1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Architektur » Verwaltung | Büro »

Städtische Skulptur in beton

Neue Mitte ulm – Zwei Büro- und Geschäftsbauten
Städtische Skulptur in beton

Ein Sichtbeton-Ensemble in technischer Perfektion – abgeliefert vom Meister des Sichtbetons – komplettiert die Neue Mitte Ulms. Wie viel Erfahrung und Wissen um betontechnologische Finessen in seine Realisierung eingeflossen ist, sieht man ihm nicht an. Und vieles bleibt Bürogeheimnis. Aber auch unter gestalterisch-städtbaulichen Aspekten begeistert der Entwurf.

    • Architekt: Stephan Braunfels Architekten Tragwerksplanung Sparkasse: Scheer + Klimke Kaufhaus: Sailer Stepan & Partner

  • Text: Falk Jaeger Fotos: Zooey Braun db-Ortstermin
In der Innenstadt von Ulm geht man endlich daran, die städtebaulichen Sünden der Nachkriegszeit zu tilgen. Mit zwei skulpturalen Neubauten wurde die brachiale Verkehrsschneise Neue Straße auf Altstadtproportionen reduziert und die Zäsur zwischen Münsterplatz und Marktplatz überwunden.
»Neue Mitte« ist sicher kein glückliches Label für die Bemühungen in der ehemaligen Reichsstadt Ulm, eine städtebauliche Maladie zu heilen, die ihren Ursprung im Bombenhagel vom 17. Dezember 1944 hat, als siebzig Prozent der Innenstadt in Trümmer sanken. Schließlich besetzt das spätgotische Münster als monumentale Bauskulptur unübersehbar diese Mitte und dominiert sie als städtebauliches Signet.
Neue Mitte: meier, böhm, braunfels – und Wöhr
Eigentlich begann das Projekt »Neue Mitte« schon 1986 mit dem Bau des Stadthauses, dieses strahlendweißen Artefakts, das Richard Meier wie ein Objekt von einem anderen Stern auf den Platz vors Münster setzte. Zuvor hatten sich die Ulmer ein Jahrhundert lang über den zu großen Münsterplatz gezankt, der um 1880 entstanden war, als man das Münster vom »kleinlichen Gewinkel« zu seinen Füßen befreit hatte, um es besser zur Wirkung zu bringen.
Altmeister Gottfried Böhm war der nächste auswärtige Stararchitekt. Er platzierte eine gläserne Pyramide als Stadtbibliothek neben das Alte Rathaus. Hatte sich die Nachkriegsbebauung bis dato ›
› um eine harmonieorientierte Ergänzung der Häuserfamilie bemüht, was zur heute schon wieder belächelten vielgiebligen Lego-Moderne rings um den Münsterplatz führte, wählte Böhm einen radikal neuen Weg. Seine gläserne Bauskulptur ist in keiner Weise bereit, den nachbarlichen Altstadthäusern Avancen zu machen, weder durch das ringsum übliche Baumaterial, noch durch Reflexion des Bautypus´.
Böhm ging damit einen Schritt weiter als Richard Meier, der immerhin noch mit Putzfassaden aufgewartet hatte. Diese beiden Sonderbauten setzten nun die flankierenden Marksteine für den Stadtraum zwischen Münster und Altem Rathaus, der zurzeit grundsätzlich und weitgreifend umgestaltet wird.
»In Ulm, um Ulm und um Ulm herum«, heißt ein alter Zungenbrecher aus dem Schwäbischen, von mitten »durch Ulm hindurch« ist dabei jedoch nie die Rede. Das hatten die Stadtväter beim Wiederaufbau nach dem Krieg wohl nicht bedacht, als sie die Neue Straße als sechsspurige Bresche quer durch die Innenstadt trieben. Heute wird diese autogerechte Schneise als brutaler städtebaulicher Sündenfall empfunden und wieder zugebaut, um eine Struktur zu gewinnen, die dem Charakter der noch immer historisch geprägten Innenstadt besser entspricht.
