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Vollendung und Neuinterpretation

Stadterneuerung im Rahmen des »Forum Universal de les Cultures« in Barcelona
Vollendung und Neuinterpretation

Im Osten Barcelonas versperrte bis vor kurzem noch ein Industrieareal den Zugang zum Meer. Im Zusammenhang mit dem Kongress der UNESCO »Forum Universal de les Cultures« gelang es Barcelona, wie bei den Olympischen Spielen die Stadt mit einem städtebaulichen Großprojekt zum Meer zu öffnen und den Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Tourismusstadt zu vollziehen. Das ambitionierte gestalterische Programm setzt sich dabei allerdings deutlich vom angrenzenden armen Viertel ab. Until recently, an industrial site to the east of Barcelona still restricted access to the sea. In connection with the UNESCO congress “Forum Universal de les Cultures“ Barcelona succeded, as with the Olympic Games in 1992, to extend marine access with a largescale civic project and to complete the change from an industrial city to a centre for services and tourism. The ambitiously designed program does not, however, include the adjoining poor district.

Autor: David Cohn

Fotos: Duccio Malagamba u.a.
Nur wenige Städte haben so gründlich wie Barcelona daran gearbeitet, die Stadtentwicklung im Interesse der Gestaltung öffentlicher Räume und der Lebensqualität der Bewohner zu kontrollieren. Das Barcelona Forum ist das neueste Ergebnis dieser Art von Stadtplanung. Einen Sommer lang war das Gebiet Ort eines von der UNESCO unterstützten Events, das die Stadt nutzte, um zwei strategische planerische Ziele miteinander zu verknüpfen: das letzte Stück industriell genutzten Ufers als Erholungsraum für die Stadt zurückzugewinnen und eines von drei Attraktivitätszentren im nordöstlichen Teil der Stadt zu schaffen. Damit sollen Investitionen in Immobilien vom prosperierenden, aber saturierten Westteil der Stadt in diese untergenutzte ehemalige Industriezone gelenkt werden. Zu dieser Strategie gehört es auch, Hightech-Unternehmen in dem Gebiet anzusiedeln, um seine ökonomische Basis zu verbessern. Das im Norden angrenzende Viertel La Mina soll im Zuge dieser Entwicklung seine Marginalisierung überwinden. Hier werden neue Wohnungen gebaut und die öffentlichen Räume aufgewertet.
Initiator dieser Planung ist der Regionalverband Barcelona, eine von Josep Anton Acebillo geleitete, öffentliche Instititution, der die Stadtplanung in der Region obliegt. Seit den Olympischen Spielen von 1992, die die Planer unter der Leitung Oriol Bohigas nutzten, um wichtige städtebauliche Projekte voranzutreiben, ist der Regionalverband Barcelona zu einer bemerkenswerten Einrichtung geworden. Hier werden integrierte Planungen verfolgt, die alle Aspekte städtischer und ökonomischer Relevanz abdecken und ortsspezifische Gegebenheiten berücksichtigen, ohne allgemeine Ziele aus den Augen zu verlieren. In diesem Sinne ist das Barcelona Forum ein perfektes Beispiel für die Art, wie der Regionalverband Barcelona ein vorübergehendes Ereignis nutzt, um dauerhafte Verbesserungen für die Stadt anzustoßen und zu finanzieren, wobei öffentliche Hand und private Investoren zusammenarbeiten.
Aufmerksamkeit durch Projekte Das Barcelona Forum liegt am nordöstlichen Rand eines neuen Entwicklungsgebiets, das als 22@BCN bekannt wurde und die Fläche von 120 Häuserblocks einnimmt. Dessen Hauptverkehrsader, die Avinguda Diagonal, haben die Planer in das Areal hinein verlängert. Neben dem Barcelona Forum am Ende dieser neuen Diagonale wurde ein zweiter Attraktivitätsknoten um die Plaza des Gloriès herum geschaffen, mit einem Kinokomplex und einem Platz von Zaha Hadid und dem Stadtmuseum von Oriol Bohigas. Auf dem Platz wird in diesem Winter Jean Nouvels spektakulärer Agbar Turm für die Wasserversorgungsbetriebe eröffnet, der einen Wendepunkt in der planerischen Strategie der Stadt markiert. Wie Acebillo erläutert, wurde er gebaut, um als Landmarke das Projekt 22@BCN im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Weitere Projekte dieser Art sind im Bau, so etwa der Biogasturm von Miralles und Tagliabue in der Nähe des Olympischen Dorfes und zwei Hochhäuser, die Toyo Ito für die Neue Messe von Barcelona in L’Hospitalet entworfen hat. Im Norden von 22@BCN wird um den für den Hochgeschwindigkeitszug gebauten Bahnhof von Sagreda herum ein dritter Schwerpunkt entstehen.
