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Kino International (1961-63) in Berlin, Architekten: Josef Kaiser und Heinz Aust

... in die Jahre gekommen
Kino International in Berlin

Als Premierenkino und Kulturzentrum errichtet, zeugt das Gebäude beinahe originalgetreu erhalten von der DDR-Baugeschichte der 60er Jahre. Bei Kinovorführungen und anderen Veranstaltungen sorgt es, technisch ertüchtigt, bis heute für eine feierliche und dabei auch eine etwas nostalgische Atmosphäre – nicht zuletzt aufgrund des vielfältigen Beleuchtungskonzepts.

Architekten: Josef Kaiser, Heinz Aust

Kritik: Bernhard Schulz
Fotos: DanielHorn, ullstein bild – Lehnartz, Joachim Spremberg, Eva Brüggmann

»Die architektonische Gestaltung von Filmtheatern soll heute darauf gerichtet sein, einen Ort festlicher Zusammenkunft für eine erlebnisbereite Gemeinschaft zu schaffen«, schrieb der Architekt Josef Kaiser 1963 in einem Artikel zu seinem damals gerade fertiggestellten »Kino International« an der Frankfurter Allee (heute Karl-Marx-Allee) in Berlin. Bis zum November 1961 hatte der Straßenzug noch »Stalinallee« geheißen, war jedoch in dem Teilbereich, in dem das neue Kino entstand, noch in seiner von Kriegsschäden gezeichneten Altbausubstanz verblieben.

Die Stalinallee bildete die symbolträchtigste Straße der DDR. Das kommt in ihrem Namen zum Ausdruck, mit dem der eigentliche Schöpfer der DDR

geehrt wurde, der Sowjetdiktator Stalin. 1949 war die nach Frankfurt an der Oder benannte, ostwärts führende Frankfurter Allee umbenannt worden, entlang derer in den 50er Jahren die repräsentativen Wohnbauten nach Moskauer Vorbild entstanden, die seither unter dem Namen der Stalinallee ein auch architekturhistorischer Begriff sind.

Westlich dieses Abschnitts bis hin zum Ausgangspunkt des Straßenzugs, dem Alexanderplatz, wurde seit der »Wende in der Baupolitik« ab den späten 50er Jahren ein großes Wohngebiet in aufgelockerter Zeilenbauweise geplant. Es war das erste geschlossene Gebiet in industrieller Plattenbauweise in der DDR überhaupt. In Abkehr von den Grundsätzen der neoklassischen, »eigentlichen« Stalinallee wurden Funktions- und Versorgungseinrichtungen nunmehr in gesonderten Gebäuden und nicht mehr innerhalb der Wohnbauten untergebracht. Das ermöglichte die städtebauliche Herausstellung bestimmter Funktionsbauten, insbesondere der beiden Kinos, die zur Ausstattung der Frankfurter Allee geplant wurden. Sie liegen unweit voneinander und stammen von der Hand derselben Architekten – seinerzeit waren »Kollektive« unerlässlich –, namentlich aber von Josef Kaiser und Heinz Aust.

Während das Kino »Kosmos« auf einem freien Grundstück zwischen zwei »Arbeiterpalästen« im Nachkriegsteil der Allee errichtet wurde, fand das Kino International seinen Ort innerhalb eines sorgfältig aufeinander abgestimmten Gebäudeensembles. Es liegt genau gegenüber der Einmündung einer Straße, ist also mit seiner Hauptfassade auf Fernwirkung berechnet; gleichzeitig wird es in gebührendem Abstand von einem Scheibenhochhaus optisch hinterfangen, dem »Hotel Berolina« mit seiner Rasterfassade. Das Gebäude war gegenüber dem Kino seitlich ein wenig versetzt, sodass sich aus der Ferne der Eindruck eines »typischen« Spät-70er-Jahre-Baukörpers aus einem schmalen Hochhaus und einem seitlich herausstehenden Flachbau ergibt.

