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Luxuriöser Auftakt

Parkhaus Opéra in Zürich (CH)
Luxuriöser Auftakt

Unter dem neu gestalteten Sechseläutenplatz, zwischen Bellevue und Opernhaus, ist nach einer Planungs- und Bauzeit von 13 Jahren das teuerste Parkhaus von Zürich entstanden. Durch gestalterische Disziplin, Klarheit und ein wenig Farbe veredelten die Architekten die obligatorisch graue Betonoptik und machten aus den notwendigen Zugängen kleine Erlebnisräume. Die Tiefgarage besticht v. a. durch die Verbindung von oben und unten, von außen und innen.

    • Architekten: Zach + Zünd Tragwerksplanung: Heyer Kaufmann Partner; Basler & Hofmann

  • Kritik: Hubertus Adam Fotos: Michael Haug
In der Schweiz zu bauen, kann lange dauern. Das gilt erst recht, wenn es sich um einen so innerstädtischen und prominenten Ort wie den Sechseläutenplatz in Zürich handelt: Ganze 13 Jahre werden im Frühjahr vergangen sein, seitdem die Jury dem Projekt von Zach + Zünd für die Neugestaltung des Platzes und die Errichtung einer darunter befindlichen Tiefgarage den Zuschlag erteilte.
Der sich zwischen dem Verkehrsknotenpunkt Bellevue und dem Opernhaus aufspannende Platz, der durch eine viel befahrene Verkehrsachse vom Ufer des Zürichsees abgetrennt ist, verdankt seinen Namen einem Frühlingsfest, das auf die Verschiebung des Feierabends um eine Stunde zurückgeht und dessen Höhepunkt die Verbrennung des Böögg, einer künstlichen Schneemannfigur, darstellt. Das Sechseläuten wird in Zürich durchaus ernst genommen – was sich nicht zuletzt daran zeigte, dass autonome Kreise vor einigen Jahren den Böögg entwendeten, vor der Exekution bewahrten und als befreite Trophäe an der 1.-Mai-Demonstration mitführten. In seiner heutigen Form erst um 1900 entstanden, gilt das Sechseläuten inzwischen als unumstößliche und identitätsstiftende Tradition. 1902 fand es zum ersten Mal zwischen Opernhaus (damals noch Stadttheater) und Bellevue statt. Die Freifläche avancierte damit zur städtischen Festwiese, auf der Veranstaltungen aller couleur stattfinden. Außerhalb der Events bot die Sechseläutenwiese stets einen trostlosen Anblick – kaum begann der eingestreute Rasen spärlich zu wachsen, machte ein neues Budendorf die Bemühungen der Gärtner zunichte. ›
› Und nicht attraktiver zeigte sich der mit parkenden Autos vollgestellte Vorplatz vor dem Opernhaus. Um die innerstädtische Brachfläche endlich sinnvoll nutzen zu können, entstand die Idee, die Autos unter die Erde zu verbannen und dem Platz eine seiner abwechselnd intensiven und extensiven Nutzung adäquate Gestalt zu verleihen. Im Wettbewerb des Jahres 2000 konnte sich das von den Züricher Architekten Zach + Zünd und dem Landschaftsarchitekten Walter Vetsch gebildete Team mit seinem Konzept durchsetzen, das bis zum Frühling 2014 fertiggestellt sein wird. Während das privat finanzierte unterirdische Parkhaus schon im Mai 2012 eröffnete, war für die auf 17,2 Mio. CHF (rund 13,9 Mio. Euro) taxierte und von der öffentlichen Hand aufzuwendende Platzgestaltung im September des gleichen Jahres eine Volksabstimmung nötig. Diese wurde mit gut 60 % angenommen, sodass daraufhin das Pflaster aus Valser Quarzit verlegt werden konnte. Mitte November 2013 waren die Pflasterungsarbeiten abgeschlossen; im jetzigen Frühjahr erfolgen die Bepflanzung der gekiesten Bauminseln sowie die Installation des Wasserspiels.
