise »architektonischer« als jeder Architekt beziehungsweise Ingenieur. Reduzierter, kühler, technischer, weniger gemütlich im herkömmlichen Sinne. Müssen auf Sie zukommende Bauherren überzeugt werden oder haben diese ohnehin bereits ein ähnliches Architekturverständnis?
Sie kommen, weil sie dieses Architekturverständnis haben oder weil sie eine Erfahrung vermuten, die sie bisher noch nicht haben konnten. Die Bauherren des H 16 haben noch nie in solch einem Haus gewohnt und sind nun überglücklich. Sie sagen, sie haben genau das bekommen, was sie sich nie vorstellen konnten, aber eigentlich schon immer haben wollten. Bei anderen stellt sich genau das Gleiche heraus. Ich muss da wenig überzeugen. Die meisten Kämpfe fechte ich aus, wenn es um den offenen Kamin geht.
Das geht dann schon so weit, dass ich darüber nachdenke, einen Auftrag zurückzugeben. Im Grunde genommen wird damit das ganze Emissionskonzept zerstört. Der Wunsch nach einem offenen Feuer ist ein archaisches Bedürfnis, der gemeinsame Feuerort ist ein fundamentaler Ort in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit, aber inzwischen sind doch ein paar Millionen Jahre vergangen! Das brauchen wir jetzt nicht mehr.
Sie nannten neulich beim vorhin angesprochenen Vortrag auf die Frage einer Zuhörerin, mit wieviel Baukosten man für solch ein Gebäude rechnen müsste, eine Gesamtbaukostenhöhe von 1800 Euro/m2.
Das bezog sich nicht auf dieses Haus speziell, aber das ist machbar in dieser Größenordnung. Allerdings haben Sie dann natürlich bei den Baustoffen keine solchen Luxusoberflächen. Die Frage zielte ganz darauf ab, was die Mehrkosten an Technik sind, die helfen, ökologisch zu sein. Die Differenz zu den ansonsten üblichen Baukosten ist nicht so groß.
Sie ist sogar gering, wenn man betrachtet, dass das Gebäude energieautark ist. Aber noch eine letzte Frage: Wenn Sie heute umziehen müssten, würden Sie Ihr Wohnhaus mitnehmen? Aufgrund der Rezyklierbarkeit wäre es immerhin möglich.
Nein, das muss da stehen bleiben. Es gibt bereits Leute, die wollen es unter Denkmalschutz stellen. Ich habe es auch nie als eine Mobilie gesehen, sondern als ein ephemeres Stück Architektur, das dann, wenn es nicht mehr angemessen ist, in Anstand verschwinden kann, ohne dass Müll verbleibt. Im Übrigen glaube ich nicht, dass es energetisch Sinn macht, wenn die Menschen ähnlich wie die Schnecken oder Einsiedlerkrebse ihre Häuser mit sich herumtragen.
Herr Sobek, vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch.
Mit Werner Sobek sprach Christine Fritzenwallner am 24. Oktober
in Stuttgart.
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