Das Barcelona Forum war innerhalb dieser Planung die größte Herausforderung. Der Fortführung der Avinguda Diagonal bis zum Meer standen mehrere Industrieanlagen im Weg, darunter eine Kläranlage, ein Kraftwerk und eine Müllverbrennungsanlage. Die brillante Idee, diesen Widerständen direkt gegenüberzutreten und sie zu Vorteilen zu verwandeln, wurde in einer Reihe von Wochenendworkshops entwickelt, an denen auch Acebillo, Enric Miralles und die barcelonischen Architekten Josep Lluís Mateo und Eduardo Bru teilnahmen. In diesen Sitzungen entstand die Idee, die Industrieanlagen auf den neuesten Stand der Technik zu bringen, sie zu umweltfreundlicher Infrastruktur umzubauen, die aufgewertete Kläranlage mit einer aufgeständerten Esplanade zu überbrücken und so die Avinguda Diagonal zum Meer hin zu verlängern.
Das Team stellte sich die Esplanade als eine unregelmäßige, künstliche Landschaft vor, als Metapher eines dynamischen, kraftvollen Flusses. Dieses Konzept ist in dem Entwurf von Elías Torres und José Antonio Martínez-Lapeñas noch spürbar, in dem Landschaftsstreifen wie Finger über den Jachthafen, den Iñaki Ábalos und Juan Herrero entworfen haben, greifen. Krönender Abschluss der Avinguda Diagonal ist eine monumentale, mit Photovoltaikanlagen ausgestattete Pergola. Sie ist eine ökologische Landmarke und vermittelt die Botschaft vom nachhaltigem Wachstum, für das das Barcelona Forum ein Beispiel sein soll.
Schwerpunkt Büro, Kongress, Tourismus Das Barcelona Forum besetzt drei eigens aufgeschüttete Areale: die noch nicht gebaute Außenstelle des Zoos von Barcelona, die Esplanade und nordöstlich des Jachthafens einen Küstenpark mit Strand. Letzterer ist so gestaltet, dass künstlichen Hügel das Kraftwerk, die Müllverbrennungsanlage und eine neue Müllverwertungseinrichtung abschirmen.
Die wichtigsten Gebäude des Barcelona Forums liegen an der dem Land zugewandten Seite des Geländes, an der Avinguda Diagonal. Hier hat die Stadt ein Kongresszentrum mit Hotel und Büros nach einem Entwurf von Josep Lluís Mateo gebaut, das von einer 11000 Quadratmeter großen Ausstellungshalle ergänzt wird. Des Weiteren befindet sich hier das Forum Gebäude, das Herzog & de Meuron entworfen haben und das einen großen Vortragssaal und weitere Ausstellungsräume beherbergt.
Das Angebot wird durch weitere kommerzielle Bauten komplettiert, darunter ein fertiges Hotels von Oscar Tusquet und ein im Bau befindliches von Dominique Perrault. Das südöstlich sich an das Forumgebäude und das Kongresszentrum anschließende Baufeld, ein Block im Bereich des Kongresszentrums, verkaufte die Stadt an einen texanischen Investor, der hier zehn Wohntürme amerikanischen Stils sowie ein Einkaufszentrum bauen durfte. Im Gegenzug musste er sich verpflichten, einen von Miralles und Tagliabue entworfenen Park zu bauen. Dieser schafft es wenigstens, den überdimensionierten und schlecht platzierten Häusern etwas Atmosphäre und mediterrane Urbanität einzuhauchen. Dennoch ist es unglücklich, dass gerade für die auf dem Areal ohnehin unterrepräsentierte Nutzung, das Wohnen, auch noch der geringste Anspruch an die Architektur gestellt wurde.
Aktionslandschaft Das liegt möglicherweise an der inhaltlichen Konzeption: denn das Barcelona Forum ist mehr Aktionsraum als ein konventionelles städtisches Projekt. Die Esplanade mit ihren Sonnenschirmen und kleineren Photovoltaikpergolas, ihre fingerförmigen Grasstreifen und großzügigen Freitreppen zum Wasser, sollen Ereignissen wie Flohmärkten, Messen und Festivals Raum bieten und damit durch informelle Aktivitäten den Ort beleben. Der Jachthafen wird Restaurants und Cafés anziehen, so wie es der Hafen von Bohigas im Olympischen Dorf getan hat. Im Südosten verbinden die gewellten, wie Dünen geformten Anlagen und Amphitheater, die Alejandro Zaera und Farshid Moussavi von Foreign Office Architects entworfen haben, die Esplanade mit dem Wasser. Der barcelonische Architekt Beth Galí hat für diese Stelle ein Freibad entworfen, das wie ein zum Meer hin geöffneter Swimmingpool wirkt.
