1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Architektur » Wohnungsbau »

… in die Jahre gekommen – Energiesparhäuser

Fünf Energiesparhäuser am Landwehrkanal in Berlin, 1982–85
… in die Jahre gekommen – Energiesparhäuser

Am Landwehrkanal steht eines der weniger spektakulären Projekte der Berliner IBA 1987: fünf Stadtvillen, die zur Wiederherstellung des Stadtraums und als Langzeitversuch in Bezug auf Energieeinsparungsmöglichkeiten dienten. Mit wenig sollte viel erreicht werden; die Vorgaben der Stadtplaner, der Bauverwaltung und das nur schwer zu beeinflussende Verhalten der Bewohner standen dem entgegen.

On the Landwehr Canal stands one of the less spectacular projects of the Berlin International Building Exhibition 1987: five houses as a contribution to restoring the urban environment and as a longterm experiment probing possibilities for saving energy. Much was to be achieved with modest means; restrictions from the town planners, the construction authority and – difficult to influence – the conduct of the occupants were against it.

Text: Ulf Meyer
Fotos: Gerhard Ullmann
Gegenüber des Bauhaus-Archives am Landwehrkanal, in bester Innenstadtlage im alten West-Berlin wurden im Zuge der Internationalen Bauausstellung (IBA) 1984–85 fünf Energiesparhäuser am Lützowufer 1–5 gebaut. Ziel war es nicht, experimentelle neue Techniken der Energieeinsparung zu testen, sondern vielmehr, den damals aktuellen Stand der Technik zu demonstrieren und in der Praxis zu überprüfen. Jedes der fünf Häuser wurde von einem anderen Architekten entworfen. Die Gestaltung der Außenflächen übernahm Hannelore Kossel, Berlin.
Ziel war es, mit fünf verschiedenen Bauten bei gleichen Baukosten fünf verschiedene Wege des energiesparenden Bauens aufzuzeigen. Die Mieter sollten nicht gezwungen werden, besondere Verhaltensweisen anzunehmen. Wie bei der IBA üblich, wurden die Häuser als extrem hoch subventionierte Sozialwohnungen gebaut; insgesamt 69 (mehrheitlich mit drei Zimmern). Die jeweils 15 Meter breiten Häuser haben durchgehend dicke Wände und kleine Fenster.
Die Häuser im Detail
Bernd Faskel und Vladimir Nikolic (Kassel/Berlin) hatten ursprünglich geplant, die Wohnungen des Hauses 1 entlang der Ost- und Westfassade zu erschließen. Dieser Plan verstieß jedoch gegen die geltenden Regeln im Sozialwohnungsbau.
Haus 2 statteten gmp (von Gerkan Marg + Partner, Hamburg/Berlin) mit einer fast völlig verglasten Südfassade aus, dahinter Wintergärten mit Klinkerböden. Die Ecken des Hauses wurden stark zurückgesetzt und das Gebäude in die drei Teile Sockel, Schaft und Kapitell gegliedert. Die Fenster bestehen aus Dreifachverbundglas. Nicht weiterverfolgt wurden Sonnenkollektoren und Außenjalousien.
Der Entwurf für Haus 3 (Büro Psyall Jensen Stahrenberg & Partner, Berlin) war und ist das am stärksten installierte Haus, aber sicher nicht das architektonisch attraktivste. Für Haus 3 wird die Wärme des Grundwassers mit Hilfe einer Wärmepumpe genutzt, die Wassererwärmung erfolgt durch Solarkollektoren.
Haus 4 musste zum Leidwesen des Büros Kilpper und Partner »aufgrund des Juryprotokolls, der Bauordnung und Sparmaßnahmen« stark geändert werden. Es war geplant, die Wintergärten schräg zu verglasen, dies wurde den Stuttgartern jedoch ausgeredet. Die Bauherren wollten auch nicht, wie von den Architekten angeregt, auf den Fahrstuhl verzichten. Infolge der Sparmaßnahmen mussten die Wintergärten mit Einfachverglasung auskommen, außen liegender Sonnenschutz und Fußbodenheizung entfallen. Die Architekten beschrieben ihre Erfahrungen so: »Grundsätzlich ist die Initiative des Bundesbauministeriums zu begrüßen. Zu bedauern ist, dass es sich bei der Durchsetzung der Konzeption bei den Behörden und Bauträgern nicht stärker engagiert hat.«
Kernidee von Haus 5 mit Wintergärten im Norden und Süden war es, eine Kernzone zu schaffen. Die Architekten Manfred Schiedhelm und Karen Axelrad (Berlin) nahmen in Kauf, dass es bei extremen Temperaturen in den Räumen an der Fassade im Winter zu kalt und im Sommer bisweilen zu heiß sein würde. Die Außenwände bestehen aus fünfzig Zentimeter dicken Poroton-Ziegeln. Die ursprüngliche Planung einer an das Wasser des Landwehrkanals angeschlossenen Wärmepumpe wurde fallengelassen.
