1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Allgemein »

Soll und Haben

Sanierung der Deutschen Bank in Frankfurt a. M.
Soll und Haben

Die bläulich spiegelnden Zwillingstürme der Deutschen Bank in Frankfurt a. M. scheinen zwar von außen unverändert, doch eine umfassende Sanierung der Fassade und ein Umbau im Innern mit neuer Gebäudetechnik senkten ihren Strom-, Heiz- und Kühlenergiebedarf um mehr als die Hälfte. Zusätzlich ist das Gebäude gleich mit zwei »Green-Building«- Zertifikaten versehen, die seinen Immobilienwert steigern.

  • Architekten: Mario Bellini, gmp
  • Text: Rosa Grewe Fotos: Marcus Bredt u. a.
Die beiden Türme der Deutschen Bank wurden 1984 nach den Plänen der Frankfurter ABB Architekten errichtet. Nach mehr als 20 Jahren Betrieb entsprachen allerdings weder Grundriss noch Energiebilanz aktuellen Anforderungen. Auslöser für den Umbau war aber schließlich der Brandschutz: Die Untersuchung zur not- und aufwendigen Brandschutzsanierung ergab, dass sich auch eine umfassende energetische und funktionale Sanierung lohnen würde. Also schrieb die Deutsche Bank einen Wettbewerb zum Umbau ihrer Zentrale aus, den der italienische Architekt Mario Bellini gewann; seinen Entwurf setzten die gmp Architekten von Gerkan Marg und Partner um. Architektonisch besteht der Entwurf v. a. aus zwei Komponenten: Dem Umbau der Lobby im Sockelgebäude und der Umorganisation und Neugestaltung der Büroebenen. Alles in allem handelte es sich um eine Kernsanierung, für die 2 600 Mitarbeiter für zwei Jahre an andere Standorte verlagert werden mussten.
Die Fassade – Schein und Sein
Was wohl viele Frankfurter nicht ahnen: Hinter der sich spiegelnden Glashaut der beiden Türme verbirgt sich eine tragende Betonkonstruktion mit relativ geschlossener Lochfassade. Energetisch ist das optimal, und im Rauminnern erspart es Stützen. Da aber die alten Sonnenschutzgläser und die nur 8 cm dicke Wärmedämmung zwischen Verglasung und Beton nicht mehr den heutigen energetischen Anforderungen entsprachen, war einer der wichtigsten Punkte für die Sanierung der Austausch der Fassade. Ihr Erscheinungsbild wollte der Bauherr jedoch beibehalten, die Türme sollten weiter in gewohnter Optik als Markenzeichen für die Deutsche Bank stehen. Ein schwieriges Vorhaben war es, die neue Verglasung in genau der alten Farbigkeit und Spiegelung zu produzieren – was geglückt ist, denn für den Betrachter ist der Austausch von außen nicht erkennbar.
Stück für Stück wurden die neuen Paneele auf die alte Unterkonstruktion montiert: fest verglaste Paneele aus einfachem Sicherheitsglas vor den Betonflächen und der neuen Dämmebene und als Fensterscheiben eine Dreifachverglasung. Der U-Wert der neuen Fassade liegt nun bei 0,9W/(m²K). Was ebenfalls neu ist: Jedes zweite Fenster lässt sich zentral gesteuert und zusätzlich über eine lokale Schalterbedienung elektronisch öffnen und unterstützt so die natürliche Nachtauskühlung. Damit sich die Fenster auch in den oberen Geschossen öffnen lassen und den Windlasten von bis zu 180 km/h ›
› standhalten können, entwickelte der Fassadenhersteller spezielle, y-förmige Scharniere. Unter deutlich hörbarem Summen schieben sie sich beim Öffnen aus der Laibung und drücken das Fenster sehr langsam wenige cm vor die Fassade. Eine Hausmail kündigt die ferngesteuerte nächtliche Belüftung an – so können die Mitarbeiter beim Verlassen des Büros die Papiere auf ihren Tischen noch rechtzeitig vor dem Durchzug sichern.
Mehr Licht, mehr Luft …
Die Belüftung funktioniert über ein neues System, nun mit Wärmerückgewinnung. Besonders in den Büroräumen macht sich die veränderte Klimatechnik bemerkbar, denn vor dem Umbau waren Belüftung und Heizung in einem zentral gesteuerten System zusammengefasst, eine Luftheizung temperierte alle Räume gleich. Für die Mitarbeiter bedeutete das: Schwitzen an der Südfassade, Frieren an der Nordseite – und dazu ein permanenter Luftzug. Das neue Klimasystem arbeitet entkoppelt von der Belüftung, die nun ausschließlich die Luftqualität, nicht aber die Raumtemperatur steuert. Damit konnte die Luftwechselrate von 6 auf 1,5 gesenkt werden. Vortemperierte Frischluft quillt nun hinter der Fassade über Deckenauslässe in den Raum, streift die Arbeitsplätze und entweicht in Raummitte über Öffnungen in der Decke. Dadurch entfielen direkt über den Arbeitsplätzen die Installationen für die Belüftung, und die lichte Raumhöhe wuchs von 2,65 m auf 3 m. Das bewirkt nicht nur eine großzügigere Raumatmosphäre, sondern bringt auch das Tageslicht tiefer in die Großraumbüros.
