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Dach-Klang-Körper

Tonmeisterstudio der Hochschule für Musik in Detmold
Dach-Klang-Körper

Der klar gerasterte Bestandsbau von 1969 musste aufgestockt werden, um angesichts sich ständig wandelnder Ansprüche an Technik und Akustik Verbesserungen und Erleichterungen im Studienbetrieb zu schaffen. Die Statik des Altbaus erzwang eine Konstruktion in Leicht- und den Ausbau in Trockenbauweise – in Bezug auf die Anforderungen der Akustik eine echte Herausforderung.

    • Architekten: h.s.d. architekten Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Lange

  • Kritik: Klaus Dieter Weiss Fotos: h.s.d. architekten, Klaus-Dieter Weiß
Mit einer Residenz im spätklassizistischen Stil, dem Mitte des 19. Jahrhunderts aus einem barocken Lustschlösschen hervorgegangenen »Neuen Palais« und einem weitläufigen Landschaftsgarten gerät der Auftritt der renommierten Hochschule für Musik in Detmold im besten Sinne klassisch. In der Residenzstadt unterrichten internationale Spitzenmusiker in einer Umgebung, die der pädagogisch-künstlerischen Zielsetzung den Maßstab architektonisch vorgibt.
Die Hochschule verfügt über zehn spezifische Gebäude, die campusartig über den imposanten Park verstreut sind. Die Pianisten und Organisten residieren im Palais, wo auch die größeren Kammermusikbesetzungen proben und konzertieren.
Die Musikwissenschaftler arbeiten in einer Jugendstilvilla am Rande des Gartens, während Schulmusiker und angehende Instrumentallehrer ihre wissenschaftlichen Seminare im dafür technisch ausgerüsteten »Pädagogikhaus« abhalten.
Die letzte räumliche Erweiterung der Hochschule erfolgte Ende der sechziger Jahre. Kurt Wiersing, Leiter des Staatshochbauamts Detmold, errichtete 1965–68 im westlichen Teil des Parks, am Standort des einstigen Marstall- und Remisengebäudes, das große Chor- und Orchestergebäude, heute als »Neue Aula« bezeichnet; außerdem vier quadratische, aus akustischen Gründen separat gestellte und vollklimatisierte Institutsgebäude für die Sänger, Streicher, Bläser und den theoretischen Unterricht. Die dabei neu zu strukturierenden Außenanlagen plante Hermann Mattern. Von einer Verlegung der gesamten Hochschule, die auch im Gespräch gewesen war, sah man damals zugunsten der historisch angelegten Kleinteiligkeit glücklicherweise ab.
Die schwarz verschieferte, ausdruckstark monolithisch erscheinende Neue Aula erfährt derzeit mit der internen Modernisierung nach neuesten akustischen Erkenntnissen eine dramatische Aufwertung (Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW). Mit der Implementierung der Wellenfeldsynthese soll die Tonmeisterausbildung im kommenden Jahr ein neues Kapitel in der Audioakustik und Beschallungstechnik aufschlagen.
Die für unterschiedliche Darbietungen justierbare Akustik im räumlich höchst eigenwillig gestalteten Saal macht bereits sehr neugierig. ›
› 1946 hatte Erich Thienhaus das erste deutsche musikalisch-akustische Institut zur Ausbildung von Tonmeistern gegründet. Den Umzug in die von ihm noch mitgeplanten neuen Räumlichkeiten, 1969, erlebte er allerdings nicht mehr. Kurt Wiersing hatte dafür neben dem großen Konzertsaal ein flaches Gebäude errichtet und darin – verteilt auf ein Erd- und ein Untergeschoss – zwei Aufnahmestudios, sechs Regieräume, einen Hallraum, einen kleinen Seminar- und einen kaum größeren Vorlesungsraum untergebracht. Mit weniger als dreißig Studenten im laufenden Jahrgang und einer Aufnahmeprüfung setzt man auch nach der aktuellen Aufstockung des Gebäudes nicht auf Massenbetrieb.
Die Erweiterung der Tonmeisterstudios über Dach folgt in den Umrissen nahezu ihrem Basisbau, lässt aber zur markanten Seitenfront des Saalbaus mehr Luft. Vor allem etabliert die Aufstockung dank ihrer an das technische Instrumentarium der Musik erinnernden Fassade einen Kontrapunkt mit moderner Aussage und entwickelt auch ein gewisses Maß an Fernwirkung. Der im Grundriss schlichte Gebäudewinkel hält einige an einem Flur entlanggeführte Büroräume und an seinen Eck- und Endpunkten akustische Meisterleistungen bereit. Der in den Palaisgarten orientierte, quadratische Haupt-Seminarraum dient der Schulung des perfekten Gehörs. Hier erreicht die Wiedergabe von Tonträgern eine ungeahnte Perfektion. Nicht ohne Grund finden sich die Aufnahme-Spezialisten des Detmolder Instituts immer wieder unter den Grammy-Gewinnern. Namhafte Hersteller nutzen den Raum zu Testzwecken.
