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So normal wie möglich

Seniorenzentrum in Lich
So normal wie möglich

In Hessen ist eine ungewöhnliche Idee in Zusammenarbeit mit dem Kuratorium Deutsche Altenhilfe als Modellversuch gestartet. Wohngemeinschaften sollen die Familie der oft alleine lebenden alten Menschen ersetzen. Gruppen zu jeweils acht Personen gewähren einerseits privaten Rückzug, fordern auf der anderen Seite aber auch zu Aktivitäten auf. Die zweigeschossige Anlage orientiert sich in ihrem architektonischen Ausdruck an die Fachwerkhäuser der mittelalterlichen Stadt mit ihren steinernen Sockeln und hölzernen Obergeschossen. In State Hesse in cooperation with the Kuratorium Deutsche Altenhilfe (German Aid for the Elderly) an unusual concept has been launched as a model experiment. Residential groups should take the place of the families of the mostly lonely elderly people. Groups of eight persons allow on the one side opportunity for privacy and on the other encourage activity. The two-storey complex is architecturally influenced by the half-timbered houses of the medieval town with their stone plinths and timbered upper storeys.

Der erste Eindruck überrascht. Altenheime sehen doch »normalerweise« anders aus. Es ist schwer zu sagen wie. Jedenfalls ähnelt die überschaubare zweigeschossige Anlage in einer parkähnlichen Umgebung im hessischen Lich dieser, wie auch immer gearteten Vorstellung nicht. Die klare Architektursprache und Materialwahl – eine Kombination aus Sichtbeton und Holz – deutet eher auf Wohnungen für »Besserverdienende« hin. Hier aber sind in erster Linie Demenzkranke zu Hause, unter einem Dach mit Menschen, die noch selbstständig in altersgerechten Wohnungen leben. Ganz lässt sich das Krankenhausgefühl beim Betreten des Hauses wohl nicht vermeiden, aber es ist nicht jenes, das jeder kennt, und von dem man sich so schnell wie möglich wieder verabschieden möchte. Das empfinden Patienten genauso wie Angehörige oder Besucher, die hier unter Umständen über lange Zeit ein- und ausgehen werden.

Jahrelang ist dieser Aspekt in der Planung von Heimen vernachlässigt worden. Erst Forschungen in jüngster Zeit führten zu differenzierteren Betrachtungen und Behandlungsmethoden der vielfältigen Krankheitsbilder alter Menschen. Speziell in der Betreuung von Demenzkranken, Menschen, die oft noch in der Lage sind, kleine Aufgaben zu bewältigen, sind inzwischen neue Behandlungsmethoden entwickelt worden.
So baut dann auch in Lich das Konzept der Hausgemeinschaften – in Zusammenarbeit mit dem Kuratorium Deutsche Altenhilfe, Köln – auf dieser Erkenntnis auf. Der mit dem zuständigen Ministerium für Hessen vereinbarte Modellversuch dient der Verbesserung von Wohn- und Lebensumständen alter Menschen. Die Leitidee, so viel Normalität und Eigenverantwortung wie möglich, so viel Betreuung wie nötig, hat das Planungsbüro Pfeifer Roser Kuhn beispielhaft in Architektur umgesetzt. Die in ihrer Anordnung aus zwei U-förmigen und einem linearen Baukörper bestehende Anlage bildet ein räum- liches Gefüge aus Gassen, Höfen und Plätzen mit fast dörflichem Gepräge, in dem sogar die Kirche und das kleine Café nicht fehlen. Als Vorbild diente die Stadt Lich selbst mit ihrem engen Straßennetz, gesäumt von niedrigen Fachwerkhäusern. Der Umzug in ein Heim bedeutet in den meisten Fällen die letzte Wohnung. Dieser Umstand zwingt förmlich dazu, möglichst viel von einem Heimatgefühl hinüberzuretten und damit die emotionale Bedeutung des Wohnens in den eigenen vier Wänden aufrecht zu erhalten. Die Architekten vermieden allerdings bewusst eine direkte Umsetzung dieser Elemente. Sie gaben den Bildern eine eigene Interpretation: statt schwarzer Basaltsockel heller Beton, statt Fachwerk Lärchenholzverkleidung. Die Rücksprünge in der Fassade lassen die Bewohner in ihren kleinen Apartments im Glauben, auf ihr eigenes Haus zu schauen. Tatsächlich blicken sie auf die Außenwand ihres sehr geräumigen Bades, die auf diese Weise sogar über Fenster belüftet werden können (übrigens keine Selbstverständlichkeit in Pflegeheimen!). Die Wirkung aber ist die selbe. Vertrautes ist eben auch in moderner Formensprache spürbar. Neben der optisch »warmen« Wirkung des Holzes ergibt sich noch eine weitere: Der intensive Duft des Holzes und sein Farbspiel konzentriert sich besonders in der kleinen Kapelle. Im Inneren wird der Gedanke der häuslichen Atmosphäre fortgeführt. Trotz äußerer Normalität ist jedes Detail auf die Bedürfnisse alter Menschen abgestimmt. Acht Bewohner bilden eine Wohngemeinschaft, bestehend aus ebenso vielen Zimmern. Sie reihen sich an einen breiten Flur, der direkt in den Gemeinschaftsbereich übergeht. Mittelpunkt bildet der große Esstisch mit angrenzender Küche. Dazu kommen Haushaltsräume mit Waschmaschinen und Trocknern sowie Bügelgelegenheit, Vorratslager und einem Gemeinschaftsbad mit höhenverstellbarer Badewanne. Eigentlich eine moderne, hochherrschaftliche Wohnung, in der kaum etwas auf Pflegebedürftigkeit hindeutet, nicht einmal die unvermeidlichen Handläufe an den Wänden, die geschickt in halbhohe Wandverkleidungen aus Holz (sogenannte Lamperien) integriert sind.
So ganz klappt es mit der Autonomie der Bewohner allerdings nicht. Gesetzesstarrheiten gewähren dieser Form des Altenwohnes keine finanzielle Unterstützung. Das Pflegepersonal sieht sich in seiner Kompetenz beschnitten. So gerät ein sehr gut gemeinter Ansatz, von der Architektur vorbildlich unterstützt, etwas ins Hintertreffen. Aber vielleicht ändern sich eines Tages auch diese Ansichten, denn der eingeschlagene Weg ist ein guter Weg, Menschen in Würde altern zu lassen. kr
Bauherr: Oberhessisches Diakoniezentrum, Laubach Architekten: Pfeifer Roser Kuhn Architekten, Freiburg Bauleitung: Archidee, Heuchelheimki Tragwerksplanung: Ingenieurbüro für Bauwesen Fischer, Lich Haustechnik: IRE Gießen Bauzeit: 2002 – 2003 Bausumme: 9 Mio Euro BGF: 6695 qm
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