Projektablauf
Das Projekt begann mit einem vom Bundesbauministerium 1981 ausgelobten bundesweiten Ideenwettbewerb, für den sich 44 Gruppen aus Architekten, Ingenieuren und Baufirmen bewarben. 15 davon wurden für die zweite Bewertungsrunde ausgewählt. Danach sollte ein detailliertes und verbindliches Preisangebot für die Erstellung abgegeben werden. Die Angebotssumme war auf 3,5 Millionen DM pro Haus begrenzt. Bauherr war die TRIA Immobilienverwaltungs GmbH. Das Bauministerium hatte die Kosten der Ausschreibung und Auswahl, der späteren Erfolgskontrolle, sowie einen Zuschuss für die Energiesparmaßnahmen gewährt. Zu aufwändige oder unerprobte Verfahren wurden nicht umgesetzt. Im Auftrag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBRO) wurde vom Institut für Bauforschung in Hannover Planung, Ausführung und Nutzung der Häuser und ihrer energierelevanten Anlangen geprüft. Das Bundesbauministerium und das BBRO begleiteten das Projekt.
Städtebau
Als Reihe von Einzelbauten folgen die Energiesparhäuser dem Verlauf des Kanals in einem leichten Bogen. Die Gebäudeform war vom Städtebau genau determiniert und die »Stadtvillen« eine beliebte Typologie der IBA. In diesem Fall haben sie jeweils sechs Geschosse (mit je zwei Wohnungen) und sind mit zweigeschossigen Zwischenbauten, in denen ebenfalls Sozialwohnungen liegen, zu einem Riegel verbunden. Die Zwischenbauten gehörten nicht zum Energiesparkonzept und wurden nicht gefördert. Von allen Häusern geht der Ausblick nach Norden auf den Kanal; die schöne, aber auch die laute, unbesonnte Seite. Die Wohnungen konnten wegen des geringen Abstandes zwischen den Häusern nur nach Norden und Süden orientiert werden.
Schon zur Bauzeit und von den Architekten selbst wurde an dem Projekt kritisiert, dass es energiesparender gewesen wäre, die fünf Einzelhäuser zu einer Zeile zusammenzufassen.
Die IBA-Planer hatten fünf freistehende Häuser vorgesehen, da der Abstand der Häuser untereinander jedoch weniger als fünf Meter beträgt, konnte die Baugenehmigung letztlich nur für ein zusammenhängendes Haus erteilt werden.
Technik
Allen Häusern gemein war eine hohe Wärmedämmung von U=0,3–0,4 W/m2K für die Wände, weiterhin gute Wärmespeicherfähigkeit, passive Sonnenenergienutzung und »Wintergärten als thermische Puffer«. Das einfachste Mittel zum Energiesparen ist freilich eine günstige Grundrissdisposition: In Haus 1 und 2 liegen die Wohnräume nach Norden und die Schlafräume nach Süden, in Haus 3 ist es umgekehrt. Die meisten technischen Entscheidungen wurden aufgrund einer vorhergehenden Computersimulation des Energieverbrauchs gefällt, die sich im Nachhinein als weit ab von der Realität herausstellte. Auch die Energiewerte, die für Hilfsantriebe und Verluste der technischen Anlagen benötigt werden, wurden teilweise zu niedrig angesetzt.
Fazit
In drei Teilberichten haben die Ingenieure den Energieverbrauch der Häuser analysiert und 1988 einen Abschlussbericht vorgelegt.
Das Resultat: Haus 3 schnitt mit einem Energieverbrauch von 87 MWh/a am besten und Haus 1 mit 188 (also mehr als doppelt so viel) am schlechtesten ab. Ähnlich schlecht schnitten Haus 1 und ähnlich gut Haus 3 ab, Haus 4 liegt in der Mitte. Ein Ärgernis und eine Enttäuschung waren die hohe Störanfälligkeit der Geräte und die bis zu zehnmal höheren Wartungskosten. Wohnungsbesichtigungen und Befragungen ergaben, dass die Wintergärten falsch benutzt wurden. Die Temperaturen in den schwach gedämmten Wintergärten reichten von -13 °C im Winter bis +50 °C im Sommer. Die Gutachter vom Büro Klimasystemtechnik Esdorn Jahn Ingenieur-GmbH aus Berlin schlossen mit dem Fazit: »Die Wärmepumpentechnik wird noch nicht hinreichend beherrscht«, »auf Wintergärten sollte aus energetischer Sicht verzichtet werden.«
Der Großversuch mag damit weitgehend gescheitert sein, aber dennoch sind im Zuge dieses Versuchsbauvorhabens fünf auch heute noch ansehnliche und hinter ihrer mittlerweile üppigen umgebenden Vegetation kaum mehr auszumachende Wohnhäuser entstanden. Dass darin extrem hoch subventionierte Sozialwohnungen liegen, macht sie zu Zeitzeugen einer untergegangenen Epoche des innerstädtischen Bauens in Berlin.
Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de