1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Architektur » Hotel | Gastronomie »

Wie man sich bettet …

Hotelträume und Rentabilität
Wie man sich bettet …

Anlässlich der jährlichen Immobilienmesse MIPIM in Cannes erhielt in diesem Frühjahr mit dem Mövenpick Hotel im Wasserturm Hamburg ein eher kleineres Projekt den MIPIM Award 2008 in der Sparte Hotels. Sicher auch aufgrund der ungewöhnlichen Projektidee konnte es sich nicht nur gegen die Konkurrenz der ebenfalls eher kleineren Projekte, wie des nach Brand- schäden wiederaufgebauten und erweiterten Schlosshotels Elmau (Allmann, Sattler, Wappner) und eines Hotelneubaus in Bordeaux, sondern gegen internationale Hotelgroßprojekte durchsetzen. Auch wenn ringsum im Palais des Festivals und Sonderzelten auf zehn Hektar Ausstellungsfläche Turmhäuser und neue Städte in glänzenden Modellen in den Himmel wuchsen, von der Golfregion über Krasnodar bis Shanghai, das Herz der gut 29 000 Messeteilnehmer, die abstimmten, hing am Überschaubaren.

Gudrun Escher

Dass es einfacher ist, neue Hoteltürme wie den fast gleichzeitig 2007 eröffneten des »Empire Riverside Hamburg« in der Nähe der Hafencity (Architekt: David Chipperfield) zu bauen, war den Immobilienspezialisten wohl bewusst. Im Übrigen widmeten sie sich eher lukrativeren Großprojekten in Osteuropa, etwa in Kaliningrad, wo Hilton zur Messe einen Vertrag für ein Hotel in der noch zu rekonstruierenden Königsberger »Altstadt« (sic!) unterschrieben hat, oder in Moskau. Allein in Moskau stieg im vergangenen Jahr der Immobilienwert von Hotels um 14,3 %, da an diesen großer Mangel herrscht – selbst nach Eröffnung des neuen, auf alt getrimmten Ritz-Carlton anstelle des Intourist gegenüber dem Kreml, das für 160 Millionen Euro an ein Konsortium von Merrill Lynch und Aareal Bank veräußert wurde.
In den wichtigsten deutschen Hotelmärkten sind nach Recherchen des Beratungsunternehmens PKF weitere 79 Hotels mit insgesamt rund 14 200 Zimmern geplant. Die größten Zuwächse mit rund 23 Projekten, davon allein elf Hotels mit 2 800 Zimmern in 2010, werden in Berlin erwartet. Viele internationale Marken drängen in die deutsche Hauptstadt, weniger ob der Renditeaussichten, die eher gering sind, sondern weil die Präsenz vor Ort als Muss betrachtet wird.
Geschichts- und rentabilitätsaspekte
Im Unterschied zu den MIPIM Awards in anderen Sparten spiegeln sich bei den Hotels immer wieder romantische Träumereien. Ein Hotelhochhaus war zuletzt 2003 mit den Chicago Watertowers erfolgreich, 2007 errang eine zum Hotel umgebaute mittelalterliche Burg in Oxford die Gunst des Publikums, davor die Frankfurter Villa Kennedy, eine Art Dornröschenschloss. 2004 punktete der Initiator geschlossener Immobilienfonds, Anno August Jagdfeld – auch ein Hotelträumer –, mit dem Grand Hotel Heiligendamm. Gemeinsam mit Kempinski hatte er bereits das Adlon in Berlin wiederaufgebaut. Beide Häuser taten sich anfangs schwer, aber in Berlin bewährte sich, ohne hier näher auf die Problematik von Denkmalschutz und Rekonstruktion eingehen zu wollen, die Aura der Geschichte.
In Heiligendamm ist man inzwischen mit einer Belegungsrate von 55 % schon hoch zufrieden. Sonst gelten 60 % als unterste Grenze der Rentabilität, erst recht, wenn wie in Heiligendamm statt des traditionellen Pachtvertrags mit festem Mietzins ein international üblicher, erfolgsabhängiger Managementvertrag vereinbart wurde. Dabei partizipiert der Eigentümer am Erfolg. Anlässlich des »Hotel & Tourism Day« in Cannes erläuterte der Entwicklungschef von Marriott International, Markus Lehnert, die Expansionsstrategien großer Hotelmarken vom Zukauf bis zur Etablierung neuer Märkte und zitierte dabei eine Redensart, die zu denken gibt: Ein Hotel »müsse erst zweimal pleite gegangen sein, ehe es richtig läuft«. Tatsächlich ging das Kurhotel Heiligendamm in seiner zweihundertjährigen Geschichte mehrfach in Konkurs. Der letzte »Betreiber«, der staatliche Kurbetrieb der DDR, wusste zwar von Rentabilitätskriterien wenig, dafür aber, dank intimer Überwachung, alles von den kurenden Genossen. Die Umnutzung zum Luxushotel, die das Aussperren des gemeinen Volkes bedeutete, gab Anlass zu heftigen Kontroversen und belastet das Objekt bis heute.
