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Kindertagesstätte in Schwäbisch Hall, K9 Architekten

Kindertagesstätte in Schwäbisch Hall-Hessental von K9 Architekten
Auffällig unauffällig

Öffentliches Bauen hat seine Vor- und Nachteile. Wenn Bauherr, Nutzer und Architekt Hand in Hand arbeiten, kann sich das sehen lassen. Mit dem Kinderhaus in Schwäbisch Hall entstand ein Gebäude, das Kindern und Eltern Freude macht, dem Personal die Arbeit erleichtert und auch der Umgebung gut zu Gesicht steht.

Kritik: Anke Geldmacher

Die »Tageseinrichtung für Kinder am Solpark« befindet sich in Schwäbisch Hall-Hessental, dem größten Stadtteil der, anders als der Name es vermuten lässt, eher fränkisch geprägten Stadt. Wie viele Kommunen kommt auch die große Kreisstadt dem Andrang an Kinderbetreuungsplätze kaum hinterher. Hier sind bekannte große Arbeitgeber sowie zahlreiche »Hidden Champions« angesiedelt. Bei den steigenden Miet- und Baupreisen ist einigen auch die gute Stunde Fahrt bis Stuttgart einen Umzug ins Hohenlohische wert. Die Einwohnerzahlen steigen, die Kitaplätze sind knapp – kein seltenes Bild. Ein schwarzer Kindergarten dagegen schon.

Auf den ersten Blick ist die Lage des 2020 eröffneten Kinderhauses zugegeben nicht besonders einladend: Zur einen Seite ein Industriegebiet, nicht weit vom Flugplatz, zur anderen Seite typische Neubaugebiete. Doch durch eben diese Neubaugebiete und auch für die Angestellten der zahlreichen Firmen besteht genau hier Bedarf. Zudem schimpft ein Fachhandel für Elektromotoren wohl eher weniger über spielende Kinder. Und dann wartet das Grundstück natürlich mit dem größten Pluspunkt auf: Platz. Sicher hätte man auf weniger Fläche auch bauen können, eine eingeschossige Anlage bietet aber insbesondere bei Kindergärten mehrere Vorteile: Komplizierte Rettungswege entfallen, Treppengitter und andere Sicherungsmaßnahmen sind nicht nötig, alle haben gleichermaßen Zugang zum Garten, auch ein Treffen und Mischen der Gruppen ist – sofern die aktuelle Pandemie es zulässt – wesentlich einfacher. »In der ersten Euphorie plant man eine Rutsche von einem Geschoss ins andere, aber in der Realität ist das alles viel zu kompliziert«, sagt Architekt Wolfgang Borgards.

Auffällig unauffällig

Zwischen den Werkshallen, Büros und etwas weiter weg den Wohnhäusern entdeckt man den eingeschossigen Baukörper gar nicht sofort. Wenn man den schwarzen Holzbau aber gefunden hat, passt dieser doch genau so hierhin und wirkt alles andere als unscheinbar. Die dunkle Fassade ist ungewöhnlich, vor allem für ein Kinderhaus. Wolfgang Borgards vergleicht sie mit einem »etwas größeren Gartenzaun«. Er darf das sagen, sein Büro K9 Architekten hat das Kinderhaus entworfen. Durch die Holzmaserung, die hellen Einschnitte, großzügigen Fenster und die angedeuteten Giebel erhält es einen einladenden, fast schon warmen Charakter. In das doch zahlreich vorhandene Grün der Umgebung fügt sich das Schwarz wunderbar ein und fällt ins Auge, ohne sich aufzudrängen. Die weißen Fenster – wegen des Witterungsschutzes aus Aluminium – wirken auf dem dunklen Hintergrund fast noch ein bisschen weißer. Die Dachaufsätze geben dem Baukörper Struktur und lassen ihn beinahe wie kleine Häuser wirken, was sich im Innern noch deutlicher abzeichnet. Die Flachdächer sind begrünt, auf den Schrägdächern befinden sich Solarpaneele.

Gestaltung oder Funktion? Beides!

