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Wohnvitrine

Wohn- und Geschäftshaus Bender in Berlin
Wohnvitrine

Das Erscheinungsbild des Gebäudes durchbricht die Monotonie der Umgebung ohne die vorhandenen baulichen Rahmen- bedingungen zu ignorieren oder gar zu stören. Die Architekten fungierten gleichzeitig als Bauherren und Projektentwickler. In einer ersten Phase wurde der Bestand des Hinterhauses um zwei Etagen erhöht; nun komplettiert ein Büro- und Apartmenthaus das Ensemble zur Straße hin. By its appearance the building breaks the monotony of the surroundings without ignoring or even upsetting the existing built context. The architects were simultaneously clients and project developers. In the first phase the existing building was heightened by two storeys; subsequently the resulting living unit was completed with an office and apartment house.

Text: Susanne Liehr

Wer die Hessische Straße, eine kurze Verbindungsstraße, zum ersten Mal betritt, der traut seinen Augen nicht. Ein markant gerundeter Baukörper schiebt sich in die Straßenflucht und verrückt die Wahrnehmung der schmucklosen Umgebung mit raumgreifender Geste. Im steinernen Berlin bietet dieses mit Edelstahlbändern und Glas umhüllte Gebäude einen ungewöhnlichen Anblick, da es sich jenseits der Berliner Vorgaben zu Traufhöhen und immer gleichen Fassadenrastern als Fremdling exponiert ohne seine Nachbarn völlig zu negieren.
Das Ausloten von Freiräumen im urbanen Kontext, die Auseinandersetzung mit den vorgefundenen Strukturen und die Neudefinition von vorhandenen Lücken führten die jungen Architekten Britta Jürgens und Matthew Griffin gleich zu Beginn ihres gemeinsamen Berufsweges zu unkonventionellen Lösungen. Sie gründeten 1992 das Büro »Deadline – professionelle Hilfe in letzter Minute« als Dienstleistungsservice für Architekturbüros. Ein leer stehender Ladenraum wurde von ihnen 1997 bis 99 zur Galerie »urban issue e.V.« transformiert und für Veranstaltungen und Installationen genutzt. Seit 1999 gibt es von ihnen mit »Templace.com« einen virtuellen Treffpunkt im weltweiten Datennetz – ein Web-System zur Unterstützung temporärer und experimenteller Nutzung von Stadtraum. Zur Verwirklichung ihres ersten Bauprojektes machten sichJürgens und Griffin über ein Jahr lang auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück. Sie fanden es am nordwestlichen Rand des Bezirkes Mitte, in der Friedrich-Wilhelm-Stadt. Dort war von der einst geschlossenen Gründerzeitbebauung in der Hessischen Straße Nr. 5 nach dem Zweiten Weltkrieg nur der sanierungsbedürftige Seitenflügel im hinteren Teil des schmalen Grundstücks übriggeblieben. Mit Erwerb des Baugrundes begann die erste Phase der Reaktivierung des viergeschossigen Altbaus. Die bereits vorhandenen kleinen Wohneinheiten wurden renoviert, das alte Dach abgetragen und mit einem zweigeschossigen Neubau so maßgeschneidert besetzt, dass für die vierköpfige Familie der Architekten ein Optimum an Wohnraum entstand. Das lange, sehr schmale und deshalb »Slender« genannte Einfamilienhaus auf dem Dach wurde, kaum fertig gestellt, mit dem Architekturpreis Berlin 2003 ausgezeichnet.
