Frech kommt weiter: Ondřej Chybík las in der Zeitung vom Studenten-Wettbewerb, den das Traditionsunternehmen Lahofer ausgeschrieben hatte. Gesucht war die beste Idee für ein neues Weingut in den Hügeln von Znojmo (dt.: Znaim, nahe der österreichischen Grenze), denn der bestehende Produktionsstandort war veraltet und viel zu klein. »Wir haben uns die Freiheit genommen, Lahofer anzurufen und ohne Umwege anzubieten, das Projekt zu übernehmen. So hat alles angefangen.«
Die Frechheit der hier eingeschlagenen Akquise trägt Früchte. 4 km östlich von Znojmo thront hinter den Weinreben eine schlichte, sich in die Landschaft duckende Betonkiste mit viel Rhythmus und 24 großflächigen Glasfeldern. Die Überraschung offenbart sich in der Annäherung und Umrundung: Gibt sich das Gebäude nach Süden hin edel und elegant, fast ein bisschen im kartesischen Establishment zeitgenössischer Betonkultur, entfalten sich in der Tiefe plötzlich Rundbögen und gekrümmte, organisch abfallende Decken, die mit den formal verschmelzenden Außenwänden an der Rückseite des Gebäudes eine Art flach terrassiertes Amphitheater für Open-Air-Vorstellungen bilden. Man könnte auch sagen: vorne Chipperfield und hinten Hadid, im Abgang ein Hauch von Ando und Sejima.
»Dass das Weingut heute so aussieht, ist letztlich aber Resultat einer sehr unsinnlichen Analyse von Prozessen in Produktion und Logistik«, sagt Chybík, der das 2010 gegründete Büro Chybík + Krištof gemeinsam mit seinem Partner Michal Krištof leitet (s. auch »House of Wine« in db 3/2020, S. 26). »Wir haben dem Bauherrn sieben verschiedene Varianten von Raum- und Produktionsabfolgen vorgeschlagen, und am Ende eines zwölfstündigen Besprechungsmarathons haben wir uns auf dieses Modell geeinigt.«
Die Sinnlichkeit hat trotzdem Einzug gefunden: Denn während die Produktionshallen im hinteren Teil des Grundstücks aus Stahlbeton-Fertigteilen errichtet wurden, bilden Vinothek und Büros nach vorne hin eine luftige, lichtdurchflutete Raumflucht mit 25 Sichtbetonschotten und 25 halbkreisförmig eingeschnittenen Öffnungen en suite – sehr japanisch. Die zweiachsig gekrümmten hyperbolischen Paraboloidschalen aus Ortbeton, die Dach und Wand ineinander verschmelzen lassen, hat der tschechische Künstler Patrik Habl gestaltet – keine ästhetisierende Behübschung, sondern eine Verstärkung der Betoncharakteristik mit abstrakten Camouflage-Flächen in Gold- und Brauntönen.
Die Baukosten belaufen sich auf 120 Mio. Kronen (rund 4,6 Mio Euro). Eröffnet wurde das Weingut Lahofer soeben im Rahmen des Znojmo Kultursommers 2020.
- Standort: Vinice 579, CZ-671 82 Dobšice, Tschechien
Architekten: Chybik + Kristof Architects & Urban Designers, Prag
Bauzeit: November 2017 bis Dezember 2020
Gerichteter Blick
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Edles Dach für edlen Tropfen
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