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… in die Jahre gekommen – Flughafen Berlin Tegel

Flughafen Berlin Tegel (Otto Lilienthal), 1969-75
… in die Jahre gekommen – Flughafen Berlin Tegel

Erstmals wurde mit Berlin-Tegel in Deutschland das System eines »Drive-in«-Flughafens realisiert. Die logisch rationale Erschließungsform, die in einem sechseckigen Ring angelegt ist, ermöglicht den Passagieren auf kürzestem Weg ihre Flugsteige zu erreichen. Trotz Erweiterungsfähigkeit ist die Zukunft für Tegel durch den Flughafenausbau in Berlin-Schönefeld nicht gesichert.

In Berlin Tegel was realized for the first time in Germany the system of a »drive-in« airport. The logically rational form of access from a hexagonal ring enabled passengers to reach their flight gates directly. Despite possibilities for extension the future of Tegel is uncertain due to additional airport facilities in Berlin-Schönefeld.

Bereits Ende der fünfziger Jahre zeichnete sich ab, dass der innerstädtisch gelegene Berliner Flughafen Tempelhof den steigenden Fluggastzahlen sowie den Anforderungen des kommenden Düsenjet-Zeitalters nicht gewachsen sein würde. 1965 wurde ein europaweiter Wettbewerb für einen neuen Flughafen ausgeschrieben, den die damals noch völlig unerfahrenen Architekten Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg gemeinsam mit Klaus Nickels für sich entscheiden konnten. Unter Insidern zwar hinlänglich bekannt, trotzdem immer wieder schön, sich in Erinnerung zu rufen: Seit Abschluss der Diplomprüfungen der Gewinner war gerade ein Jahr vergangen, so dass es eine mutige Entscheidung der Berliner Flughafen Gesellschaft sowie der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen als Bauherren war, die jungen Architekten tatsächlich mit der Gesamtplanung des neuen Flughafens Tegel zu beauftragen. Und nicht nur das, auch fast alle Folgeaufträge wie die Einzelplanungen der Betriebsgebäude, die Erschließungsplanung, die Landschaftsplanung, die Entwicklung des Leitsystems und die Inneneinrichtung wurden an sie vergeben. Eine gewisse Kontrollmöglichkeit behielten sich die Bauherren dann doch vor: Alle Architektenleistungen mussten vor Ort in einer Baustellenbaracke, die in einem angrenzenden Wäldchen in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Hundeübungsplatz stand, erbracht werden. – Das Büro benutzten von Gerkan und Marg viele Jahre später immer noch, der Hundeübungsplatz existiert bis heute!

Mit dem Flughafen Tegel wurde in Deutschland erstmals das System eines »Drive-in«-Flughafens umgesetzt. Aufgrund der eingeschlossenen Lage West Berlins und des daraus resultierenden begrenzten Raumangebots wählten die Architekten dieses platzsparende Modell. Bei dem »Drive-in«-Prinzip gelangen die Fluggäste mit Auto oder Bus so nah wie möglich an die einzelnen Flugsteige heran, checken an ihrem Flugsteig ein (Gate check-in), passieren direkt dort die Sicherheitskontrolle und gelangen in den Wartebereich. Da in Tegel der Bustransfer zu den Flugzeugen entfällt, befinden sich die Passagiere ab diesem Moment bereits in Sichtbeziehung zu ihrer Maschine, die sie im Weiteren über so genannte Teleskopbrücken erreichen. Der »Drive-in«-Flughafentyp ermöglicht extrem kurze Wege; in Tegel sind es vom Auto bis zum Flugzeug weniger als 50 Meter.

Dem Grundkonzept des Flughafens – der Gesamtform sowie etlichen Details – liegt die geometrische Elementarform des Sechsecks als strukturierendes Gerüst zugrunde. So sind die Flugschalter hinter dem Zentralgebäude und dem Kontrollturm in einem sechseckigen Gebäude untergebracht. Für die Innenausstattung nahmen die Architekten die Hexagonform des Terminalgebäudes u. a. in den Bodenfliesen und der Anordnung des Mobiliars wieder auf. Die damals vorherrschenden Farben Rot, Gelb und Braun waren Zeugnis der Entstehungszeit des Flughafens in den siebziger Jahren.