Auch wenn ein lokaler Fernsehsender angesichts der etwa 15 000 m² messenden Platzfläche, für welche 3 500 t Stein verbraucht wurden, inzwischen vom zweitgrößten innerstädtischen Platz Europas nach dem Markusplatz in Venedig fantasiert, war in den letzten Jahren kaum etwas, was die Gestaltung dieses neuralgischen Orts betraf, unumstritten. Mal kritisierte man die Herkunft des Steins aus dem zürichfernen Graubünden, dann die Anpflanzung der als unschweizerisch empfundenen aber resistenten Tulpenbäume und amerikanischen Rotbuchen. Dann wiederum wurde das Pflaster generell infrage gestellt. Testserien mit Cola, Benzin, Öl und Elefantendung bewiesen die Eignung des Pflasters für die verschiedenen Nutzungen. Und für den Ritt mit Pferden um den brennenden Böögg wird der Platz künftig mit einem Substrat eingestreut, wie es auch bei Hallenreitturnieren Verwendung findet. Auch für das Zelt des hier gastierenden Zirkus Knie konnte mit Bodeneinlässen, in welche die Zeltstangen gesteckt werden, eine praktikable Lösung gefunden werden, ebenso wie für die Entwässerung der leicht Richtung See geneigten Fläche.
Grabung
Auf kaum weniger Kritik stieß die Tiefgarage. Insbesondere die Entscheidung der links-grün dominierten Stadtregierung, neben dem Parkplatz vor dem Opernhaus auch 50 weitere Stellplätze in der Umgebung aufzuheben und gleichsam im Parkhaus zusammenzuziehen, führte zu einem medial aufgeputschten, letztlich aber nicht erfolgreichen Dauerunmut von Autofahrerlobby und Geschäftsleuten.
Als kompliziert erwies sich das Tiefbauvorhaben aber v. a. wegen des der Nachbarschaft des Sees geschuldeten hohen Grundwasserspiegels. Um den Auftrieb zu vermeiden, wurden zunächst die den zweigeschossigen Parkraum von 60 x 85 m begrenzenden Schlitzwände betoniert, die bis zu 27 m, messenden Bohrpfähle des Fundaments eingebracht und der Betondeckel des Parkhauses ausgebildet. Erst dann begann man mit dem Aushub und schloss die Rohbauarbeiten mit dem Betonieren der Bodenplatte und der Zwischendecke ab. Zu einer neunmonatigen Bauunterbrechung (und vermutlich zu einer deutlichen Überschreitung des ursprünglich genannten Budgets von 35 Mio. CHF) führten die spektakulären Funde von neolithischen Pfahlbausiedlungen. Insgesamt fünf übereinanderliegende Siedlungshorizonte aus der Zeit zwischen 3700 und 2500 v. Chr. konnten die Archäologen erforschen, ungefähr 20 000 Bodenfunde wurden geborgen. Ein Teil davon ist im »archäologischen Fenster« zu sehen, einem im seeseitigen Treppenbereich untergebrachten, ebenfalls von Zach + Zünd gestalteten und zwei Geschosse übergreifenden Informations- und Ausstellungsbereich, der von den Parkebenen aus durch breite Fensterbänder einsehbar ist. Ein oberirdischer Pavillon markiert den Zugang und lädt Passanten zum Besuch der Ausgrabungsergebnisse ein. Sein stadtseitiges Pendant mit einem Café darin ist neben einem als Vitrine für das Opernhaus getarnten Notausgang der einzige oberirdische und platzwirksame Hinweis auf die Tiefgarage; weit auskragende Dächer lassen sich ebenso wie die gerundeten Formen als Reverenz an Hermann Herters Tramwartehäuschen aus dem Jahr 1938 ›
