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Verbindende Flora

Aussenraum der SEB-Bank in Kopenhagen (DK)
Verbindende Flora

Es ist ein überstrapazierter Begriff, von Oasen in den Städten zu sprechen. Doch hier muss er einfach noch einmal verwendet werden. Was die Landschaftsarchitekten von SLA zwischen zwei kleinen Bürotürmen im neuen Bankenviertel von Kopenhagen errichtet haben, ist wahrhaftig eine Oase mitten im lang- weiligsten Teil der Großstadt.

    • Landschaftsarchitekten: SLA Architekten: Lundgaard & Tranberg

  • Kritik: Clemens Bomsdorf Fotos: Adam Mørk, Jens Lindhe, SLA
Ein paar Bäume und Gräser wie man sie von der Nord- und Ostseeküste kennt. Und Beton, jede Menge Beton. Der neue Park im Kopenhagener Süden ist eine äußerst seltsame Kombination für eine (städtische) Oase und funktioniert dennoch – zumindest ästhetisch, denn die Zahl der Besucher lässt noch zu wünschen übrig. Es ist auch eine Oase des öffentlichen Raums in einem Bereich, der üblicherweise komplett privatisiert ist: dem Vorplatz zweier neu errichteter Nobelbüros. »Als das Bankhaus SEB das Gebiet übernahm, geschah das unter der Bedingung, den Außenraum öffentlich zugänglich zu machen. Man wollte nicht den Fehler wiederholen, der in den 90er Jahren keine 100 m entfernt gemacht worden war und dazu beigetragen hat, dass die Gegend öde und meist menschenleer ist«, sagt Stig Andersson, Partner bei SLA und verantwortlicher Architekt bei diesem Projekt.
Die Gegend Kalvebod, in der diese Oase liegt, gehört gleichermaßen zu den attraktivsten und unattraktivsten der dänischen Hauptstadt. Als Bürostandort ist Kalvebod top. Die unmittelbare Lage am Hafenbecken kombiniert mit ›
› der Nähe zu Autobahn, Hauptbahnhof und Kopenhagener Innenstadt locken Banken, Unternehmensberatungen und Agenturen an. Ein Flop ist aber die Stadtplanung Kalvebods. Es gibt keine Freiräume. Nirgends. Die meisten Bürobauten sind zwischen Wasser und mehrspurige Einfallstraßen gepresst. Der Bereich vor den Gebäuden ist nicht zu gebrauchen, weil es dort zu laut ist, und der Platz nach hinten, zum Hafenbecken hin, wurde bei der Planung nicht angemessen miteinbezogen – unzugänglich und kaum gestaltet bleibt er ebenfalls nahezu ungenutzt. Wenn dort am zumeist sonnigen Ufer Menschen verweilen, sind es Angestellte in ihren kurzen Pausen. Bürohäuser und Straße schirmen den Uferbereich so weit ab, dass ihn ansonsten kaum jemand findet und nutzt.
Andreas Gursky in 3D
Hier kommt nun SLAs im Sommer 2010 eingeweihter Park zwischen den Gebäuden der Bank SEB zum Zuge. Dort ist ein öffentlicher Raum geschaffen worden, der, anders als vor den anderen Bürogebäuden, gut zugänglich ist und einladend wirkt. Erstaunlich, denn genaugenommen handelt es sich um eine Betonwüste. Denn der Großteil der über 7 000 m² Fläche besteht aus Betonelementen. Die einzelnen Elemente sind in solchen Formen gegossen und so angeordnet, dass sich von der Straße ansteigend ein bis zu 7 m hoher Hügel auftut, durchbrochen von schmalen, bepflanzten Streifen. Von der Straße aus gesehen ähnelt die hellgraue Betonfläche mit den bewachsenen Flächen der Draufsicht, die der Fotograf Andreas Gursky von einer Rennstrecke in Bahrain machte. Das passt, verbirgt sich unter der Fläche doch die Tiefgarage für die zwei Bürohäuser und ein Abwassersystem, das das gesamte Regenwasser dem Meer zuführt bzw. für die Bewässerung der Pflanzen nutzt.
In einer absolut flachen Stadt wie Kopenhagen ist diese Erhebung ungewöhnlich. SLA nennt sie Düne. »Die Form entspricht in etwa der, die eine Düne aus Sand oder Schnee durch den Wind erhält«, sagt Andersson. In diese Landschaft passt der Großteil der Pflanzenarten, die zwischen den Elementen oder in runden Aussparungen eingepflanzt wurden. Es sind Kiefern und Gräser, wie sie in Nordeuropa an den Stränden wachsen, dazu Birken und südeuropäische Buchen. Ästhetisch ist es eine angenehm überraschende Art, einen öffentlichen Platz zu gestalten. Der sonst oft abweisend wirkende Beton, wirkt hier fast lieblich. Der Verzicht auf jegliche Art von klassischem Stadtmobiliar – lediglich unscheinbare niedrige (max. 1 m hohe) dunkle Leuchten sind installiert – ist dagegen etwas fragwürdig. Das unterstreicht zwar den Naturcharakter des Platzes, trägt aber auch zu dessen Leere bei. ›
› Denn wo keine Sitzgelegenheit ist, hält sich auch niemand länger auf. »Wir wollen, dass es hier wie in der Natur keine künstlichen Stühle und dergleichen gibt. Wer sich im Wald setzen will, nimmt einen Baumstumpf statt einem gebauten Sitz, also das, was vorzufinden ist. So soll es auch hier sein«, erläutert der Architekt.
Skater durchbrechen Friedhofsruhe
Da es aber hier auch keine Baumstümpfe gibt, bleibt nur der zumindest außerhalb der warmen Monate kalte Beton. Das dürfte einer der Gründe sein, weshalb nie viele Menschen in diesem kleinen Park anzutreffen sind. Selbst von den Angestellten in den zwei Bürotürmen wird die Fläche kaum genutzt. »Nein, da sind nie viele Leute von uns«, bestätigt die Dame an der Rezeption. »In kurzen Raucherpausen stehen die Mitarbeiter direkt vor der Eingangstür, doch wenn sie länger frei haben, bewegen sie sich weiter weg. Was außerdem fehlt, sind ausreichend Türen, die zum Park hin führen. Das aber ist teuer, weil dann auch mehr Wachpersonal benötigt wird«, so Nicolaj Carlberg von der stadtplanerischen Beratungsfirma Hausenberg, die die Nutzung des Platzes für den Eigentümer untersucht hat. Immerhin, ein Café ist in Planung. Die größten Fans des Parks sind Skater. Sie rollen begeistert die Schrägen rauf und runter und machen Sprünge über die unterschiedlich hohen Stufen. »Das war nicht geplant, freut uns aber«, so Andersson. Skater vor der Bank wäre andernorts wohl unmöglich, aber hier klappt die Koexistenz aus zwei Gründen: »Gleich zu Anfang hat der Objektmanager sich mit den Skatern unterhalten und vereinbart, dass sie den Platz nutzen dürfen, wenn sie diesen frei von Abfall und Graffiti halten«, so Carlberg, dessen Mitarbeiter bei Zählungen im Frühjahr 2011 in der Regel zwischen drei und fünf, einmal gar 17 Skater antrafen. Das Sauberhalten hat bisher gut geklappt und weil strenge Energievorgaben dafür gesorgt haben, dass die Bürofenster auch bestens schallisoliert sind, gibt es auch keine zu- sätzlichen akustischen Beeinträchtigungen für die Angestellten. Die Schrägen, die die Skater reizen, haben auch für Rollstuhlfahrer ihr Gutes: Die Düne ist barrierefrei.

