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The Student Hotel in Dresden von Zimmer Architekten

Ganz schön bunt
The Student Hotel in Dresden

The Student Hotel, eine junge Hotelkette mit außergewöhnlichem Geschäftsmodell und auffällig farbenfrohem Corporate Design spricht gezielt eine junge, studentische Klientel an. Die erste Dependance in Deutschland nutzt einen geschichtsträchtigen Standort – das einstige Interhotel Lilienstein an der Prager Straße in Dresden – und punktet mit erschwinglichen Semesterzimmern und Coworking Spaces in familiärer Atmosphäre.

Architekten: Zimmer Architekten, Bannewitz
Innenarchitektur: TSH Brand and Innovation Team

Kritik: Mathias Remmele
Fotos: Sal Marston

Die Prager Straße gehört, auch wenn sie nicht gerade als touristisches Highlight gilt, zu den prominenten Adressen der sächsischen Hauptstadt. Das hat sowohl mit ihrer Lage im Stadtgefüge als Verbindung zwischen historischem Zentrum und Hauptbahnhof zu tun als auch mit ihrer bewegten Geschichte: Mitte des 19. Jahrhunderts angelegt, entwickelte sie sich bald zur wichtigsten Einkaufs- und Vergnügungsstraße Dresdens. Von der gründerzeitlichen Pracht blieb nach dem Bomberangriff vom Februar 1945 kaum mehr als die Erinnerung. Durch die 50er Jahre erstreckten sich beiderseits der Prager Straße riesige Brachflächen.

Städtebauliche Modellanlage

Erst Anfang der 60er Jahre begann die Wiederaufbauplanung. Im Geist der internationalen Nachkriegsmoderne und nach dem Vorbild der »Lijnbaan« in Rotterdam sollte hier die erste Fußgängerzone Ostdeutschlands entstehen, flankiert von Wohnbauten, Geschäften, gastronomischen Einrichtungen und Hotels. Das Herzstück des im Wesentlichen 1965-78 erbauten Ensembles, das als Modell des sozialistischen Städtebaus propagiert wurde, bildete ein zwölfgeschossiges, 250 m langes Wohnhaus, das die Ostseite der Prager Straße einnahm und ein gegenüber platzierter, dreiteiliger Hotelkomplex »in Kammstellung zur Straße«, wie es in einem bauzeitlichen Bericht heißt. Komplementiert wurde das zu DDR-Zeiten unvollendet gebliebene Gebiet durch ein weiteres Hotel, ein Großrestaurant, ein Rundkino sowie ein Zentrum-Warenhaus.

Während sich die Straße in den 70er und 80er Jahren als Flanierboulevard großer Beliebtheit erfreute, wurde das Stadtgebiet nach der Wende aus vielfältigen Gründen sowohl in der Fachwelt als auch in der Öffentlichkeit kritisch bewertet und unter allgemeiner Geringschätzung der Nachkriegsmoderne und der gestalterischen Qualität im Detail v. a. durch die Verengung des Straßenraums nach dem Vorbild der »alten europäischen Stadt« mit austauschbaren Um- und Neubauten stark verändert. Der städtebauliche Kern – die in Plattenbauweise errichteten Hotelbauten und das Wohnhaus »Prager Zeile« – blieb hingegen, wenn auch in veränderter Form, erhalten.

Der 1969 eröffnete Hotel- und Gaststättenkomplex »Interhotel Prager Straße«, der in seinen drei gleichartig gestalteten Bettenhochhäusern (die nach berühmten Felsen im nahegelegenen Elbsandsteingebirge Bastei, Königstein und Lilienstein getauft wurden) insgesamt 918 Zimmer anbot, wird seit 1992 von der Hotelkette Ibis weiter betrieben. Von einer Neumöblierung der Zimmer, einer Modernisierung der Sanitäranlagen und einer 2005 erfolgten Instandsetzung der Fassaden abgesehen, hat sich am Hotelkomplex über die Jahre hin erstaunlich wenig verändert.

Nach mehrfachem Besitzerwechsel aber wurde das Haus Lilienstein 2016 allerdings geschlossen. 2017 ist es von der niederländischen Hotel-Gruppe erworben, dann umgebaut und als »The Student Hotel« neu eröffnet worden – als erstes Haus dieser expandierenden Kette in Deutschland. Die Standortwahl überzeugt durch die Nähe zu Altstadt, Bahnhof und Technischer Universität noch weiter südlich. Von außen betrachtet erscheint das ehemalige Haus Lilienstein – von der auf Betreiben der Denkmalbehörde recht dezenten neuen Beschriftung einmal abgesehen – wenig verändert. Im Innern aber geht es jetzt umso bunter zu.