› am benachbarten Bellevue verstehen. Bekleidet sind beide Pavillons mit gelaserten, wie gitterartig wirkenden Metallpaneelen. Das von der Textildesignerin Janine Graf entwickelte repetitive Muster ist nicht beliebig gewählt, sondern zeigt die abstrahierte Silhouette des Zürichsees.
Die Gitter umhüllen und vereinheitlichen damit visuell die verschiedenen Funktionsbereiche der Pavillons: Treppen, Lifts, Café, Lagerräume, Toiletten. Sie fungieren aber auch als Absturzsicherung – und sie garantieren im Brandfall die Entrauchung. Dadurch konnten die Architekten auf die üblichen Schutztüren und Schleusen verzichten. Tageslicht kann ungehindert bis in die untere Parkebene vordringen, bei Sonnenschein werfen die Gitterornamente ihre Schatten bis in die Tiefe. Diese geschickte Lösung trägt entscheidend zum freundlichen Charakter bei und verstärkt die Möglichkeit der Orientierung. Ganz abgesehen davon, dass die Dimensionen des Parkhauses mit seinen lediglich zwei Geschossen und insgesamt 299 Stellplätzen eher moderat sind, wirken auch die übrigen architektonischen Entscheidungen einer möglichen ›
› klaustrophobischen Atmosphäre entgegen. Dazu zählen der weite Stützenabstand, die hellen Decken und Böden und auch das Hellblau der Seitenwände. Die Farbakzente nehmen den in Sichtqualität ausgeführten Betonoberflächen den Rohbaucharakter, sind aber freilich weit davon entfernt, festlich zu wirken. Dank der in einer Geraden geführten Ein- und Ausfahrt und der weiterführenden Rampen entlang der Schmalseiten bleibt die Übersichtlichkeit auch für die Autofahrer immer gewahrt. Ein LED-Screen über der Einfahrt warnt vor zu großer Höhe. Innen leitet ein Lichtsystem zu noch freien Parkplätzen, zu dem dezente Deckenleuchten über den Fahrbahnen, Leuchtstoffröhren an den Wänden und kleine Lämpchen über den Parkboxen gehören.
Wer das Parkhaus nicht über die beiden Pavillons verlassen will, kann trockenen Fußes die Durchgänge zum Restaurant Schiller im Haus der Neuen Zürcher Zeitung oder zum Opernhaus nutzen. Aus Kostengründen gab es um den letzteren längeren Streit; in verkleinerter Form wurde die unterirdische Anbindung schließlich nach der Eröffnung doch noch realisiert. Das Zusammenspiel farbiger Wände, gläserner Durchgänge und der Projektion von Opernimpressionen führt zu einer angenehm unaufdringlichen und keinesfalls überinszenierten Atmosphäre. •
  • Standort: Schillerstr. 5, CH-8001 Zürich
    Bauherr: Parkhaus Opéra, Zürich Architekten: Zach + Zünd Architekten, Zürich, Gundula Zach, Michel Zünd
    Projektleiter: Stephan Rist, Iris Tausch
    Wettbewerbsteam: Vetsch Nipkow Partner Landschaftsarchitekten, Heyer Kaufmann Partner Bauingenieure, Jürg Altherr (Bildhauer)
    Generalplanerteam Opus One: Zach + Zünd Architekten, Heyer Kaufmann Partner Bauingenieure, vetschpartner Landschaftsarchitekten, Perolini Baumanagement, Amstein + Walthert,
    Gebäudetechnik Bauphysik: Bakus Bauphysik Akustik, Zürich
    Beleuchtungsplanung: d-lite Lichtdesign, Zürich
    Fassadenplanung: Mebatech, Baden Planung
    Spezialtiefbau: Schläpfer & Partner, Zürich Ab Ausführung:
    Tragwerksplanung: Basler & Hofmann, Zürich Geotechniker Geologen
    Hydrogeologen: Gysi Leoni Mader, Zürich
    Gebäudetechnik: Meierhans + Partner, Schwerzenbach
