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Schweizer Schmuck-kästchen

Kleinbauten in Zürich und Genf
Schweizer Schmuck-kästchen

Sie sind klein, aber deshalb nicht unauffällig. Öffentliche Toilettenanlagen oder Kioske stehen oft an exponierten Stellen – mitten auf öffentlichen Plätzen etwa oder, wie in diesem Fall auch Bootshäuser, an Uferpromenaden. Um die Erscheinung der kleinformatigen Bauten im Stadtbild nicht dem Zufall zu überlassen, haben die Städte Zürich und Genf vor drei Jahren unabhängig voneinander Architekturwettbewerbe lanciert. Gesucht war ein diskretes, aber auch einheitliches, unverwechselbares Design. Erste Bauten nach den neuen Gestaltungsspielregeln sind nun realisiert.

    • Architekten Zürich: stoosarchitekten Tragwerksplanung Zürich: Mebatech AG

  • Architekten Genf: Bakker & Blanc Tragwerksplanung Genf: Alho / Serrurerie 2000
  • Text: Ulrike Schettler Fotos: Reinhard Zimmermann (Zürich), Bakker & Blanc Architekten (Genf)
Über einen Wettbewerb suchte das Zürcher Amt für Hochbauten architektonische Lösungen für ein Bootshaus, eine öffentliche Toilette und einen Kiosk an drei konkreten Standorten in Zürich. Als Prototypen sollten diese zum Designvorbild für rund achtzig Prozent der künftig geplanten Kleinbauten mit diesen Funktionen in der Stadt werden. Orte, an denen sich das Corporate Design nicht anwenden lässt und stattdessen Ausnahmen nötig sind, wird es weiterhin geben.
Stoos Architekten aus dem aargauischen Brugg hatten zusammen mit dem Zürcher Designbüro Tribecraft AG den Architekturwettbewerb für sich entschieden. Basierend auf ihrer eingereichten Arbeit wurden Prototypen realisiert und ein Handbuch entwickelt, das den Planungsverantwortlichen der Stadt als Vorlage für jedes neue Bootshaus, WC oder jeden neuen Kiosk dient. Es enthält verschiedene Bauformen, Grundrissvarianten und Materialkombinationen. Aus diesen lassen sich die verschiedenen Bautypen zusammensetzen: Für einen Kiosk ist beispielsweise ein flacher Baukörper auf polygonaler Grundfläche mit einladend nach oben geneigtem Vordach geplant. Ein WC hingegen erhält ein nach unten geneigtes, »behütend« wirkendes Vordach. Und die bewegte Dachfläche aus unterschiedlich steil geneigten Vordächern, die laut Architekten an ein sich in der Seebrise bewegendes Blatt erinnern soll, ist für ein Bootshaus vorgesehen, jeweils auf rechteckigem Grundriss. Für die Materialisierung der Gebäudehüllen stehen Glas, farbig gestrichene oder lasierte Grobspanplatten, Messingblech und verzinkter Stahl zur Auswahl.
2005 wurde am Albisriederplatz in Zürich der erste WC-Prototyp realisiert, und spaziert man heute entlang der Uferpromenade im Zürcher Seefeld, kann man eine ganze Reihe neuer Kleinbauten – zwei WC-Häuschen und zwei Bootsvermietungen – in neuer Optik entdecken. Doch ein wenig trauert man den abgebrochenen, charmanten alten Bootshäusern aus Holz nach. Da eine Renovierung der stark sanierungsbedürftigen Bauten aber unverhältnismäßig teuer gekommen wäre, hatte man sich für einen ›
› Ersatz entschieden. Von ehemals sechs alten Bootsvermietungen sind zwei inzwischen neu errichtet, zwei weitere werden demnächst ersetzt und die zwei übrigen werden aus Kostengründen ersatzlos entfernt.