Die größte Schwierigkeit für die Architekten bestand darin, die enormen akustischen Vorgaben – dabei besonders den Schutz vor dem Straßenlärm – in Leichtbauweise zu erreichen.
Insgesamt wird mit der dank Moosgummi schwingungsarmen Stahlrahmenkonstruktion ein Schalldämmmaß von 57 dB erreicht, allein mit einer geschickten Abfolge unterschiedlicher Gips- und Holzfaser-Platten sowie hochwertiger Fenster- und Glastechnik (siehe dazu auch den Detailbogen, Seite 93). Der Neubau musste während des laufenden Ausbildungsbetriebs realisiert werden, die konstruktive Belastbarkeit des Altbaus war – wie nicht zuletzt das Budget – eng begrenzt. Ein formales Problem lag darin, die maximal nur 1,40 Meter breiten Streckmetall-Elemente der Fassadenbekleidung so einzusetzen, dass sich eine ästhetische Gesamtwirkung ergibt. Eine knifflige Aufgabe, weil die Toleranzen des Herstellers in der Vertikalen bei bis zu vier Zentimetern liegen, die Übergänge besonders an den Ecken aber passgenau sitzen müssen. ›
› Aus der ursprünglichen Idee einer homogenen Gesamterscheinung – strukturell der benachbarten Schieferfassade vergleichbar – entwickelte sich zwangsläufig eine sichtbar elementierte Fassade, die in der Dynamik unterschiedlich breiter Fassadenelemente als Tonsequenz vor schwarzem Hintergrund gelesen werden kann; der architektonisch definierte Kontrast zwischen Rauschen und Musik.
In ihrem Erscheinungsbild liegt die Aufstockung der Tonmeisterstudios deutlich näher am städtebaulich dominierenden Konzertgebäude als zu ihrem Basisbau, der mit dieser Ergänzung insgesamt zwar in seinen baukörperlichen Proportionen deutlich gewinnt, dessen neutrales Fassadenbild im Stil eines alltäglichen Hochschulbaus aber keinen Bezug zu seinen unmittelbaren Nachbargebäuden herstellt. Dasselbe gilt für einen an die gegenüberliegende Seitenfront des Saalbaus nachträglich angesetzten glasverkleideten Aufzugsturm, dessen Materialität sich, nach Vorstellung der Hochschule, auch im Dachaufbau des Tonmeisterstudios wiederfinden hätte sollen. Kosten und zu hohe Gewichte standen dem jedoch entgegen. Durch eine grundlegende Überarbeitung der Situation, unter Einbeziehung aller Fassaden des Tonmeisterinstituts wie des Aufzugsturms hätte sich eine noch größere architektonische Wirkung erzielen lassen. Die dazu notwendige Unterbrechung des Lehrbetriebs erscheint angesichts der Belegung der Räume fast rund um die Uhr allerdings unrealistisch. Hinsichtlich der Bedeutung dieses Instituts wird sich die Frage weiterer Erweiterungsmöglichkeiten aber langfristig neu stellen. Aus heutiger Sicht wäre darum die Chance für weitere Aufstockungen durch eine andere konstruktive Auslegung zu Beginn besonders kostengünstig und zukunftssicher gewesen. •
  • Bauherr: BLB Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, Detmold Architekten: habermann.stock.decker. architekten. Lemgo Mitarbeiter: Christian Decker (Projektleitung), Jörg Deutschendorf Bauleitung: BLB, Dieter Stumpe Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Lange, Detmold HLS-Planung: BLB Detmold; Ing.-Büro Schmitz, Detmold Bau- und Raumakustik: Ing.-Büro Beckenbauer, Sennestadt Akustikplanung Seminarraum: Musikelektronik Geithain GmbH, Geithain Bruttorauminhalt: 1676 m³ Hauptnutzfläche: 227 m² Baukosten: 1,2 Mio. Euro Bauzeit: Oktober 2004 bis November 2006
  • Beteiligte Firmen: Streckmetallfassade: Sorst Streckmetall GmbH, Hannover, www.sorst.de Dachdichtungsbahnen: Paul Bauder GmbH & Co. KG, Stuttgart, www.sorst.de Mineralfaserrasterdecke: Armstrong Building Products GmbH, Münster, www.sorst.de Linoleum-Böden: Armstrong DLW AG, Bietigheim-Bissingen, www.sorst.de Leuchten: Kotzold Leuchten GmbH & Co. KG, Lemgo; Herbert Waldmann GmbH & Co. KG, Villingen-Schwenningen, www.sorst.de
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