Auf vergleichbaren Widerstand stieß ein anderer Hotelträumer, der Baustatiker Ernst-Joachim Storr aus München. Er »erlöste« 1990, vielleicht inspiriert durch das gleichzeitig eröffnete Hotel im Wasserturm in Köln (Umbau Andrée Putmann), die Wasserwerke der Stadt Hamburg von der Altlast des denkmalgeschützten Wasserturms im Schanzenviertel. Dieser bestand aus einem wie eine Zisterne in den Hügel der Sternschanze eingelassenen Erdspeicher von 1863 mit 124 Kreuzgewölben und darüber dem achtseitigen, sechzig Meter hohen Ziegelbau des Hochspeichers von 1910, in den zwei Stahlwannen je 2300 Kubikmeter Fassungsvermögen eingehängt waren. Seit der Stilllegung 1961 war der Park ringsum zu Rückzugsraum von Alternativen geworden, die, als die Pläne für das Vier-Sterne-Plus-Hotel ruchbar wurden, ihr Territorium verteidigten. Das bedeutete unter anderem Baustellenbetrieb unter Polizeischutz, obgleich 1996 eine Spende von einer Million Euro für soziale und kulturelle Projekte zum Bestandteil des städtebaulichen Vertrages mit dem zuständigen Bezirk Elmsbüttel gemacht worden war und 2004 auch ausgegeben wurde.
Zu diesem Zeitpunkt wurde der Bau gerade erst begonnen, denn Storr hatte nach mehreren vergeblichen Versuchen erst 2002 mit der Immobilienaktiengesellschaft Patrizia aus Augsburg den Finanzpartner und 2003 mit Mövenpick den Hotelbetreiber gefunden. Gemeinsam mit dem im Hotelbau erfahrenen, von Storr direkt beauftragten Münchner Architekten Falk von Tettenborn arbeitete man daran, Wirtschaftlichkeit und Anspruch in Einklang zu bringen. Man habe – bei Baukosten von 40 Millionen Euro – um jeden Zentimeter gefeilscht, heißt es, denn bei einem gut strukturierten Hotel sollte die Summe der Nebenflächen nicht größer sein als die Nettofläche der 226 Zimmer und fünf Suiten, darunter zwei mit Rundumblick in der aus Brandschutzgründen rekonstruierten Turmspitze.
In die in der Gewölbehalle des alten Erdspeichers gelegene Lobby gelangt man, da der Park um den Turm möglichst unangetastet bleiben sollte, von einem Eingangspavillon aus unterirdisch über 25 Meter lange Rollbänder. Unterirdisch liegt auch die »Cave-Bar«, die als »Sky-Bar« geplant, ertragreicheren Suiten weichen musste. Ob das Ganze eine Rendite abwirft, wird sich erst nach einigen Jahren zeigen. Der Patrizia AG hat der MIPIM Award noch wenig gebracht, die Börsenkurse schwächeln und die Zahlung der jährlichen Dividende wurde ausgesetzt. Mehr Nutzen bringt er Architekten, die sich professionell auf dem Immobilienparkett bewegen.
Hotelwerbung zielt auf das jeweils Besondere, sei es eine streng ökologische Ausrichtung oder eine extravagante Architektur. Aber, so Hotelexperte Matthias Niemeyer von der STIWA Immobilienmanagement & Consulting »Der Gast muss dafür zahlen wollen, denn jede nicht vermietete Nacht ist verloren.« Hotelentwicklung ist ein sensibles Geschäft. Das spräche dafür, dass nur erfahrene Experten ein Hotelprojekt in Angriff nehmen sollten, aber Markenhotels machen in Deutschland nur 28 % aus gegenüber 70 % in den USA. Tatsächlich ist das Wissen um Hotelimmobilien so wenig verbreitet, dass zum Frühjahr 2008 nicht nur für Betriebswirtschaftler und Hotelmanager, sondern auch für Architekten der erste Masterstudiengang »Hospitality Real Estate« an der Fachhochschule Bad Honnef eingerichtet wurde. Das Programm deckt alle relevanten Felder ab von Marktrecherche und Finanzierung über Hotelarchitektur und Einrichtung bis zum Management, betreut von Fachleuten aus der Hotelpraxis. Dabei spielen so schnöde Dinge wie Verbrauchsfaktoren von durchschnittlich 30 Kilowattstunden Strom und 1000 Liter Wasser je Übernachtung eine nicht unwesentliche Rolle. Eine wichtige Aufgabe für künftige Absolventen ist die Arbeit im Bestand, denn im Unterschied zu anderen Immobilienarten beginnt bei Hotels schon ab dem fünften Betriebsjahr die Erneuerungsphase, oder komplizierte Umnutzungen sind zu bewältigen. Markus Lehnert behauptete übrigens auch, es sei schon vieles zu Hotels umfunktioniert worden, wie eben ein Wasserturm, aber noch nie ein Hotel zum Bürohaus. •
Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de