Während das Haus zur Straße und zu den Seiten noch nicht viel preisgibt, öffnet es sich auf der Gartenseite umso mehr. Die Flügel rahmen den Garten ein, alles scheint nach draußen zu drängen. Durch die großen Einschnitte und Rücksprünge sind die Fenster und Türen hier geschützter und daher in Lärchenholz ausgeführt. Das macht das Ganze noch wärmer und irgendwie auch kindgerechter. Im Mittelpunkt der Außenanlage steht das obligatorische Klettergerüst, auffällig und prägend sind aber auch die zwei riesigen erhaltenen Apfelbäume. Eine Saftpresse war zum Zeitpunkt der Besichtigung gerade bestellt, die ersten Apfelkuchen bereits mit den Kindern gebacken. Ursprünglich sollte ein dritter Baum erhalten bleiben, dieser stand dann aber doch zu nah an der Fassade der Kleinkindgruppe und wurde durch einen neu gepflanzten ersetzt. Am Rand verläuft eine »Rennstrecke«, die mit ihrer geringen Steigung ideal für Bobbycar, Roller und Co. geeignet ist. Bis auf das Klettergerüst ist der Außenbereich eher frei und lässt Platz für eigene Spiele und Ideen. Auch die Trennung zwischen den über und unter Dreijährigen fällt mit einem kleinen Höhenunterschied sehr dezent aus. Beide Bereiche haben eigene vorgelagerte Terrassen. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man in den Holzfassaden mehrere Türen, die praktische Lagerflächen beherbergen. Die Frage nach Gestaltung oder Funktion wird im Kinderhaus mit einem klaren »beides!« beantwortet.

Schloss oder Dorf?

Der großzügig bemessene, helle Eingang lädt mit einer langen Bank, zum Verweilen ein, obwohl es sich lohnt, hineinzugehen. Die drei Satteldächer – zwei an der Straßenfront, eines am hinteren Teil – lassen die Struktur schon etwas erahnen. Die kleinteilige Gliederung erinnert an ein Dorf, K9 Architekten reden auch von Schlossflügeln. Das klingt etwas sehr herrschaftlich, macht aber durchaus Sinn. Das erste »Haus« beherbergt den gemeinschaftlich genutzten Teil. Wenn nicht gerade coronabedingt die Hintertüren genutzt werden müssen, kommen die Kinder hier an und verteilen sich auf die Gruppen. Dieses Foyer ist relativ groß bemessen und kann für Veranstaltungen sogar noch größer werden, indem der daran anschließende Essensraum zugeschaltet wird. In Anbetracht der drei Krippengruppen (unter drei Jahre) im hinteren Haus und vier Ü3-Gruppen im zweiten vorderen Haus mit Platz für insgesamt 130 Kinder macht es aber durchaus Sinn. Dank der Dorf-, Häuser- oder Schloss-Struktur hat man nie das Gefühl der Massenabfertigung, es verläuft sich.

Zwischen den Häusern befinden sich die Flure, Garderoben und Nebenräume wie Sanitärbereiche oder Büros. Die Flure sind teilweise lang, dank Oberlichtern sowie bewusst platzierten Öffnungen und Blickachsen aber immer hell und freundlich. Wie schon die Fassaden, sind auch die Innenräume sehr geradlinig gestaltet, aber nie kahl oder kühl. Diese Einrichtung ist für Kinder gemacht, ohne das permanent herauszuschreien.

K9 Architekten ordnen Räume nach Funktionen

Farbe kam selbstverständlich auch zum Einsatz: In den Gruppen- und Gemeinschaftsräumen befinden sich meist vollflächig über eine Wand verteilt Einbauschränke, die mit fröhlichen, jedoch nicht zu grellen Farben akzentuiert sind. Während der Kleinkindbereich über klassische Gruppentrennungen verfügt, die durch Glastüren verbunden sind, gilt im Ü3-Bereich ein offenes Konzept. Die Räume sind nicht den Kindern zugeordnet, sondern den Funktionen. So suchen sich die Kleinen aus, ob ihnen eher nach Theater, Atelier oder Baustelle ist. Insgesamt hat man das angenehme Gefühl, dass sowohl der Innen- als auch der Außenbereich die Bühne für die Kinder ist; welches Stück gespielt wird, entscheiden sie selbst. Die Räume geben nicht zu viel vor, bieten aber jede Menge Möglichkeiten. Auch das Gebäude selbst soll als Inspiration und gutes Beispiel dienen. »Ich finde den Gedanken schön, dass die Kinder sagen: ›Ich hab hier ein einigermaßen schönes Haus, einen Holzbau, so geht Bauen auch‹‹ sagt Wolfgang Borgards. Vielleicht wird hier ja auch der eine oder andere Baumeister groß, den passenden Architektentisch gibt es im Baustellenzimmer bereits.