Eine weiträumig neue Verkehrsorganisation machte es möglich, die Neue Straße wieder zu einer Altstadtstraße ohne Durchgangsfunktion zurückzustufen. Die drei als »Neue Mitte« firmierenden Gebäude, die auf die Tiefgarage gesetzt wurden und den Straßenraum wieder auf kernstädtische Proportionen einschränken, haben nun die Aufgabe, die Verbindung zwischen Münsterplatz und Marktplatz zu knüpfen.
Der Heizkesselfabrikant Siegfried Weishaupt, der sich schon im nahen Schwendi einen Museumsbau von Richard Meier leistete, lässt sich hier von dem Münchner Architekten Wolfram Wöhr eine »Kunsthalle Weishaupt« für seine Sammlung moderner Kunst bauen, die mit dem dann gleichfalls von Wöhr erneuerten Museum verbunden werden wird.
Der im Frühjahr zu eröffnende Bau zeigt an seinen Längsseiten über einem gläsernen Sockelgeschoss eine weitgehend geschlossene Steinfassade und nach Westen ein gebäudehohes Panoramafenster. Seine mangelnde Maßstäblichkeit wird, so muss befürchtet werden, nicht in gleichem Maß durch skulpturale Kraft legitimiert, wie es nebenan geschieht. Denn als Nachbarn hat die Kunsthalle zwei neue Geschäfts- und Bürohäuser, die die Vermittlung zwischen historisch geprägten Randbedingungen und baukünstlerischer Zeitgenossenschaft sehr gekonnt meistern. ›
widerworte in beton
Die Antwort auf ein historisch geprägtes Ambiente kann durch Anpassung oder durch Konfrontation und Widerworte gegeben werden; unentschlossenen Zwischenlösungen mangelt es meist jedoch an Qualität und Überzeugungskraft. Der Münchner Architekt Stephan Braunfels wählt immer den zweiten Weg. Für neohistoristische Etüden hat er sich nie erwärmen können. Geschult an der klassischen Moderne versucht er, die Baugeschichte fortzuschreiben. Und er wählt immer Beton, ob bei den Parlamentsbauten in Berlin, der Museumsarchitektur in München oder eben der Altstadtbaukunst in Ulm. Beton als ästhetische Aussage, aber auch als fügsames Material für die Konkretisierung skulptural zum Ausdruck kommender Kräfte und Bewegungen.
Die beiden Gebäude an der Neuen Straße akzentuieren und gliedern als kunstvoll austariertes Arrangement aus Kuben selbstbewusst den Stadtraum und nehmen ihn für sich ein. Trotz deutlicher Horizontalgliederung treten sie nicht als konventionelle Hauskörper, sondern als plastische, geschossübergreifende Volumina in Erscheinung, die zwar gegenüber der Nachbarbebauung im Maßstab nicht auftrumpfen, aber dennoch als eigenständige Bauskulpturen wahrgenommen werden. Die beiden im Grundriss keilförmigen, aufeinander zulaufenden Bauten strukturieren den Stadtraum, geben ihm Richtung und Bezüge. Stoßrichtung, Auskragungen und das Lasten und Balancieren interpretieren das von Gulio Carlo Argan analysierte Leitmotiv der Dynamik von Masse und Bewegung, wie es der Raum-Zeit-Architektur der Bauhausmoderne zu eigen ist.
Beim Gebäude der Sparkasse spreizen sich die beiden Riegel, öffnen sich mit der gläsernen Spalte gegen den Rathausplatz und forcieren die Simultanität zwischen innen und außen. Ein vorgeschobener, gleichfalls gläserner Pavillon bildet das Entree zum Foyer und zu den Bürogeschossen. Der niedrigere südliche Riegel mit nur vier Geschossen bietet auf seinem Dach Platz für eine Terrasse. Ein schwebender Rahmen fasst den Freiraum und bringt Le Corbusiers Ikonografie ins Spiel. Feinster, glatter Sichtbeton und flächenbündige Verglasungen ohne Eckpfosten definieren die skulpturale Erscheinung der Kuben mit großer Präzision.
Akkuratesse und Präzision beherrschen auch die Gestaltung und Detaillierung im Inneren. Weiß- und Grautöne bestimmen die Farbpalette der Büroräume und des Lichthofs. Die Attraktion ist die Stadt, kein »Hingucker« schmälert die Aufmerksamkeit für die wunderbaren Ausblicke in die umgebenden Straßenraumfluchten.