Stilverwandtschaft von WC und Bootshaus
Die beiden bereits realisierten Corporate-Design-Bootshäuser schaukeln wie schwimmende Schmuckkästchen auf den sanierten Betonflossen im Wasser. Sie bestehen aus Stahlkonstruktionen, über die sich Hüllen aus vorpatiniertem Messing und Glas stülpen. Silbern lasierte Grobspanplatten und die allgegenwärtige Seesicht durch die raumhohen Fensteröffnungen prägen die schlichten Innenräume. Die Bootshäuser bieten neben einem Ausgabetresen auch einen Bereich mit Sitzgelegenheiten, ein Büro und Lagerfläche. Ein WC hingegen fehlt im reduzierten Raumprogramm. Die Besucher können die nahe gelegenen, öffentlichen Toilettenhäuschen benutzen. Ihre Fassadenoberfläche besteht aus Chromstahl beziehungsweise Glas vor grün gestrichenen Grobspanplatten.
Trotz der Unterschiede beider Bautypen ist die Stilverwandtschaft spürbar. Vorteil des Handbuchs ist aber nicht nur die ästhetische Vereinheitlichung, sondern auch die Kosteneinsparung. Wenn nicht bei jedem Gebäude mit der Entwurfsarbeit wieder von vorne begonnen werden muss, lassen sich natürlich Planungskosten sparen. Bisher ging die Rechnung auf: Nachdem das erste Bootshaus beispielsweise eine knappe Million Schweizer Franken kostete, musste die Stadt für die zweite Bootsvermietung bereits um die zwanzig Prozent weniger ausgeben.
In naher Zukunft ist neben dem Bau zweier weiterer Bootsvermietungen (beim Seebad Enge und in der Limmat ) noch der Ersatz von vier bestehenden Kiosken in der Stadt durch Neubauten im Corporate Design geplant: zwei am Bellevueplatz, einer im Hafen Enge und einer in der Allmend Brunau. Letzterer liegt etwas außerhalb der Innenstadt, was die Flexibilität des Baukastens auf die Probe stellen wird. Denn die Stadt verlangt dort eine »ländlichere« Architektursprache als diejenige der innerstädtischen Kleinbauten. Vermutlich wird statt der Messing-Glas-Hülle eine einfachere Holzverkleidung angebracht werden. Doch Architekt Jann Stoos ist überzeugt, dass die Verwandtschaft mit den anderen Kleinbauten auch erkennbar bleibt, wenn nur einzelne Teile des Baukastens verwendet werden. »Die Wandelbarkeit gehört zum Konzept, es muss und soll nicht immer gleich bleiben, eine Weiterentwicklung ist möglich.« ›
Das Genfer konzept
Ganz anders sind die Resultate für das Corporate-Design der Kleinbauten in Genf ausgefallen. Ebenfalls im Jahre 2004 wurde ein Projektwettbewerb durchgeführt, mit dem Ziel, Gestaltungsvorgaben für zwanzig Pavillons entlang der Uferpromenade im Genfer Seebecken zu erhalten. Das Besondere an der Aufgabe in der Kantonshauptstadt war allerdings, dass die Kleinbauten am See nur temporären Charakter haben: Jeden Herbst werden sie abgebaut und per Lastwagen bis zum Frühsommer ins Winterlager gebracht. Während der kalten Jahreszeit wird so am Seeufer Platz geschaffen für die Boote, die für Unterhaltsarbeiten aus dem Wasser geholt werden müssen. Eine möglichst schnelle Montage der Kleinbauten war darum eine Bedingung der Wettbewerbsaufgabe.
Das Siegerprojekt von Bakker & Blanc Architekten aus Lausanne schlägt einen einzigen Gebäudetyp für sämtliche Nutzungen vor, der lediglich bezüglich Größe und Umgebungsgestaltung variiert. Noch stehen die alten Häuschen und Pavillons am Seeufer, erst einer wurde vor zwei Jahren durch den Prototyp der künftigen neuen Serie ersetzt. Während die Bestandsgebäude die Sicht auf den See versperren, ist der Neubau mit der Schmalseite zum See hin positioniert, was den Spaziergängern mehr freie Sicht aufs Wasser ermöglicht.
Der Gebäudetyp ist modular aufgebaut und kann je nach Bedarf vergrößert werden. Ein behindertengerecht gebautes WC beispielsweise ist mit seinen Grundmaßen von 2 mal 2,80 Metern die kleinste Einheit, beim Kiosk kommen weitere Einheiten dazu. Der Prototyp, der als Verpflegungsstand genutzt wird, stellt mit einer Länge von rund zehn Metern und einer Breite von 2,80 Metern die größtmögliche der vorgesehenen Varianten dar.
