Der altersschwache Vorgängerbau vom Anfang der 60er Jahre bot zwar die nötigen Räumlichkeiten für Verwaltung und Seminarbetrieb, fiel jedoch dem inzwischen auch auf der evangelischen Kirche lastenden ökonomischen Druck zum Opfer. Der Neubau ist auf die Reste einer mittelalterlichen Klosteranlage ausgerichtet und dadurch leicht gegen den streng gerasterten Stadtgrundriss verschwenkt. Daraus ergeben sich reizvolle und dramaturgisch sinnfällige Aufweitungen des Straßenraums. Dennoch entsteht nirgends der Eindruck eines Fremdkörpers im Stadtgefüge, denn Körnung und Proportion stimmen. Die fast weiße Backsteinhaut bringt auf selbstverständlich wirkende Art Helligkeit ins Viertel und signalisiert Festigkeit. Aspekte, die dem kirchlichen Bauherrn entgegenkommen, wie auch die klösterliche Selbstbezogenheit der gesamten Anlage. So ist der öffentlich zugängliche Innenhof gar nicht durch das einladende Tor zu erreichen, sondern wie ein Kreuzgang durch Tür, Windfang und Foyer. Die Besucher sollen mit den Themen und Veranstaltungen des Hauses in Berührung kommen, Unruhe und Unrat aber draußen lassen. Das Innere gibt sich sachlich, fast ein wenig kühl. Architekt und Bauherr sprachen peinlich genau ab, wie und wo zu sparen und wie mit wenig viel zu erreichen sei. Man rühmt sich, Kostenrahmen und Bauzeit eingehalten, die DGNB-Zertifizierung zwar umgangen, aber in etwa einen Standard knapp unter »Gold« erreicht zu haben. So überrascht es nicht, dass Weiheformeln gänzlich fehlen. Die Atmosphäre ist angenehm, hell, einladend – weiß gestrichene Wände, rotes Linoleum, helle Natursteinbeläge und Hölzer. Die Foyers vor den Seminarräumen im EG profitieren vom direkten Zugang zum Hof. Eine erlebnishafte Treppenskulptur führt hinauf zum flexibel nutzbaren Saal auf quadratischem Grundriss, wo eine Welle aus Holzlatten die Deckenuntersicht bildet und das einfallende Zenitallicht filtert. So gut die protestantische Zurückhaltung dem Viertel tut, so froh stimmen verschiedenerlei Details aus dem bekannten Vokabular des Büros LRO – seitlich aus den Wänden herausgedrehte Lichtschächte, frei gestaltete Dächlein über den Fenstern, Sitznischen in Erkern nach Art mittelalterlicher Fensterbänke – denn sie signalisieren, dass die evangelische Landeskirche den freudlosen Bierernst des schwäbischen Pietismus hinter sich gelassen hat.
~Achim Geissinger
- Standort: Büchsenstraße 33, 70174 Stuttgart
Architekten: LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei Architekten, Stuttgart
Bauzeit: Mai 2012 bis März 2014
db deutsche bauzeitung 08|2014