Das zweite, etwas kleinere Gebäude, nach Süden und Westen noch blockhafter, geschlossener, bildet das »Münstertor« am Durchgang zum Münsterplatz. Als »Haus der Sinne« haben es die Marketingstrategen apostrophiert. Auf vier Ebenen durch versetzte Deckenaussparungen mit Rolltreppen erschlossen, breitet sich ein Brillencenter aus, ergänzt um ein Kosmetikinstitut, einen Designer-Friseur, um Confiserie, Teeladen und Vinothek. »Bella Vista« heißt das Dachcafé an der Münsterplatzseite, das mit einem atemberaubenden Ausblick aufwartet. Von hier aus kann man in aller Ruhe das mittelalterliche Rippen- und Fialengebirge nebenan studieren und über die Unterschiede der gotischen Tektonik und der Raum-und-Scheiben-Architektur von Braunfels‘ Moderne nachsinnen.
Die »Neue Mitte« nimmt keinen direkten Bezug auf die altstadttypische kleinformatige Binnengliederung; beide Häuser gewinnen ihren Charakter durch abstrakt-formale Qualitäten und das dynamische Wechselspiel miteinander an diesem exponierten Standort. Verglichen mit ihnen wirkt Böhms Bibliothek in sich gekehrt, während Meiers Stadthaus, das mit Nutzungsproblemen zu kämpfen hat, wenigstens optisch mithalten kann – wenn es von Zeit zu Zeit frisch geweißelt wird. Dagegen wird es die zurückhaltendere Weishaupt-Kunsthalle etwas schwerer haben, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Jedenfalls ist Ulm auf dem richtigen Weg bei der Strukturverbesserung und Stadtbildauffrischung seiner Innenstadt. ›
Ortstermin:
Wenn Sie gemeinsam mit uns unter Leitung von Stephan Braunfels und dem verantwortlichen Projektleiter am
9. März um 14 Uhr die Gebäude besichtigen möchten und anschließend an einen kurzen Vortrag mit ihm in eine Diskussion über Sichtbeton einsteigen möchten, dann melden Sie sich bitte bis zum 5. Februar online an:
Beton Ausgangssituation: Die beiden unmittelbar nebeneinander liegenden Gebäude haben zwei unterschiedliche Bauherren. Deshalb waren zwei verschiedene Baufirmen mit der jeweiligen Ausführung beauftragt, zusätzlich gab es unterschiedliche Betonlieferanten und Betone unterschiedlicher Festigkeitsklassen. Zielsetzung: Die beiden Gebäude sollten trotz dieser Bedingungen eine einheitliche Sichtbetonansicht mit einer hellen, gräulich-blauen Oberfläche bieten – ohne Ausblutungen, Verfärbungen und Farbunterschiede zwischen den einzelnen Betonierabschnitten bei einem fugenlosen Betonieren unter der Vorgabe einer Rissüberbrückung. Vorgehen: Trotz externer Bauleitung erfolgte die Erstellung des Leistungsverzeichnisses, die Vergabe sowie die Betreung der Betonierarbeiten vor Ort durch Stephan Braunfels Architekten. Dabei waren Musterbauteile zur Festlegung der Betonrezeptur in Abhängigkeit von dem Erscheinungsbild und Verarbeitungsqualitäten zu erstellen. Außerdem war die Verwendung einer Spezialschalung (15-fach verleimtes Birkensperrholzfurnier) vorgegeben. Besonderheit: Eigentlich wäre zur Verminderung der Rissbildung ein durch seine niedrige Hydrationswärmeentwicklung rissminimierend wirkender Hochofenzement (NW-Zement) erforderlich gewesen. Da dieser aber zu dunkleren Ansichtsflächen führt, fiel die Entscheidung für einen Portlandzement.
Auszüge Betonrezeptur Sparkasse Ulm:
Festigkeitsklasse: B35/45
Zement: Portlandkalksteinzement CEM II/A-LL 32,5 R
w/z Wert: < 0,50
– Aufheller als Zuschlagstoff
Auszüge Betonrezeptur Münstertor:
Festigkeitsklasse: B35 – C35/37
Zement: Portlandkalksteinzement CEM II/ 16 R
w/z Wert: < 0,45
– Zugabe von Verflüssiger / Verzögerer
– ohne Aufheller