    Sanitärplanung: Gemperle Kussmann, Basel
    Elektroplanung: Hefti. Hess. Martignoni. Aarau Ornament: Janine Graf, Textildesignerin, Zürich
    Signaletik: NOSE Design, Zürich Farbberatung,
    Ausführung: Jean Pfaff, Ventalló-Girona (E)
    Geschossfläche: 11 400 m², 299 Stellplätze (davon fünf mit Elektroladestation) auf zwei Parkebenen mit je 3 760 m² Stellfäche
    Volumen: 40 400 m³
    Baukosten: keine Angabe
    Bauzeit: Wettbewerb: 2000, Überarbeitung: 2001, Baubeginn: Juni 2009, Baustopp für archäologische Rettungsgrabungen: März 2010 bis Januar 2011, Fertigstellung: Mai 2012 Auszeichnung: Bestes Parkhaus Europas 2013 (TCS, ADAC u. a.)
  • Beteiligte Firmen: Totalunternehmer: Arge Opéra (Implenia Bau, Marti, Brunner Erben), Zürich, www.implenia.com
    Brandabschnittstore: Stawin, Pfungen, www.implenia.com
    Innenverglasung: Promat, Rickenbach, www.implenia.com
    Holz-Innentüren: Jegen, Effretikon, www.implenia.com
    Elementwände: (Alucubond): Allega, Niederglatt, www.implenia.com
    Malerarbeiten: Keim Farben Baudialog, Zürich, www.implenia.com
  • 1 Zugang »Stadt« 2 Übergang zum NZZ-Gebäude 3 Zugang »See« 4 »Archäologisches Fenster«
  • 5 Übergang zum Opernhaus
  • 1 Dachaufbau:
Kies, 50 mm
Abdichtung, zweilagig
Stahlbetondecke, Sichtbeton, 500 mm
  • 2 Winkel, ringsum laufend, gebogen, h = 80 mm, b = 120 mm
  • 3 Dachrandblech aus zweiteiligem Aluminium, pulverbeschichtet, goldrau, mit Dichtschrauben montiert, 3 mm
  • 4 Aluminiumblech, pulverbeschichtet, goldrau, 3 mm
  • 5 Mineralwolledämmung, 60 mm
  • 6 Leuchtschrift auf Trägerschiene
  • 7 Taubenschutz aus Drahtseil, punktuelle Chrom-Nickel-Stahl-Halterung nach unten befestigt
  • 8 Ankerschiene
  • 9 Leuchtstoffleuchte
  • 10 Aluminiumblech, pulverbeschichtet, goldrau, 3 mm
  • 11 Pfosten aus Vollstahl, gestrichen, 80/80 mm
  • 12 Stahlrohrrahmen, pulverbeschichtet, goldrau, 50/30/3 mm
  • 13 Ornament aus Aluminiumblech, auf Rahmen geschraubt
  • 14 Blech, Stahl-Chrom-Nickel-Legierung, einbrennlackiert, rostfrei, goldrau, 3 mm
  • 15 Wasserrinne, Chromstahl
  • 16 Hartbeton, d = 50 mm
  • 17 Aussparung, nachträglich ausbetoniert, 70/30 mm
  • 18 Stahlwinkel, 120/80/8 mm
  • 19 Deckenaufbau:
Steinboden, Valser Quarzit, 130 x 100 mm / 150 x 100 mm
Monokorn-Betonsplitt, Körnung 4-8 mm, 50 mm
Dränbeton, 150 mm
Sand/Kies, 350-550 mm
Gussasphalt, 35 mm
Elastomerbitumen-Dichtungsbahn, vollflächig eingegossen, 5 mm
Voranstrich
Stahlbeton, 660 mm
Betonlasur

Zürich (CH) (S. 14)


Zach + Zünd Architekten


Gundula Zach
1956 in Stuttgart geboren. Studium an der Universität Stuttgart und der School of Architecture UVA, Charlottesville (USA). 1983 Diplom. Mitarbeit bei Edward L. Barnes, New York. 1988 Bürogründung mit Michel Zünd. 1986-88 Lehrauftrag an der Universität Stuttgart, 2009 an der ZHAW Winterthur. Jury- und Expertinnentätigkeit in der Schweiz und Deutschland.
Michel Zünd
1948 in Buchs (CH) geboren. Studium an der EPF Lausanne und der Universität Stuttgart, 1975 Diplom. Freie Mitarbeit in verschiedenen Büros in Stuttgart und Zürich, u. a. bei Ernst Gisel. Seit 1988 Büropartnerschaft mit Gundula Zach.
Hubertus Adam
s. db 6/2013, S. 144
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