Das zwischen 1961 und 1963 errichtete International war als Premierenkino der »Hauptstadt der DDR« konzipiert. Zugleich hatte es das weit umfassendere Raumprogramm eines Kulturzentrums zu bewältigen: eine Stadtteilbibliothek sowie ein Jugendklub waren in den Baukörper zu integrieren. Darauf lassen sich die spezifischen Eigenheiten des Entwurfs von Kaiser zurückführen; zugleich aber ging es dem Architekten, wie in dem eingangs zitierten Satz ausgeführt, um eine besondere Festlichkeit, die zwar auch mit der reichen dekorativen Ausschmückung des Baukörpers, v. a. aber mit der Anordnung der Räume zum Ausdruck kommen sollte. »Festlichkeit«, das darf nicht vergessen werden, war seitens der SED-Parteiführung für den ganzen Straßenzug als einer Marschroute für die angeordneten Demonstrationszüge gefordert worden.

Im Unterschied zum gleichzeitig entstandenen Kino Kosmos ist der Zuschauerraum im International nicht ebenerdig, sondern im oberen Stockwerk angeordnet. Das ermöglicht ein weitläufiges Vestibül, das zugleich zu aufwendigen Treppen zwingt, die noch dazu wegen der Trennung von ein- und ausgehenden Zuschauern doppelt ausgeführt werden mussten. Im rückwärtigen Teil des EG, also hinter dem Foyer, brachte Kaiser die Stadtteilbücherei unter. Die Treppen wurden in seitlichen, von außen nicht ablesbaren Treppentürmen angeordnet. Dem ansteigenden Zuschauerraum mit seinen ursprünglich 600, nach der Sanierung noch etwa 520 Sitzplätzen (die Angaben schwanken) zur Straße hin vorgelagert ist ein eigenes Kinofoyer, das den repräsentativen Charakter des Kinos unterstreicht. Denn nur bei festlichen Anlässen, bei denen sich Gäste bereits einige Zeit vor der Aufführung einfinden oder aber nach der Premiere feiern, wie auch bei den – älteren Filmfreunden noch erinnerlichen – Pausen von überlangen Filmen besteht Bedarf an einem solchen Foyer, zumal mit der eigens vorgesehenen Bar an der Frontseite des Gebäudes.

Licht als gestaltendes Element

Früher nannte man Kinos auch »Lichtspieltheater«, als Verweis auf die technische Eigenart des Films als einer – wie die Fotografie – »Zeichnung mit Licht«. Licht als gestalterisches Element spielt dann auch beim International eine herausgehobene Rolle. Das Gebäude ist auf seine unterschiedliche Wirkung bei Tag und bei Dunkelheit hin ausgerichtet. Tagsüber wirkt es als blockhafter Körper, der auf einem vergleichsweise flachen Unterbau aufliegt. Nachts hingegen leuchtet das vorderseitig vollständig verglaste Foyer im OG in den Straßenraum hinaus, der hier, inmitten der weit zurückstehenden Zeilenbebauung, als solcher nicht gefasst ist und bei Dunkelheit nahezu unkenntlich ausläuft. Das nahe an den – zwischen 75 und 125 breiten – Freiraum der Straße herangerückte Kino wirkt bei Dunkelheit im

Wortsinne als »Zuschauermagnet«. Die Fassade des 10 m weit in den Straßenraum auskragenden OG ist in sieben Felder eingeteilt, von denen zwei – und zwar asymmetrisch links von der Mitte angeordnet – zwar verglast sind, aber als Trägerwand für davor gespannte, großflächige Kinoplakate dienen (sie können übrigens durch einen sinnreichen Schlitz im vorkragenden Bodenteil des OG herabgelassen und so auf bequeme Weise ausgetauscht werden). Zu beiden Seiten der Plakatwand sind die Leuchtbuchstaben des Namens angeordnet, links das Wort »Kino« und rechts »International«, die so die asymmetrische Aufteilung der Fassade durchaus nachvollziehbar machen.

