Allgemein
Raus aus der Nische
Die Kunststoff(bau)branche ist eine kleine, v. a., wenn man vom Einsatz von Kunststoffen im Sekundärbereich wie etwa dem Fensterbau einmal absieht. Warum aber wird das Material immer noch vergleichsweise selten verwendet, obwohl es nun seit über 50 Jahren am Markt besteht und Projekte wie das Münchener Olympiastadion die Vorteile der Leichtbauweise demonstrieren? Diese Frage diskutierten die Teilnehmer des Podiumsgesprächs, Architekten und Bauingenieure aus der Lehre, Forschung und Praxis, bei der diesjährigen »Composites in Architecture« in Weimar, veranstaltet vom SKZ – Das Kunststoff-Zentrum mit der db deutsche bauzeitung. Dass zur Herstellung von Kunststoffen Erdöl verwendet wird, dürfte dem einen oder anderen wohl erst seit einigen Jahren bitter aufstoßen – mit der weiteren Erforschung naturfaserverstärkter Kunststoffe kann hier ohnehin mittelfristig gegengesteuert werden. Dass das Bauen mit Kunststoffen wegen der notwendigen Zulassungen im Einzelfall aufwendig ist, dürfte es allein auch nicht sein – das habe sich durch die Einführung der Eurocodes ohnehin verbessert, so Christoph Gengnagel, Professor an der UdK in Berlin (sowie a.k.a. Ingenieure). Nein: Die träge, deutsche Baubranche tue sich ganz allgemein mit Innovationen schwer, nicht ausschließlich mit dem Kunststoff (Markus Maier, Leonhard Andrä und Partner). Dass zugleich der Werkstoff im Studium kaum eine bis gar keine Rolle spielt und wesentlich interdisziplinärer zusammengearbeitet werden muss, dem stimmte Timo Schmidt zu. Der ausgebildete Architekt ist das beste Beispiel für interdisziplinäres Denken: Er dissertierte am Anatomischen Institut in Tübingen und forscht neben seiner Arbeit (bei Werner Sobek) an dreidimensionalen Bioreaktorsystemen und Zellträgern, die langfristig die Grundlage für strukturoptimierte Werkstoffe bilden könnten, genauer: an Zellulose produzierenden Bakterien, die Gebäudehüllen bilden können (Abb.: eine Kollagenmembran, die binnen drei Wochen von Knochenzellen »nachgebaut« wird). V. a. aber beanstandete man unser Vergabewesen, das verhindert, dass qualifizierte Teams aus Architekten, Tragwerksplanern und Fachingenieuren über den Wettbewerb hinweg meist nicht bestehen bleiben oder Firmen mit speziellen, innovativen Entwicklungen nach dem vorherrschenden Bitte-Billig-Credo nicht zum Zuge kommen. Ein strukturelles Problem, das die leider lobbylosen Achitekten, Ingenieure und Kunststoffkonstrukteure wenn, dann nur gemeinsam angehen können. ~cf
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