… weniger Strom
Und auch das wiederum spart Energie, immerhin war die künstliche Raumausleuchtung die viertgrößte Energieschleuder vor dem Umbau. Der offene Grundriss und die neue Fassadenverglasung (g-Wert = 25 %, mit Blendschutz 14 %) optimieren die Tageslichtausnutzung. Zudem steuern Tageslichtsensoren die künstliche Grundbeleuchtung im Büro und regulieren die eigens entwickelten Schwertleuchten über den Arbeitsplätzen. Diese strahlen sowohl nach oben an die Decke als auch durch eine prismatische, lichtstreuende Hülle ›
› nach unten auf die Arbeitsplätze und stellen eine blendfreie, helle Allgemeinbeleuchtung her. Sie ist zentral gesteuert, lässt sich aber auch manuell nach Bürozonen von jedem Mitarbeiter – ebenso wie das Raumklima – über einen in die Wand eingebauten Touchscreen bedienen. So fühlen sich die »Banker« trotz zentraler Hightech weniger fremdbestimmt. Grundsätzlich aber müssen sich die Angestellten an einen anderen Umgang mit Büro- und Gebäudetechnik gewöhnen. Z. B. zentrierte die Bank ihr Rechnersystem, so dass sich unter den Bürotischen statt eines PCs nur noch kleine Verbindungsboxen mit Kabel zum Hauptrechner befinden. Der Mitarbeiter arbeitet also nicht mehr an einem persönlichen PC, sondern loggt sich mit seiner Chipkarte direkt auf dem Zentralrechner ein. Das reduziert die Wärmelasten im Büro und spart Platz. Ein anderes Beispiel sind die Aufzüge: Sie erfassen über einen Rechner die Zielgeschosse und sortieren die Aufzugsfahrten nach den sinnvollsten Geschossverbindungen. Das spart laut Bauherrn im Vergleich zu früher rund 54 % der Energie für die Aufzüge und reduziere den Energieaufwand für den Transport im Gebäude auf rund 160 MWh/a. Allerdings muss sich der Mitarbeiter dafür mit seiner Chipkarte beim Aufzugssystem anmelden; und so werden seine täglichen Wege im Büro gespeichert. Der Clou an dem Aufzugssystem liegt aber an anderer Stelle: Seine Elektromotoren erzeugen Strom, die sie dem eigenen System wieder zuführen. Auch diese Technik ist eine Sonderanfertigung. Rechnerisch entspricht der gewonnene Strom in etwa dem Strombedarf der zwei hauseigenen Elektrotankstellen am Gebäude.
Kühlen und Heizen: Gewinn statt Verlust
Am meisten Energie spart die Umstellung von Luft- auf Körperheizung/-kühlung: Die Büroräume werden nun von Aluminium-Deckensegeln mit einem wärmespeichernden Grafitkern temperiert. Aluminiumwinkel schließen die Segel an die Betondecke an, laut TGA-Planer überträgt das Metall die Kälte/Wärme an das massive Bauteil – die Rohdecke als latenter Wärmespeicher.
Die Temperaturkreisläufe funktionieren je nach Jahreszeit unterschiedlich: Das im Heiz-/Kühlsystem zirkulierende Wasser wird in zwei Kreisläufen einer Wärme-Kälte-Kopplung zugeführt und produziert mit der überschüssigen Wärme- bzw. Kälteenergie die für den jeweiligen Gegenkreislauf benötigte Energie. In den Übergangszeiten reicht eine zusätzliche Wärmerückgewinnung bzw. eine Kühlung mit Eis und eine freie Kühlung mit einem Hybridkühler auf dem Gebäudedach, um das Wasser für die Wärme-Kälte-Kopplung vorzutemperieren. Im Sommer gibt der Kühler die überschüssige Energie des Wärmekreislaufs an die Außenluft ab, im Winter deckt zusätzlich Fernwärme den Heizbedarf. Insgesamt benötigt das neue Klimasystem rechnerisch rund 67 % des alten Heiz- und Kühlaufwands, der Energiebedarf für die Temperierung der Büroräume liegt voraussichtlich bei 40-60 W/m². Dabei sind die Wärme- und Kältequellen weitestgehend im Gebäude selbst produziert. Gleiches gilt für das Warmwasser. Ohnehin verzichtet das Unternehmen in den Sanitärräumen auf Warmwasser, lediglich in der Großküche im 4. OG gibt es warmes Wasser. Dieses erzeugt eine solarthermische Anlage auf dem Dach des Sockelgebäudes.
Ressourcen sparen