Das Kino steht mit allen straßenbegleitenden Bauten des Wohngebiets bereits seit dem 2. Oktober 1990 unter Denkmalschutz, es wurde am letzten Tag der Existenz der DDR in die Denkmalliste aufgenommen. Der Denkmalsstatus wurde durch erneute Publikation in der nunmehr Gesamtberliner Denkmalliste 1995 bestätigt. Das hat den Abriss des als optische Folie wirkenden Hotels Berolina 1995 nicht verhindern können; allerdings orientiert sich der unmittelbar danach hochgezogene Neubau in Volumen und Gestaltung stark am Vorgängerbau, sodass kaum ein Unterscheid in der Gesamtwirkung zu bemerken ist. Ein denkmalpflegerisches Gutachten für das Kino von 2010 forderte eine umfassende Erhaltung bis hin zu Technik- und Nebenräumen. Dem stehen die Anforderungen des Kinobetreibers nicht entgegen; immerhin kann das Kino trotz heutiger digitaler Filmtechniken nach wie vor herkömmliche Filme in 35 mm und sogar 70 mm abspielen (das Kino dient während der Filmfestspiele der »Berlinale« regelmäßig als Aufführungsstätte verschiedener Programmreihen). Jedenfalls sind die öffentlichen Bereiche in einer für den Normalbesucher unveränderten Weise erhalten worden – anders als das Kosmos, dessen Zuschauerraum durch Einebnung stark verändert wurde und jetzt als Veranstaltungsraum in beliebiger Bestuhlung und Ausstattung genutzt wird.

Die nächtliche Lichtwirkung wird durch die fünf, oberhalb der mittigen Eingangstüren angebrachten Lichtbänder verstärkt, auf denen die wechselnden Filmtitel und Anfangszeiten in Klemmbuchstaben angebracht werden. Ihr heller Schein lässt das auskragende OG-Foyer erst recht über dem Vorplatz mit seinen sechs längsrechteckigen Vitrinen für Film-Standfotos schweben. Im Innern blieb die metallische Deckenbekleidung des Vestibüls mit ihren regelmäßig verteilten Glühbirnen erhalten, ebenso wie die leicht schräg aufsteigenden Reihen von Lichtleisten inmitten der Wandbekleidung mit schmalen Natursteinriemchen. Im Foyer spenden drei großvolumige Leuchter Licht über die vollständig erhaltene Innenausstattung mit DDR-typischen Sesseln und niedrigen Couchtischen. Und schließlich ist im Zuschauerraum – abgesehen von der ausgetauschten, heutigen Anforderungen an die Bequemlichkeit entsprechenden Bestuhlung – der festliche Charakter mit der gewellten, indirekt beleuchteten Decke und dem glitzernden, paillettenbestickten Vorhang authentisch erhalten. Alle Seitenwände im Kino sind mit senkrechten, quergestellten Holzstäben vor dunklem Hintergrund bekleidet, die als Akustikelemente fungieren.

Interessanterweise ist die Verwandtschaft der Architektur des International mit dem Konzertsaal der (West-)Berliner Hochschule der Künste in der Literatur bislang nicht gesehen worden. Der bereits 1949 entworfene und 1954 fertiggestellte Konzertsaal von Paul. G. R. Baumgarten weist eine ganz ähnliche Raumdisposition auf, insbesondere ein im OG hinter Glasfassade gelegenes Pausenfoyer, das zusätzlich als eine Art Schaufenster für das an der Foyerrückwand, also an der Saalaußenseite angebrachte Wandbild dient. Auch hier, an der Hardenbergstraße, ist die nächtliche Lichtwirkung in den Straßenraum hinein Teil des Konzepts. Insgesamt steht das International für eine Zeit, in der die Großprojektion von Filmen letztmalig als kulturelles und gesellschaftliches Ereignis auch architektonisch gefeiert wurde, bevor ihm das individualisiert wahrgenommene Fernsehen den Rang abzulaufen begann.


  • Standort: Karl-Marx-Allee 33, 10178 Berlin< /li>

Unser Kritiker Bernhard Schulz war beeindruckt: Die Lichtregie folgt unverändert dem Ursprungskonzept, im Foyer mit mächtigen Lüstern, die nicht nur den hohen Raum ausleuchten, sondern abends auch weit in den Straßenbereich hinausstrahlen. Ein Haus, bewusst für abendliche Festlichkeit – da hat sich der Autor als stiller Beobachter ganz unsichtbar gemacht …


Bernhard Schulz

s. db 11/2015, S. 96

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