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Bankgeheimnis

Filiale der Deutschen Bundesbank in Chemnitz
Bankgeheimnis

Der Bauboom im Osten Deutschlands hat neben Masse nur wenig qualitätsvolle Architektur hervorgebracht. Meist wurden Baustile großer Büros – national wie international – einfach nur importiert. Trotz langwieriger Planungsgeschichte ist es einem spanischen Architekten gelungen, seinen Bau für die Bundesbank zum einen in regionale Bezüge einzubinden, zum anderen sensibel auf die Funktion und Bedeutung einer von Kostenkontrolle stark geprägten Institution einzugehen.
The building boom in Eastern Germany has produced apart from volume little architecture of quality. Mostly the building styles of large practices – national and international – were just simply imported. Despite a protracted planning history, a Spanish architect succeeded, on the one hand, in corporating regional affinities in his building for the Bundesbank, and on the other, in reacting sensitively to the function an significance of an institution strongly characterized by cost control.

Ein ungewöhnliches Gebäude schuf Josep Lluis Mateo der Bundesbank in Chemnitz. Der katalanische Architekt wollte ein nicht zu übersehendes Zeichen des Neuanfangs in die Stadt setzen, die vor 15 Jahren noch den Namen »Karl-Marx-Stadt« trug. Weder wollte Mateo an diese Vergangenheit anknüpfen, noch den Import ortsfremder Architekturen fortsetzen, die den Stadtumbau im kriegszerstörten Zentrum nach der Wende 1990 prägten. Deshalb griff er auf die Natur des Ortes zurück und schuf ein Haus , dem die Idee eines versteinerten Baumes zugrunde liegt.
Als Mateo 1995 zur Teilnahme am Wettbewerb eingeladen wurde, wollte er die Realität des Landes in Transformation erfahren. Dabei begegneten ihm viele Gebäude aus der Zeit der früheren DDR, wie das Centrum-Warenhaus in Leipzig oder die Stadthalle in Chemnitz, die ihm sogar anspruchsvoller erschienen als ihre spanischen Pendants. Angesichts des historischen Umbruchs und der besonderen Geschichte der Stadt suchte er jedoch eine andere Verknüpfung des Hauses mit dem Ort.
Das Grundstück am Rande der Innenstadt bot ihm erste Inspirationen für eine Bauaufgabe, die möglichst große Zurückgezogenheit und Sicherheit verlangt. Im »Park der Opfer des Faschismus« sollte das Gebäude der Bundesbank entstehen, in dem sich neben einer Gedenkstätte auch andere Erinnerungen fanden. Die enge Verbindung von Kenotaphen und Bäumen gab ihm erste Anregungen, aus denen sich Gedanken zum Charakter des Gebäudes entwickelten, das gleichzeitig etwas Archaisches, etwas Stilles und etwas im Boden Verwurzeltes verkörpern sollte.
Ein Missverständnis führte schließlich zur endgültigen Ideenfindung. So glaubte er, im Gleichklang der deutschen Wörter Baum und Bau eine enge etymologische Verbindung entdeckt zu haben. Doch durch ein anderes Erlebnis vor Ort wurde die Baum-Metapher zur Gewissheit. Vor seinem Hotel und im Museum für Naturkunde fand Mateo versteinerte Baumstämme vor, die in vorgeschichtlichen Zeiten auf Chemnitzer Gebiet entstanden waren und den Ort unter Paläontologen einzigartig machen. Aus dem Wechselspiel von Organisch und Anorganisch sollte die neue Filiale der Bundesbank entstehen. In Verbindung mit Naturstein hat die Baum-Metapher ihre unverwechselbare Visualität gewonnen.
Weit abgerückt von der Straße steht das Gebäude ohne jeden Sicherheitszaun im Park. Drei unterirdische und zwei oberirdische Geschosse bilden seinen kompakten, orthogonalen Hauptkörper, über den sich ein schmalerer zweigeschossiger Büroriegel erstreckt, dessen Stirnseite dem Haus seine seltsame Silhouette verleiht. Fast völlig geschlossen wirkt die straßenseitige Fassade, mit der niedrigen transparenten Öffnung und dem Eingangsvorbau.
Entgegen den sandsteinernen Lochfassaden der Seiten ist die flächige Haupfassade weiß, transluzent und moiriert. Für sie wählte Mateo ein besonderes Material, ein Laminat aus Glas und Alabaster. Dazu wurden zwischen einem 10 mm dicken ESG-Glas und einem Isolierglas innen 15 mm dicke Alabasterplatten aus Saragossa luftdicht verklebt. Stets vier Alabasterplatten wurden zwischen die größeren Formate der Glasscheiben so platziert, dass sie nun mit ihren Adern eine fiktive Mitte imaginieren. Auf die Innenseite des Glases wurde aus Wärmeschutzgründen dann noch eine besondere Beschichtung aufgebracht.
Überwältigend ist der Eindruck dieser Steinglas-Wand nach Durchschreiten der Pforte. Dem Eingang folgt ein lang gestrecktes Foyer über drei Geschosse, in dem das Licht seine Wirkung voll entfalten kann. An extrem schlanken und flexiblen Zugstäben, die oben von Federn gespannt werden, hängt die Hülle, die einem Raum vieler perspektivischer Tricks und gewagter Materialwechsel vorsteht. So steigt allmählich der Boden an und zugleich senkt sich darüber die Decke. Ein großen Spiegel am Ende der Halle lässt das Foyer unendlich erscheinen.
Nicht als simples Flächenmaterial, sondern als integraler Raumkörper will hier Naturstein wahrgenommen werden, wozu sich die Raumfolgen verschiedener Natursteinarten bedienen, die sich jeweils bruchlos über Boden, Wand und Decke erstrecken. So schließt sich einem hohen Raumvolumen aus polierten Ehringsdorfer Travertin ein niedrigeres aus dunklen Theumaer Fruchtschiefer an. In diese steinernen Volumina implantiert sind weitere Materialkonfrontationen, wie Stahl und Edelstahl auf Messing, oder Sichtbeton und Glas auf aufgeschnittenen Baumstämmen der regionalen Vegetation, die den einzigen öffentlichen Raum zum Erlebnis werden lassen.
Vom Funktionsablauf eines Geldinstituts erfährt der Besucher kaum etwas. An einem Seiteneingang wird das Geld im Erdgeschoss an- und ausgeliefert, darüber im ersten Obergeschoss gezählt und portioniert sowie in einer Kassenhalle im Gebäudezentrum direkt an Kunden abgegeben. Ihr Tageslicht erhält die Kassenhalle unter dem Büroriegel allein über ein raffiniertes Lichtlenksystem, die Nebenräume hingegen über Oberlichter. Allein auf den zwei Gebäudekernen, die der Zirkulation des Geldes und den Mitarbeiter über und unter der Erde dienen, lagert der Riegel auf, dessen schwere Mauern mittels Zugkabel auch den Boden des ersten Obergeschosses tragen. So konnte das Erdgeschoss völlig stützenfrei bleiben.
Sächsischer Sandstein und Baubronze bestimmen die monolithische Erscheinung des Hauses an den drei Seiten zum Park hin. Große liegende Panoramafenster mit jeweils zwei Öffnungsflügeln schneiden dort in sein Volumen ein. Ganz traditionell als massives Mauerwerk mit 10 cm Dicke und dahinter liegender Kerndämmung wurde der Sockel mit hartem Cottaer Elbsandstein ausgeführt, dessen Oberfläche gekrönelt wurde. Oberhalb von 2,50 m handelt es sich um eine hinterlüftete Fassade aus Postaer Elbsandstein mit 5 cm Dicke. Dennoch wirkt die Fassade massiv, da Mateo alle Laibungen und Gebäudeecken mit 8 cm dicken Winkelsteinen ausführen ließ.