Letztlich richtet sich die Architektur allerdings eher an Touristen und von außen kommende Besucher als an die Bewohner der angrenzenden Viertel, die ja eigentlich von den Investitionen profitieren sollten. Bei ihnen war überraschenderweise die Esplanade beliebter als das Gebäude von Herzog & de Meuron, was aber nicht heißt, dass deren Auditorium in der künstlichen Landschaft des Forums nicht einen bedeutenden Platz einnimmt. Das Gebäude überlagert die Esplanade und schafft einen ungewöhnlichen, schattigen Platz. Wie ein Schiff orientiert es sich mit seinem Bug zur Avinguda Diagonal hin. Doch die Architekten benutzen Wasser nicht nur als Metapher, sondern setzten es auch als Baumaterial ein: Wasser bedeckt das Dach, rinnt durch Spalten und Klüfte die Fassade hinunter und tropft in Höhlungen auf dem Platz. Die Decke über dem Platz und das Innere des Vortragssaals sind mit glänzenden Metallplatten verkleidet, die den Eindruck einer flüssigen Oberfläche vermitteln. Sie sind mit unregelmäßigen, wie Tropfen wirkende Wölbungen bedeckt, die das Licht brechen und es tief in den Raum hinein streuen.
Das Barcelona Forum hat wenig mit dem für Barcelonas Architektur typischen verhaltenen Modernismus gemeinsam, der etwa im Olympischen Dorf zu sehen ist. Man kann es am ehesten mit dem Platz vor dem Bahnhof Sants von Alberto Viaplana und Helio Piñón vergleichen, das bildstärkste und kontrovers diskutierte Projekt aus der Zeit vor den Olympischen Spielen. Beide legen eine Plattform über harte, nicht zu verbergende Infrastruktur und schaffen eher eine künstliche Landschaft denn konventionelle Stadträume. Die Unterschiede zwischen den beiden Projekten zeigen aber, dass sich sowohl der Maßstab als auch die formale Absicht geändert haben. Während in Sants der Entwurf auf das Problem des durch den Verkehr geprägten Ortes reagiert und zum Thema macht, bedient sich das Barcelona Forum eines Konzepts von Abalos und Herreros, »Orte der Straffreiheit«, also marginalisierte, periphere Standorte werden für neue öffentliche Nutzungen zugänglich gemacht. In formaler Hinsicht kann man sagen, dass der lyrische, kritische Minimalismus von Viaplana und Piñón durch eine griffige Materialität ersetzt wurde, die mehr dem Geist Antonio Gaudís, Antoni Tapiès und Joan Mirós entspricht. Man spürt den unwiderstehlichen Einfluss von Enric Miralles deutlich stärker als bei der Plaza des Bahnhofs Sants (an der er als Praktikant arbeitete): Die Kraft, mit der er Landschaft in die Architektur hinein ausgedehnt hat, mit der er die Architektur in den Stadtraum erweitert hat und dabei die bürokratischen und wirtschaftlichen Grenzen des Berufsstands überwand, an denen so oft die Wirksamkeit zeitgenössischer Stadtplanung verkümmert. D. C.
Übersetzung aus dem Englischen: Christian Holl
Städtebau Masterplanung: Josep Antonio Acebillo, Josep Lluis Mateo, Enric Miralles, Eduardo Bru Projektleitung und -entwicklung: Ajuntament de Barcelona, Infrastructures del Llevant de Barcelona
Kongresszentrum mit Hotel und Bürogebäude Kongresszentrum Bauherr: Ajuntament de Barcelona, Infrastructures del Llevant S.A. Barcelona Regional Architekt: MAP Architects, Josep Lluís Mateo, Barcelona Projektleiter: Jordi Pagès Tragwerksplanung: Obiol-Moya-Arquitectes Beratung Tragwerksplanung: Werner Sobek Ingenieure, Stuttgart Hotel Bauherr: Bardiomar S.L. Architekt: MAP Architects, Josep Lluís Mateo, Barcelona, mit GCA (Gabinete de Construcción y Arquitectura), Josep Juanpera, Xavier Ballarín, Xavier Griñó Projektleitung: Anna Llimona (Entwurf); Victoria Llinares (Bau) Tragwerksplanung: Obiol-Moya-Associats Bürogebäude Bauherr: Consorci de la Zona Franca de Barcelona/GRECO/Ajuntament de Barcelona Architekt: MAP Architects, Josep Lluís Mateo Projektleitung: Anna Llimona (Projektleitung) Tragwerksplanung: Obiol-Moya-Associats
Forumgebäude Bauherr: Ajuntamento de Barcelona Architektur: Herzog & de Meuron, Basel Tragwerksplanung: R. Brufaum; Barcelona; WGG Schnetzer Puskas, Basel
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