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Traut euch!

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Traut euch!

Viele etablierte Büros haben mittlerweile die Notwendigkeit und den Charme von Öffentlichkeitsarbeit erkannt. Die eigenen Leistungen und die eigene Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen, ist längst nicht mehr anrüchig, sondern ein probates Mittel zur Akquise. Dem Nachwuchs fehlt dazu naturgemäß meist das Geld. Manches lässt sich aber auch ohne viel Eigenkapital erreichen.

Text: Kristien Ring

Der Blick auf die Generation der Nachwuchsarchitekten lohnt sich, auch wenn man vielleicht ein wenig genauer hinschauen muss, um fündig zu werden. Die Sehnsucht nach neuen, frischen Ideen und nach unbekannten Namen ist momentan sehr groß. Sie aufzuspüren ist gar nicht so einfach. Besonders in Deutschland sind die Architekten oftmals unheimlich selbstkritisch und machen erst auf ihre Arbeiten aufmerksam, nachdem sie das Traum-Neubau-Projekt samt Inneneinrichtung in den Leistungsphasen 1 bis 9 realisiert haben. Auch darum – nicht nur, aber auch – liest und sieht man möglicherweise mehr von den Etablierten.
In Deutschland kann man durchaus noch mit 45 Jahren als junger Architekt gelten, der gerade seine ersten Bauten realisiert hat. Anderswo, insbesondere in Osteuropa, sieht das aber ganz anders aus. Da lachen alle, wenn man mit über 35 noch als jung bezeichnet wird. In Tallinn und Ljubljana bauen Architekten mit Ende Zwanzig schon wichtige und große Projekte. Am Alter allein lässt sich dieses »Jung« also nicht unbedingt festmachen. Vielleicht schon eher an der Arbeitsweise und daran, dass es oftmals Nischen sind, in denen die Nachwuchsplaner ihre ersten Erfahrungen machen.
In den letzten Jahren mussten – besonders in Deutschland – die meisten, vor allem jungen, Architekten kreativ sein, um überhaupt überleben zu können. Mit kleinen Umbauten, temporären Bauten und Events im Kulturbereich haben sich manche einen Namen machen können. Das Baugruppen-Format diente in Berlin als Alternative für junge Architekten, um an ein größeres Neubauprojekt heranzukommen.
Beide Aufgabenbereiche sind von Architekten selbst meist aus einer Überlebensnotwendigkeit initiiert worden. Dieses »Nischendasein« ist dabei – zumindest meiner Erfahrung nach – von den wenigsten gewollt beziehungsweise keine Absage an »klassische Architektenaufgaben«. Nur ist es eben besonders schwer, in Deutschland als junges Büro an die großen Aufträge heranzukommen. Man braucht auf jeden Fall Durchhaltevermögen, wenn man beispielsweise den beschwerlichen Weg über Wettbewerbe gehen will.
Selbst aktiv werden
Wollen junge Architekten auf sich aufmerksam machen, ist Eigeninitiative gefragt. Es ist nicht einfach, sich Gehör zu verschaffen und überhaupt die Chance zu bekommen, als junges Büro etwas zu realisieren, über das es sich dann zu sprechen lohnt. Zudem gibt es nur sehr wenige Plattformen für junge Büros, auf denen sie sich öffentlichkeitswirksam präsentieren können.
Bei herkömmlichen Ausstellungen und Publikationen tragen die Architekturbüros fast immer einen großen Teil des Budgets selbst, da Galerien und nicht öffentlich geförderte, sich selbst finanzierende Einrichtungen kostendeckend arbeiten müssen. Das wiederum können sich junge Architekten meist nicht leisten – weshalb sie seltener vertreten sind: ein scheinbar unendlicher Kreis, es sei denn, mutige Partner aus der Industrie übernehmen die Kosten. Diese zu gewinnen, ist alles andere als einfach. Schließlich sollen die Unternehmen mehrere tausend Euro locker machen, damit »junge« Architekturbüros mit (aus Unternehmenssicht) unbekannten und vielleicht obskuren Namen wie »Robertneun«, »tec architecture« oder »no w here« sich präsentieren können. Man weiß nicht genau, was man bekommt …
Dennoch haben sich zum Beispiel für den ersten Zyklus der auf junge Büros ausgerichteten Ausstellungsreihe »Glashaus« im DAZ vier sehr engagierte Partner gefunden, und es ist spürbar, wie das Interesse der Industrie an den jungen Büros wächst. Das sollten sich die Architekten viel mehr zu Nutze machen. Schließlich lassen sich die frischen neuen Ideen durch die Kooperation mit der Industrie viel leichter und besser umsetzen.
Es erstaunt mich immer wieder, wie schwer es jungen Büros fällt, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Selten investieren sie in eine ordentliche Projektdokumentation (zum Beispiel durch eine klare Projektbeschreibung und professionelle Fotos). Und vielleicht kommt daher bei vielen Büros das Bestreben, wirklich alles auf einmal vorstellen zu wollen, wenn sie dann doch die Möglichkeit einer Ausstellung haben. Aber ein klares Profil zeigt man damit nicht.
Profil entwickeln
Ich würde mir wünschen, dass junge Büros verstärkt über das Wie und Warum ihrer Arbeit sprechen und sich damit auch leichter potenziellen Bauherren vermitteln: Wieso sieht das Haus so aus und nicht anders? Welches waren die Probleme und was deren Lösung? Wenn ein Büro eine Ausstellung konzipiert, muss es genau überlegen »Wer sind wir?« und »Was wollen wir sagen?« Nach fast hundert Ausstellungen hat mir noch kein Architekturbüro, jung oder etabliert, gesagt, dass es sich nicht gelohnt hätte, diese Fragen zu stellen.
Es gibt in Deutschland so viele spannende junge Büros – ich rate ihnen: Seid selbstbewusst und investiert in Eure Präsentation! Geht auf potenzielle Partner, zum Beispiel aus der Industrie, Multiplikatoren und vor allem auf Bauherren zu! Junge Büros sollten sich zu behaupten trauen. Vom Büro GRAFT, das zum Zeitpunkt seines Bekanntwerdens noch nicht viel mehr als ein paar (gut fotografierte) Innenausbauten realisiert hatte, kann man – egal wie man zu dessen Architektur und der Zusammenarbeit mit Brad Pitt steht – etwas lernen; mehr PR-Aktivität aus einem Badezimmer hätte man nicht herausholen können. •
Kristien Ring ist Direktorin des DAZ in Berlin, wo sie 2006 die Ausstellungsreihe »Glashaus« initiierte. Junge Büros können sich fortlaufend dafür bewerben. Informationen: www.daz.de
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