Ein Schatzkästlein nicht nur des Geldes, sondern auch der Vielfalt des ostdeutschen Steins gelang Josep Lluis Mateo mit der Bundesbank in Chemnitz, dem sich integral die Freiraumplanung mit mineralischen Materialien und urzeitlichen Pflanzen anschloss. Allein das einzig importierte Material, der Alabaster aus Saragossa, macht nun Probleme. Obwohl vermeintlich luftdicht verschlossen, hat er seit 2004 rasch Wasser gezogen und sich dabei partiell vergraut. Da das Wasser nicht mehr rauszubringen ist, werden die 274 Steinglasplatten wohl ersetzt werden müssen. Der Zufriedenheit der Nutzer, die von den vielen unerwarteten visuellen Qualitäten ihres Hauses überzeugt sind tut dies keinen Abbruch. C.K


  • Standort: Besucher- und Lieferanschrift, Zschopauer Str. 49, 09111 Chemnitz

    Bauherr: Deutsche Bundesbank
    Architekten: MAP-Arquitectos / Joseph Lluís Mateo, Barcelona
    Projektleitung: Markus Lauber
    Projektteam: David Carim, Tobias Friedrich, Alexa Nürnberger, Boris Bezan, Arnoud Hulpia, Anna Wüst, Elke Störl
    Örtliche Bauleitung: Erfurth und Partner Ingenieure (2002-04); Nieper und Partner (2001-02)
    Tragwerksplanung: Leonhard Andrä & Partner, Stuttgart Gebäudetechnik: Iproplan Kunst: Petr Kvicala
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