Selbstverständlich dreht sich vieles um die Kinder, gute Arbeitsbedingungen für das Personal sind aber ebenfalls wichtig. Ein schönes Beispiel, wie hier an Kinder und Erzieherinnen gleichermaßen gedacht wurde, sind die sogenannten Schleusen: Großzügig bemessene, helle Bereiche mit viel Platz für Gummistiefel und Matschhosen sowie die direkt angeschlossenen kleinen Sanitärräume machen den Kleinen Spaß und den Großen die Arbeit leichter.

Zufriedenheit auf allen Seiten

Dass hier alle berücksichtigt wurden, liegt u. a. an der guten Zusammenarbeit von Architekturbüro, Bauherr und Kinderhaus. Von Anfang an – den offenen Wettbewerb gewannen K9 Architekten 2017 – wurden alle Beteiligten mit ins Boot geholt. Doch es wäre kein öffentliches Bauen, wenn es nicht auch Kompromisse gäbe. Gerne hätten die Architekten in den Gruppenräumen die gleichen hochwertigen Holz-Akustikdecken wie in den Gemeinschaftsräumen verwendet und auch die Industrie-Oberlichter waren nicht die erste Wahl. Im Endeffekt war es ein Abwägen, an welchen Stellen der Mehrwert besser eingesetzt war. Das Ergebnis ist ein ein wirklich schönes Haus – mit Gestaltungswillen und ästhetischem Anspruch, jedoch ohne Eitelkeiten.


Fakten

Standort: Geschwister-Scholl-Straße 67, 74523 Schwäbisch Hall-Hessental

Bauherr: Stadt Schwäbisch Hall, Fachbereich Planen und Bauen, Abteilung Hochbau
Architekten: K9 Architekten, Freiburg, Webseite des Büros
Mitarbeiter: Sirka Eggers, Klemens Harzer, Kathrin Rosenberger, Hannes Siefert
Bauleitung: Schukraft Architektur, Schwäbisch Hall
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Hartmut Baumann, Schwäbisch Hall
Statik Pfahlgründung: IGB Ingenieurbüro Bauen, Schwäbisch Hall
HLS-Planung: IB Metzger Beratende Ingenieure, Weikersheim
Bauphysik: Stahl+Weiß, Freiburg
Brandschutzplanung: Brandschutzconsult GmbH & Co. KG, Vaihingen an der Enz
Küchenplanung: Ingenieurbüro Bliestle, St. Georgen
Landschaftsarchitektur/Freiraumgestaltung: frei raum concept, Rottenburg
BGF: 1 927 m²
BRI: 8 116 m³
Baukosten: 6,06 Mio. Euro
Bauzeit: Oktober 2018 bis Juli 2020

Fotos: Yohan Zerdoun

Beteiligte Firmen
Putze, Wandbeschichtungen: Adler
Bodenbelag: nora systems
Sonnenschutz: Warema
Akustikdecken: Lignotrend
Beleuchtung: Trilux; iGuzzini
Beschläge: FSB Franz Schneider Brakel
Sanitärkeramik: Duravit, Alape, Geberit
Armaturen: Hansa
Lichtschalter, Elektroinstallation: Gira
WC-Trennwände: Schäfer Trennwandsysteme, Horhausen


K9 Architekten


Marc Lösch

Architekturstudium an der Fachhochschule Konstanz, 1996 Diplom. 1993-2003 Mitarbeit bei Harter + Kanzler, Freiburg. 2003 Büro mit Wolfgang Borgards und Manfred Piribauer.


Wolfgang Borgards

Architekturstudium an der Universität Karlsruhe und am Instituto Universario di Venezia, 1995 Diplom. 1995 Mitarbeit an den Städtischen Bühnen Freiburg. 1996 Mitarbeit bei Harter + Kanzler, Freiburg. 2001 Büro mit Manfred Piribauer.


Manfred Piribauer

Architekturstudium an der TU Wien, 1993 Diplom. 1993-95 Mitarbeit bei Sedina Buddensieg, Berlin und Steinebach und Weber, Berlin. 1995-2001 Mitarbeit bei Harter + Kanzler, Freiburg. 2001 Büro mit Wolfgang Borgards. 2001-06 Assistenz an der Universität Karlsruhe, 2004 Lehrauftrag.

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