Bakker & Blanc Architekten haben einen schlichten Grundtyp entworfen, eine aufs Minimum reduzierte Hausform mit leicht geneigtem Satteldach, kubisch auf rechteckiger Grundfläche, ohne Dachvorsprung oder Vordach und komplett mit 1,2 Millimeter dicken Bronzeplatten umhüllt. Sie wurden auf Sandwichpaneele montiert und fugenlos aneinandergestoßen. Einzelne Fassadenelemente sind zum Aufklappen, um die Öffnungen für die Verkaufsfenster oder Ein- und Ausgänge frei zu geben. Ergänzt wird der Prototyp durch ein textiles Sonnendach, in dessen Schatten Tische und Stühle zum längeren Verweilen einladen. Wenn abends die Öffnungsklappen geschlossen werden, bleibt ein schlichter Bronzekubus zurück. ›
› »Wir haben Objekte mit zwei Gesichtern entworfen«, erklärt Architekt Marco Bakker. »Tagsüber sind sie geprägt vom Betreiber, der das Innere der Pavillons frei gestalten soll. Und nachts werden sie zu gleichförmigen Objekten, die dem öffentlichen städtischen Raum zugeordnet werden. Die Pavillons am Seeufer sehen wir als eine Weiterführung der städtischen Bronzeskulpturen .«
in der Kritik
Zur Realisierung weiterer Kleinbauten kam es bislang allerdings nicht. Der Prototyp hat eine Kontroverse ausgelöst. Er wirke abweisend und militärisch, sagen Stimmen aus der Bevölkerung. Und auch die Bronzehülle stieß auf Widerstand: Solange die Bauten neu sind, schimmert die Oberfläche golden, was den Genfern etwas zu protzig erscheint. Später wird das Metall mit der Verwitterung dunkelbraun, was wiederum zu finster wirkt. Anders materialisiert und mit einer etwas lieblicheren Form sollen die künftigen Bauten deshalb daherkommen. Die Architekten erhielten den Auftrag, das Projekt dahin gehend zu überarbeiten. Anfang nächsten Jahres soll über die angepasste Variante entschieden werden. Wenn alles nach Plan verläuft, rollen im Frühling 2009 die Lastwagen mit den neuen Häuschen an. •
  • Zürich (Prototyp Bootshaus): Bauherr: Stadt Zürich Architekten: stoosarchitekten, René Stoos dipl. Arch ETH SIA BSA, Zürich Projekt-/Bauleiter: Urs Dauwalder, stoosarchitekten; Unirenova, Zürich Mitarbeiter: Jann Stoos Tragwerksplanung: Metabech AG, Baden Corporate Design: ARGE mit Tribecraft AG, Zürich Farbberatung: Jean Pfaff, Zürich/E-Ventallo Haustechnik (HLS): Waldhauser Haustechnik AG, Basel Nutzfläche: 46 m² Bruttorauminhalt: 110 m³ Baukosten: 270 000 Euro Bauzeit: Januar–Juni 2006 (Utoquai), Januar–Juni 2007 (Seefeld)
  • Beteiligte Firmen: Tragkonstruktion vorgefertigte Bauelemente/Fassade: Dätwyler Metallbau AG, Zürich Dach (Eindeckung, Oberlichter etc.): Barfo AG, Küsnacht Böden: 3 K Öko Bodenbeläge, Fahrweid Licht/Leuchten: Nordlux, Sarnen
  • Genf (Prototyp Restaurant): Bauherr: Stadt Genf Architekten: Bakker & Blanc, Lausanne/Zürich Mitarbeiter: Thierry Sermet (Projekt-/Bauleiter), Nuala Collins Tragwerksplanung: Alho Systembau GmbH, Wikon (CH); Serrurerie 2000, Genf Nutzfläche: 28 m² Bruttorauminhalt: 73 m³ Baukosten: 258 393 Euro Bauzeit: 2005
  • Beteiligte Firmen: Alho Systembau GmbH, Wikon (CH); Serrurerie 2000, Genf
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