  • Nachbehandlung:
    Der Beton wurde nicht nachbearbeitet. Allerdings wurden eine hydrophobe Imprägnierung gegen eindringendes Wasser (spätere Rostschäden, Algenbildung) und ein Grafittischutz aufgetragen.
    Bauherr Kaufhaus Münstertor: August Inhofer Wohnbau, Senden
    Architekt: Stephan Braunfels Architekten, Berlin
    Entwurf und Projektleitung: Karin Kusus
    Mitarbeiter: Petra Fechner-Koch
    Tragwerksplanung: Sailer, Stepan & Partner, München
    Bauleitung: August Inhofer Wohnbau, Senden
    Technische Gebäudeausrüstung: Planungsbüro Bohnacker, Schelklingen
    HLS-Planung) und Ingenieurbüro Puscher, Schelklingen (Elektro-Planung)
    Fassadentechnik: R+R Fuchs, München
    Lichtplanung: Stephan Braunfels Architekten , Berlin
    Bauausführendes Unternehmen: Georg Reisch GmbH & Co. KG,
    Bad Saulgau
    Bauzeit: Februar 2005 bis Juni 2006

    Beteiligte Firmen
    Fassaden: WICONA Hydro Buiding Sysytemss GmbH, www.wicona.de
    Ganzglasgeländer: Glas MarteGmbH, www.glasmarte.at
    Sonderleuchten: se’lux Semperlux AG, www.selux.de
    Allgemeinbeleuchtung: iGuzzini illuminazione Deutschland GmbH, www.iguzzini.de
    Aufzüge: ThyssenKrupp Aufzüge GmbH, www.thyssen-aufzuege.de
    Sanitärobjekte: Duravit AG, www.duravit.de
    Sanitärausstattung: d-line Deutschland GmbH, www.d-line.com und
    Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG, www. dornbracht.com
    Fliesen (Glasmosaik): Sicis The Art Factory, www.sicis.com
    Bauherr Sparkasse Ulm: Sparkasse Ulm
    Architekt: Stephan Braunfels Architekten, Berlin
    Entwurf und Projektleitung: Johannes Hanf
    Mitarbeiter: Jens Waninger
    Tragwerksplanung: Scheer + Klimke, Ulm
    Projektsteuerung: Drees & Sommer, Stuttgart
    Bauleitung: Gassmann + Grossmann, Stuttgart
    Innenarchitekt: Stephan Braunfels Architekten, Berlin;
    Bredt und Partner, Darmstadt
    Technische Gebäudeausrüstung: Conplaning GmbH, Ulm
    Fassadentechnik: Alfaplan GmbH, Efringen-Kirchen
    Lichtplanung: Stephan Braunfels Architekten mit ERCO, SELUX
    Bauzeit: Februar 2004 bis Oktober 2006
    Bauausführendes Unternehmen: Matthäus Schmid GmbH & Co. KG, Baltringen
    Beteiligte Firmen
    Fassaden: WICONA Hydro Buiding Sysytemss GmbH, www.wicona.de
    Sonderleuchten: se’lux Semperlux AG, www.selux.de
    Allgemeinbeleuchtung: ERCO Leuchten GmbH, www.erco.de
    Aufzüge: ThyssenKrupp Aufzüge GmbH, www.thyssen-aufzuege.de
    Sanitärobjekte: Duravit AG, www.duravit.de
    Sanitärausstattung: d-line Deutschland GmbH, www.d-line.com
    Fliesen: Agrob Buchtal, Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG, www.agrob-buchtal.de
    Teppichböden: Anker-Teppichboden Gebr. Schoeller GmbH + Co. KG, www.anker-dueren.de
    Türenhersteller: neuform Türenwerk Hans Glock GmbH & Co. KG, www.neuform-tuer.de
    Glastrennwände: Strähle Raum-Systeme GmbH, www.straehle.de
    Türbeschläge: FSB – Franz Schneider Brakel GmbH + Co KG, www.fsb.de

Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel
2 Saint Gobain Glass
Eclaz
3 Moeding Keramikfassaden GmbH
Alphaton

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de