Der Wasserverbrauch reduzierte sich nach dem Umbau um 55 % auf 16 000 m³ pro Jahr. Das ist v. a. zwei Maßnahmen zu verdanken: zum einen der Reduktion des Wasserdurchlaufs bei den lichtgesteuerten Waschtischarmaturen und den neu entwickelten 3 l-WCs, zum anderen der Nutzung von Regen- und Brauchwasser für die Toilettenspülung. Energetisch und für den Ressourcenverbrauch in Deutschland ist das nicht allzu entscheidend, aber sobald man von ressourcensparenden Gebäuden spricht, ist ein Wassermanagement nur konsequent – und einer Green-Building-Zertifizierung hilft diese Maßnahme ebenfalls.
Ebenfalls eher von symbolischem Wert ist die Recyclingquote beim Umbau. Rund 98 % der Baumasse wurde einer Recyclinganlage zugeführt – der Hohlraumboden, die Trockenbauwände der alten Zellenbüros, der Abbruchbeton oder die Baumetalle hatten inzwischen entweder ihre Lebensdauer überschritten oder waren durch den Abbruch nicht mehr einsetzbar. Bei den neuen Materialien achtete man nun umso mehr auf deren Lebenszyklus; ein Fakt, der v. a. der Zertifizierung geschuldet ist, denn dort fließt die Ökobilanz einzelner Baukomponenten in die Bewertung ein. So erreichte das Gebäude nach dem Umbau das Zertifikat LEED Platin und das DGNB-Gütesiegel in Gold. Die Zertifizierung war »ein angenehmer Nebeneffekt«, so die Architekten, denn die dafür notwendigen Werte waren nach dem Umbau ohnehin leicht erreicht. Der Aufwand für die Zertifizierung scheint sich so also in Grenzen gehalten zu haben bzw. ist, gegenüber der Gesamtinvestition gesehen, ohnehin irrelevant – zugleich steigert es den Wert der Immobilie, die gleich nach dem Umbau wiederum an eine Tochter der Deutschen Bank verkauft wurde.
Hauptargument für die energetische Sanierung waren aber die stetig steigenden Wasser-, Strom- und die damit verbundenen Betriebskosten. So schlug der Umbau zwar mit rund 200 Mio. Euro zu Buche, der Gesamtenergiebedarf jedoch wird von insgesamt 36,2 GWh/a auf (vorausberechnet) ca. 15,8 GWh/a sinken. Die Kostenersparnis pro Jahr läge so nach den derzeitigen Energiekosten im Millionenbereich. Das dürfte sich also recht schnell rechnen. In jedem Fall aber rechnet es sich auch für das Marketing und Image der Deutschen Bank und rückt diese in ein grüneres Licht. •
  • Standort: Taunusanlage 12, 60235 Frankfurt a. M. Bauherr: Deutsche Bank Architekten: Mario Bellini Architects (Entwurf); gmp (Ausführung), Partner: Volkwin Marg, Hubert Nienhoff, Projektleitung: Babette Kowalsky, Bernd Gossmann (Planung), Bernd Adolf (Bauleitung) Projektmanagement: Drees & Sommer, Frankfurt Energie und Klimaplanung, TGA: Peter Berchtold, Sarnen (Türme); Ebert-Ingenieure, Nürnberg (Sockelgeschosse/Bauphysik ) Tragwerksplanung Sphere: Bollinger und Grohmann, Frankfurt a. M. Lichtplanung: ag Licht, Bonn Elektroplanung: Dörflinger + Partner, Erfurt Energiebedarf: keine konkreten Angaben BGF: 122 m² (BRI: keine Angaben) Baukosten: ca. 200 Mio. Euro Bauzeit: Dezember 2007 bis November 2010
  • Beteiligte Firmen: Sonnenschutzglas: Interpane Glas Industrie, Lauenförde, www.interpane.com Fassade (Sonderkonstruktion mit automatisch öffenbaren Fenstern): Gartner, Gundelfingen, www.interpane.com; (PV-Elemente): SCHOTT Solar, Mainz, www.interpane.com Klimadecke: ATD-Systems, Hüttwilen, www.interpane.com, in Kooperation mit Lindner, Arnstorf, www.interpane.com, Aufzüge: Schindler, Berlin, www.interpane.com Beleuchtung (Sonderkonstruktion Schwertleuchten): Zumtobel, Dornbirn; www.interpane.com 3 l-WCs: Villeroy & Boch, Mettlach, www.interpane.com
Öffnung für Luftzirkulation
Schattenfuge, hinterlegt
Deckenkoffer, Gipskarton, mit integrierter Schwertleuchte
Mechanische Luftzufuhr
Zuluftschlitz mit Linearrost-Abdeckung, 120 mm
Deckensegel zum Heizen und Kühlen
Teppich auf Doppelboden
Deckenpaneel, revisionierbar, Metall
Lichtband
Gipskartondecke

Energie (S. 60)
Rosa Grewe
2005 Architekturdiplom an der TU Darmstadt, zuvor Auslandsaufenthalte in den USA und in Mexiko. Mitarbeit in verschiedenen Architekturbüros, u. a. 2004-05 bei Albert Speer & Partner, Frankfurt. 2006-07 Volontariat bei der DBZ. 2008 Diplom der Freien Journalistenschule in Berlin. Seitdem Publikationen für verschiedene Verlage.
Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de