Neuartiges Geschäftsmodell

»Boutique Hotel trifft Studentenwohnheim« so charakterisiert Charlie MacGregor, Gründer und CEO von The Student Hotel, das grundlegende Konzept der jungen Hotelkette, die 2016 in Amsterdam ihr erstes Haus eröffnete. Was sich als Geschäftsmodell zunächst merkwürdig anhören mag, gewinnt bei näherem Hinsehen an Plausibilität. Die Idee, eine zeitgemäße Unterkunft für Studierende zu schaffen und diese mit einem trendigen Business Hotel zu verbinden, basiert auf der Annahme, dass beide Seiten etwas davon haben.

Das Hotel profitiert vom Flair des studentischen Lebensgefühls, das Studentenwohnheim von den Annehmlichkeiten, die ein Business Hotel heutzutage bieten muss. So lassen sich zentrale Infrastrukturen doppelt nutzen und die höheren Margen des Hotels auf den Gesamtbetrieb umlegen, zumal die Studierenden über Angehörige und Freunde weitere Frequenz bringen.

Als Standorte wählt The Student Hotel, wo immer möglich, gut gelegene Bestandsbauten in angesagten europäischen Großstädten, die mit relativ überschaubarem Aufwand nach Bedürfnissen der Kette umgestaltet werden können. In diesen Städten ist der Immobilienmarkt meist angespannt und hochpreisig – ein denkbar schlechtes Pflaster für Studierende, v. a. für Erstsemester, Austauschstudenten und Ausländer, die die Sprache nicht gut beherrschen, die lokalen Spielregeln nicht kennen und auf kein Netzwerk zurückgreifen können. Für diese seit Jahren wachsende Gruppe hat The Student Hotel ein attraktives Angebot geschnürt: Ein modern und niveauvoll möbliertes Zimmer, gut ausgestattete Gemeinschaftsküche, freien WLAN-Zugang, hauseigenes Fitnessstudio, Waschsalon, ruhige Studierräume, großzügige Loungebereiche, das Versprechen von Community und Sicherheit – ein Faktor, der für die zahlenden, insgeheim besorgten Eltern ins Gewicht fallen dürfte. In Dresden, wo die Wohnungspreise noch recht moderat sind, werden dafür im Monat rund 450 Euro fällig, wobei die Dauer des Aufenthalts, wie in allen Student Hotels, auf zwei Semester begrenzt ist. Die normalen Hotelzimmer sind, je nach Nachfrage, ab 64 Euro zu haben. Um die ökonomische Basis des Hauses zu stärken wurden im 1. OG ein Coworking Space und separat mietbare Seminarräume eingerichtet. Ein Angebot, das in Dresden gut angenommen wird und nebenbei die lokale Verflechtung des Hauses fördern soll.

Bunt und retro

Auf das Branding der Marke und die innenarchitektonische Gestaltung der Häuser hat man bei The Student Hotel von Anfang an größten Wert gelegt. Für beide Aufgaben engagierte man anfangs die Amsterdamer Design-Agentur »…,staat«. Das von ihr erarbeitete Gestaltungskonzept wird mittlerweile von einer hauseigenen Design-Abteilung umgesetzt und weiterentwickelt. Die Marke will jung, frisch und unkonventionell wirken, dabei aber Professionalität und Seriosität ausstrahlen und die Grundpfeiler des Konzepts – »comfort, convenience & community« – auf allen Ebenen transportieren. Angesichts eines begrenzten Budgets setzt man konsequent auf preiswerte, aber effektvolle Gestaltungsmittel. So spielt Farbe sowohl im Erscheinungsbild des Hotels als auch im Interieur, wo sie großflächig und in meist kräftigen Tönen zum Einsatz kommt, eine zentrale Rolle. Die Frische und Lebenslust, die sie transportiert, entspricht dem Selbstverständnis des Hauses und trägt zum informellen Charakter des Ambientes bei. Das vielgestaltige Design des Student Hotels, das deutliche Anleihen bei der Jugendkultur macht, ist als Collage angelegt, als Patchwork aus neu und alt, High und Low, gediegen und improvisiert. Die Möblierung bewegt sich stilistisch, qualitativ und preislich auf gehobenem Ikea-Niveau. Aufgewertet aber wird das Ganze durch die Integration von ausgewähltem Vintage-Design, das einen dezidierten Retro-Charme verbreitet.