Die Idee des urbanen Wohnens auf Zeit griff in einer zweiten Phase 2004 der Neubau des Vorderhauses – nach deutsch-englischem Wortspiel »Bender« in Anspielung auf die sich biegenden (engl. to bend) Bänder benannt – auf. Das Büro- und Apartmenthaus vervollständigt die aufgestockte Hinterhofbebauung, schließt den Blockrand im Norden und fungiert gleichzeitig als Kopfbau; dank der Einfahrt zum Hof des benachbarten Gebäudes im Süden. Die Dreiteilung der neun Meter breiten Westfassade wird von aufsteigenden Edelstahlbändern dominiert, die sich in großen Bögen um die sieben Geschosse spannen und zwischen den verschiedenen Höhen der Umgebung vermitteln. Die vorgeschobene, wie eingehängt wirkende Südfassade mit ihrer erkerartigen Auskragung öffnet sich zum Stadtraum und ist in Glasflächen aufgelöst. Die skulpturale Dynamik der Gesamtform wird durch die vertikale Struktur unterschiedlich schmaler Aluminiumstreifen gezügelt, deren champag-nerfarbene Oberfläche die Farben der Nachbargebäude aufnimmt. In der rhythmischen, geschossübergreifenden Bänderung der Vorhangfassade, die sich bis zu den beiden Dachgeschossen erstreckt, sind zugleich sämtliche Fensterelemente integriert. Der Eingang liegt zurückgesetzt in der Hofzufahrt, deren grobe Kopfsteinpflasterung an Laden und Stellplätzen entlang bis ins Innere des Hauses verlegt ist. Erschlossen werden die auf vier Stockwerke verteilten acht Mietapartments über eine Treppe und einen Fahrstuhl. Wie schon im schlichten Treppenhaus bleibt der graue Beton auch im Deckenbereich der fast vier Meter hohen Einraumwohnungen sichtbar. Geschosshohe Verglasungen, weiße oder mit Lehm verputzte Wände und der schwellenlos verlegte weiße Zementestrich, unter dem sich die Fußbodenheizung verbirgt, sorgen für einen lichten, großzügigen Raumeindruck, der die jeweils 40 und 50 Quadratmeter großen Räume wesentlich größer erscheinen lässt. Mit innenliegender Nasszelle und Küchenzeile ausgestattet und zweckmäßig modern möbliert, bieten die Apartments jedem temporären Nutzer individuellen Freiraum und erfüllen das Bedürfnis nach einem zeitgemäßen Refugium. Die abschließenden Geschosse, mit direktem Zugang zu den Privaträumen des Seitenflügels und der gebäudelangen Dachterrasse, beherbergen das Büro der Architekten. Eine weiß lackierte Stahltreppe verbindet in elegantem Schwung, und bei Betreten wunderbar klingend, beide Ebenen unter der Dachhaube. Wem die formidable Aussicht noch nicht genügt, der kann auf den anleiterbaren zweiten Fluchtweg hinausgehen, der hier zu einem mit Maschendraht umkleideten Steg auskragt.
Nach einjähriger Bauzeit füllt »Bender« die Baulücke und reagiert, ursprünglich als Bürohaus geplant, auf eine Marktlücke, die sich während der vier Jahre dauernden Vorbereitungs- und Planungszeit auftat. Die Architekten fungieren als Bauherren und Projektentwickler, die von der Sicherung des Baurechtes auf dem eigenen Grund-stück bis zur Vermarktung der Wohnungen als »Minilofts« im Internet das Potenzial ihrer Entwurfsidee in Eigenregie voll ausschöpften. Diverse Hürden und Zwänge in der Finanzierung und Ausführung mussten überwunden und etliche Ausnahmen von der Berliner Bauordnung, beispielsweise Abstandsflächen, Überbauung öffentlichen Straßenraumes und Anzahl der Treppenhäuser ausgehandelt werden. Als Erstling der Architekten interpretiert »Bender« vitale Vorstellungen von innerstädtischem Wohnen und Arbeiten und überzeugt mit einer klaren, selbstbewussten Architektursprache. Das Domizil lockt von weitem schon mit metallischem Schimmern wie eine Vitrine, die kostbaren Raum aufbewahrt. S. L.
Bauherr: Jürgens, Jürgens, Griffin Gbr., Berlin Architekt: Deadline > office for architectural services, Berlin Bauleitung: Stefan Bullerkotte Mitarbeiter: Britta Jürgens, Matthew Griffin, Kristine Verdier Tragwerksplanung: Eisenloffel. Sattler + Partner, Berlin Nutzfläche: 560 m²; Büro-/Wohneinheiten je 45 m² Büromaisonette 100 m² + 10 m² Terrasse Bruttorauminhalt: 3300 m³ Kosten: 1,2 Mio Euro Bauzeit: Mai 2003 bis Juni 2004
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