Der Park geht in einen anderen wesentlich unspektakulärer gestalteten über, der von älteren Bürohäusern umschlossen wird und wiederum zu weiteren Freiflächen führt. Noch wird am anderen Ende gebaut, bald schon aber sollen alle Gebiete mit dem angrenzenden Stadtteil Vesterbro verbunden sein und als alternative Geh- oder Fahrradrouten von dort in die Innenstadt genutzt werden können. »Spätestens dann wird der Platz erheblich mehr genutzt werden«, so Carlberg. Das ist zu hoffen, denn um seine Wirkung erfüllen zu können, muss eine Oase erst einmal gefunden werden.


    • Standort: Bernstorffsgade 50, DK-1577 Kopenhagen

      Bauherr: SEB Bank & Pension
      Landschaftsarchitekten: SLA, Kopenhagen
      Projektleitung: Stig L. Andersson, Ulla Hornsyld
      Architekten: Lundgaard & Tranberg Arkitekter, Kopenhagen
      Tragwerksplanung: Rambøll A/S, Kopenhagen
      Nutzfläche: 7 300 m² Baukosten: 4,85 Mio. Euro
      Bauzeit: Januar 2007 bis Juni 2010
    • Beteiligte Firmen: Leuchten: GHform; Borup, www.ghform.dk

Kopenhagen (dk) (S. 38)

SLA
Stig L. Andersson
1957 geboren. 1978-82 Bauingenieurstudium an der TU of Denmark, Lyngby. 1985-86 Studium der Japanischen Kunstgeschichte in Kopenhagen. 1986 Architekturabschluss (MA) an der Dänischen Kunstakademie. Seit 1992 diverse Lehraufträge. 1994 Gründung von SLA. Seit 2011 Professur an der Universität Kopenhagen.
Clemens Bomsdorf
1976 in Köln geboren. Studium der Wirtschafts- und Politikwissenschaften in Stockholm und Köln, Journalistenschule. Korrespondent u. a. der Kunst- und Architekturmagazine art (D) und The Art Newspaper (GB) für Skandinavien und das Baltikum.
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