Vergebene und genutzte Chancen

Bei der Umgestaltung des Dresdner Hauses ließ man die Zellenstruktur der Zimmergeschosse unangetastet. Eher klein erscheinen daher aus heutiger Perspektive die Zimmer. Aus der Ibis-Ära des Hotels übernahm man die Bäder und die Einbauschränke, wobei letztere durch neue Oberflächen aufgewertet wurden. Das ist, schon aus Gründen der Nachhaltigkeit, verständlich und begrüßenswert. Im EG und im Keller, wo die gemeinschaftlich genutzten Räume liegen, hat man das Haus hingegen bis auf die Tragstruktur entkleidet und grundlegend neu gestaltet. Die größte Herausforderung für die Innenarchitekten bestand darin, das umfangreiche Raumprogramm – Café-Bistro, Rezeption, Lobby-Lounge, Frühstücksraum und Gemeinschaftsküche für die Dauermieter – in den schmalen, langgezogenen Grundriss des Gebäudes einzupassen. Das gelang zwar leidlich, aber da und dort wirken die Räumlichkeiten doch etwas beengt und vollgestopft.

Bei der Gestaltung des Interieurs ließ sich die Design-Abteilung des Hotels nach eigenen Aussagen vom Dresdner Kraftwerk Mitte inspirieren, einem 1994 stillgelegten Kraftwerk, das mittlerweile zum Kulturzentrum umgenutzt wurde. Das kommt recht plakativ in Wandverkleidungen der Lobby zum Ausdruck, die großen Schalttafeln bzw. Kontrollpaneelen nachempfunden wurden. Von einer über ein derartiges Styling hinausgehenden Beschäftigung mit dem Genius loci, der besonderen Geschichte des Standorts oder mit der 60er Jahre-Gestaltung des ehemaligen Interhotels ist nichts zu spüren – vielleicht eine vertane Chance. Erkannt aber haben die Planer von The Student Hotel das Potenzial der Dachterrasse, die anders als bei den baugleichen Nachbarhotels, ab diesem Frühjahr gastronomisch genutzt werden soll. Herrlich und wirklich cool ist der Blick, der sich von dort oben über Dresden und das Umland bietet.

Grundriss EG: TSH Brand and Innovation Team
Grundriss 1. OG: TSH Brand and Innovation Team
Grundriss 6. OG: Modus, Cricket St Thomas
Grundriss UG: TSH Brand and Innovation Team
Längsschnitt: Modus, Cricket St Thomas
 
 

  • Standort: Prager Straße 13, 01069 Dresden

    Bauherr: The Student Hotel group, Amsterdam
    Architekten (u. a. Bauleitung): Zimmer Architekten, Bannewitz
    Innenarchitektur: TSH Brand and Innovation Team / u.a. Barnaby Maclaine (Lead-Designer), Maria Ponz (Projektleitung), Kristian Aipassa (Commercial Development Manager), Miryana Stancheva (Technical Development Manager)
    Nutzfläche: 12 805 m²
    Baukosten: 11 Mio. Euro
    Bauzeit: Januar bis November 2018 (Eröffnung: November 2018)
  • Beteiligte Firmen:
    Generalunternehmer: bk Group, Endsee, www.bk-group.eu
    HLS: MeuroBrion, Bochum, www.meurobrion.de
    Grafik und Tapeten: EIPI, Purmerend, www.eipi.nl
    Teppichböden: Marlin Contract, Duiven, www.marlincontract.com
    Medientechnologie: T.S.R.ACT, Prag, www.tsract.com
    Leuchten: Power light, Netherlands, www.power-light.nl
    Schalter: Focus SB, St. Leonards-on-Sea, www.focus-sb.co.uk
    Möblierung, Matratzen: Modus, Chard, www.modusfurniture.co.uk

 



Unser Kritiker Mathias Remmele hatte beim Knipsen von Gedächtnisstützen für seinen Artikel weniger sich selbst im Sinn als vielmehr die Möglichkeit, das TSH-Design als T-Shirt oder Buch zu erwerben.

Mathias Remmele
Geisteswissenschaftliches Studium in Berlin und Wien. Als freier Autor seit 1995 zahlreiche Veröffentlichungen zu Architektur und Design. 1999-2006 als Gastkurator mehrere Ausstellungsprojekte am Vitra Design Museum. Seit 2000 (Teilzeit-)Dozent an der HGK Basel.


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