Wie fast überall sind auch in Österreich (an insgesamt sieben Standorten) die blau-gelben Wellblechkästen an den Stadträndern nicht zu übersehen. Weltweit gibt es mehr als 400 davon. Aber das Modell, mit dem eigenen Auto nach »Suburbia« zum Einkaufen zu fahren, passt nicht mehr zur Lebensweise vieler Großstadtbewohner, die mittlerweile häufig gar kein Auto mehr besitzen. Das schwedische Möbelhaus reagiert auf diese Entwicklung und folgt seinen Kunden in die Innenstädte.
Am Wiener Westbahnhof haben querkraft architekten einen Möbelmarkt neuen Typs realisiert, an dem keine Parkplätze zur Verfügung gestellt werden und der dadurch nur zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist. Die Architekten aus Wien hatten sich 2017 in einem geladenen Wettbewerb mit ihrem Entwurf eines »freundlichen Nachbarn« durchgesetzt.
Die Stahlbetonstützen des realisierten Neubaus, dessen beide oberen Etagen als Hostel mit 345 Betten dienen, folgen einem Raster von ca. 10 x 10 m, die Haustechnik blieb sichtbar. In den unteren vier Stockwerken des Möbelmarkts erlaubt ein Luftraum Blickbeziehungen zwischen den Geschossen. Der recht rohe Stahlbetonbau ist von einer 4,3 m tiefen, regalartigen weißen Stahlkonstruktion, die sich auch über die Dachfläche zieht, umhüllt. Darin finden Loggien, Bepflanzungen, Aufzüge, Fluchttreppen und Haustechnik ihren Platz. Als quasi dreidimensionale Stahl-Glas-Fassade lässt sie den Bau tatsächlich, wie von den Architekten beabsichtigt, »porös, offen und grün« wirken. Die Stahlregale, aus denen IKEA-Kunden ihre Bausätze fischen, dienten querkraft architekten dafür als Inspiration.
An den Arkaden im EG finden sich auch ein Friseur, ein Bäcker und ein Hörgeräteakustiker, die alle durch den Abriss des »Blauen Hauses«, das zuvor auf dem Grundstück stand, ihre Geschäftsräume verloren hatten. Die Dachterrasse ist öffentlich zugänglich und wurde ebenso wie die »Regalfächer« der Fassade mit Rankpflanzen und Bäumen in übergroßen weißen »Blumentöpfen« ausgestattet.
Rechtzeitig zum 70. Geburtstag des IKEA-Katalogs hat Wien ein autofreies, innerstädtisches Möbelhaus bekommen, in dem der moderne Urbanist Kleinmöbel kaufen und sie mit der U-Bahn nach Hause bringen kann. Größeres Mobiliar wird geliefert. Viele Besucher nutzen für ihre Mittagspause die Möbelhausgastronomie. Und obwohl es auch hier wie an jedem anderen Ikea-Standort v. a. Hotdogs, Haferkekse und Köttbullar zu essen gibt, ist der urbane Abholmarkt ein gelungener Beitrag für die Zukunft des Handels.
Standort: Europaplatz 1, A-1150 Wien
Architekten: querkraft architekten, Wien
Eröffnung: August 2021
Zur Projekt-Website von querkraft architekten: https://www.querkraft.at/projekte/ikea-city-center
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