Wenn man sich dem Flughafen Tegel heute nähert, scheint sich an der ursprünglichen Situation über die Jahrzehnte hinweg zunächst nicht viel geändert zu haben: Vom Kurt-Schumacher-Damm kommend, kann man unmittelbar nach Queren des Hohenzollernkanals die Hauptzufahrt kurz verlassen und gelangt zu den Fluginformationstafeln. Die Zufahrtsstraße führt weiter unter der ringförmigen Rollbahn hindurch und gabelt sich kurz darauf in die Vorfahrt zur höher gelegenen Haupthalle und die Erschließung des Hexagons. Hier bemerkt man, dass sich an der Parkplatzsituation im Inneren des Hexagons etwas verändert hat: wie es der Entwurf bei Bedarf durchaus vorsah, wurde über den Bereich für Langzeitparker eine weitere Ebene für Kurzzeitparken gelegt, die über Brücken mit der Ringstraßenerschließung des Hexagons verbunden ist.

Eine weitere Änderung nimmt man nach Verlassen des Autos zuerst akustisch war. Es fällt nämlich auf, dass das vertraute Geräusch der über die Fliesenfugen rumpelnden Kofferrollen fehlt. Beim Blick zu Boden zeigt sich die Veränderung auch optisch sehr deutlich: bis auf eine kleine Restfläche vor dem Zentralgebäude sind die rotbraunen breit gefugten Klinkerfliesen inzwischen überall durch glatte, weißgraue eng verfugte ersetzt worden, die leichter zu reinigen sind. Das Farbkonzept betreffend sind leider weitere Eingriffe vorgenommen worden: So wurde im Außenbereich dem grauen Sichtbeton ursprünglich einzig die Farbe Rot als Kontrast entgegengestellt. Lediglich auf der Vorfeldseite ist diese Idee heute noch erkennbar, als rotes Band umspannt die einem Flugzeugrumpf nachempfundene Fassade das Gebäudesechseck; Rot taucht auch in den Teleskopbrücken und ihren Gelenkköpfen wieder auf. Zur Landseite hin stören die grellen Farben der aufdringlichen Werbungen für Autovermietungen oder Billig-Airlines das Bild inzwischen erheblich. Umso erfreulicher, dass sich an dem von Werner Nöfer gestalteten Leitsystem innerhalb der Tiefgaragen nichts geändert hat. Bis vor einigen Jahren fanden sich auch noch Überbleibsel der ursprünglichen Bestuhlung; der glasfaserverstärkte Kunststoff ist über die Zeit allerdings porös geworden, so dass die prägnant gelbe Möblierung nun vollständig durch rein funktionales Einheitsmobiliar ersetzt wurde.

Die Veränderungen in der zentralen Halle sind vor allem der Forderung nach besserer Wirtschaftlichkeit gezollt, hier hat sich die Anzahl an Läden und Gastronomie sicherlich mehr aus verdoppelt. Aufgrund der insgesamt überschaubaren Größe der Flughafengebäude, stieß der Ladenausbau allerdings bald an seine Grenzen; die geringe Tiefe des Wartebereichs nach Passieren der Sicherheitskontrollen lässt ein weitläufiges Einkaufsparadies nicht zu.

Die vorgesehene Anbindung an das U-Bahnnetz der Stadt ist nicht realisiert worden, womit der Flughafen das Schicksal vielen Großsiedlungen der siebziger Jahre teilt. Auch die von vornherein berücksichtigte Möglichkeit der Erweiterung durch ein zweites, östlich gelegenes geschlossenes oder offenes Hexagon wurde nie wahrgenommen; stattdessen entstand 2001 ein unspektakulärer Anbau in Holzbauweise im Westen. Eine Art »Finger« mit weiteren Flugsteigen. Ein bewusstes Provisorium, da der Flugbetrieb in Tegel nach Eröffnung des geplanten Großflughafens Berlin-Brandenburg in Schönefeld – wahrscheinlich wieder unter Beteiligung von Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg – ohnehin eingestellt werden soll. Bedauerlich, denn sieht man von der aus Sicherheitsüberlegungen problematischen Lage in der Stadt einmal ab, bewährt sich das Konzept nach wie vor. Nicht nur aus Sicht der Architekten, auch Reisende schätzen die Übersichtlichkeit sowie die kurzen Wege. Unter Gesichtspunkten der Effizienz fällt die Beurteilung allerdings anders aus, die dezentrale Organisationsstruktur ist viel zu kostenintensiv.
~Ulrike Kunkel

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