1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Allgemein »

Nachhaltigkeit als Detailproblem

Beispiel: DachRand Begrünter Dächer
Nachhaltigkeit als Detailproblem

Bauwerke müssen immer schon so geplant und gebaut werden, dass eine angemessene Dauerhaftigkeit erzielt und ein unüblicher Instandhaltungsaufwand vermieden wird. Neu ist, dass diese Eigenschaften zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden genauer quantifiziert werden sollen. Den Planern fällt damit die Aufgabe zu, sich diesem Thema mit besonderer Sorgfalt und Vernunft zu widmen.

Text und Fotos: Rainer Oswald

Die möglichst ressourcenschonende Errichtung, Nutzung und Entsorgung von Bauwerken ist eine wichtige Aufgabe der Zukunft. Das Interesse der Gesellschaft an nachhaltigen Gebäuden deckt sich allerdings nicht zwangsläufig mit den wirtschaftlichen Interessen von Bauinvestoren und Nutzern. Marktmechanismen allein werden daher nicht zu einer verbesserten Nachhaltigkeit führen. Es ist insofern begrüßenswert, dass die europäische Bauproduktenrichtlinie demnächst in ihrer Neufassung die Nachhaltigkeit als eine »wesentliche Anforderung« an Gebäude aufführen und damit dazu beitragen wird, dass nachhaltiges Bauen bald bauordnungsrechtlich eingefordert werden kann.
So sehr diese Entwicklung insgesamt begrüßenswert ist, so sehr erfüllen mich die sich abzeichnenden Umsetzungsschritte mit Skepsis. Man will die vielfältigen Faktoren, die die Nachhaltigkeit bestimmen, in einem »Nachhaltigkeitszertifikat« benoten.
Dazu müssen die Aspekte der ökologischen Qualität (Umweltwirkungen, Ressourceninanspruchnahme, Wirkung auf lokale Umwelt), der ökonomischen Qualität (Lebenszykluskosten, Wertstabilität), der soziokulturellen Qualität und Funktionalität sowie der technischen Qualität bewertet und gegeneinander abgewogen werden. Wird aber mit der besseren Gesamtnote tatsächlich das ressourcenschonendere Gebäude beschrieben oder nur die Bauweise honoriert, die dem Bewertungsvorgang am besten angepasst wurde? Schließlich sind eine große Vielzahl sich zum Teil widersprechender Eigenschaften bewertend miteinander zu verrechnen.
Es ist zu befürchten, dass über der schematischen Abwicklung einer schwer durchschaubaren Bewertungsprozedur das eigentliche Ziel aus den Augen verloren geht. Mir erscheinen daher überschaubarere, nah an der Bauwirklichkeit orientierte Ansätze erfolgversprechender. Ein solcher Weg sollte bei der Dauerhaftigkeit und Wartbarkeit als wesentlichen Faktoren der Nachhaltigkeit ansetzen.
Konstruktionen sollten danach klassifiziert werden, inwieweit sie – bezogen auf die Nutzungsdauer des Gesamtgebäudes, die Dauerhaftigkeit und den Instandsetzungsbedarf unmittelbar angrenzender Nachbarbauteile – einen minimierten Aufwand zur Wartung oder zur Erneuerung erwarten lassen. Zur Abschätzung der technischen Lebensdauer stehen sehr globale Tabellenwerte zur Verfügung. Seit die Wertermittlungsrichtlinie keine »offiziellen« Tabellenangaben mehr enthält, kann man zum Beispiel auf die Listen im »Leitfaden Nachhaltiges Bauen« des BMVBW (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, inzwischen BMVBS – Anmerkung Red.) zurückgreifen. Die Lebensdauererwartung von Flachdachabdichtungen wird dort beispielsweise in zwei Zeilen abgehandelt: Flachdachabdichtungen ohne Schutzschichten 15–30 Jahre, Flachdachabdichtungen mit Schutzschichten (beheizt, begrünt) 20–40 Jahre. Es kann nicht richtig sein, mehr oder minder zuverlässig erhobene, extrem stark streuende Lebensdauerdaten von Bauweisen als wichtiges Bewertungskriterium zu verwenden. Die tatsächlich erreichbare technische Lebensdauer ist weit mehr von der konkreten Qualität des Baudetails als von der Bauweise abhängig.
DIN 18 531 – Dachabdichtungen für nicht genutzte Dächer – deutet mit der Einführung von Qualitätsklassen den einzuschlagenden Weg an. Die schlechter oder mit größerem Aufwand wartbaren Bauweisen werden nicht aus der Norm ausgeschlossen – sie werden aber einer geringeren Qualitätsklasse zugeordnet (s. Schwachstellen 11/04 – Qualitätsklassen bei Flachdachabdichtungen). Wie sehr dabei der Teufel im Detail steckt, soll das folgende Beispiel zeigen.
Ein aus flachen und vielgeschossigen Baukörpern bestehender Bürohauskomplex erhielt folgenden Flachdachaufbau (vgl. Abb. 2): Auf einer 28 cm dicken Stahlbetondecke wurde ein Gefälleestrich mit 0,5 % Gefälle verlegt. Darin verlaufen Rohrleitungen, die zur Bauteilbeheizung und Bauteilkühlung dienen. Darauf folgt eine Dampfsperre aus Butylkautschukbahnen (1,3 mm dick) und eine 140 mm dicke EPS-Wärmedämmung. Zur Ortung von Lecks wurde ein Leckmeldesystem ausgelegt und darüber über ein Trennvlies eine EPDM-Dachbahn (2 mm dick) verlegt. Den Abschluss bildete über einem Geotextilschutzvlies eine etwa 16 cm dicke Gesteinsschüttungals Drän- und Substratschicht für eine Extensivbegrünung. Die Schichtenfolge entspricht damit im Wesentlichen den anerkannten Regeln der Technik.
Die Dachfläche ist mit nur 0,5 % Gefälle und Kehlen ohne Quergefälle als »gefälleloses Dach« einzustufen. Eine 2 mm dicke Kunststoffbahn kann als höherwertige Abdichtung im Sinne der Flachdachrichtlinien und DIN 18 531 gelten, so dass der dort für gefällelose Dächer geforderte erhöhte Abdichtungsaufwand getrieben wurde.
Weiterhin wurde durch die Anordnung einer Leckmeldeanlage zwischen Wärmedämmung und Abdichtung dem erhöhten Durchfeuchtungsrisiko bei gefällelosen Dächern entgegengewirkt. Bei diesen kann nämlich stehendes Wasser selbst bei kleinsten Undichtigkeiten umfangreiche Durchfeuchtungen zur Folge haben. Solche Undichtigkeiten sollen frühzeitig durch die Leckmeldeanlage entdeckt und beseitigt werden können, bevor ein größerer Schaden entsteht. Insgesamt ist daher der Querschnitt des Flachdachs als regelgerecht und hinreichend zuverlässig einzustufen.
Die tatsächliche Zuverlässigkeit steht und fällt aber mit der Detailausbildung. Hier waren die am Dachrand rundumlaufenden, verdeckt liegenden Kastenrinnen die entscheidende Schwachstelle. Anders als in Dachabdichtungsregeln (DIN 18 531 Teil 3 sowie Flachdachrichtlinien) beschrieben, ist die Abdichtung am Dachrand nicht bis 10 cm über Oberkante Substrat aufgekantet. Sie war vielmehr über eine innerhalb der Substratschicht liegenden Erhöhung von etwa 90 mm mit einem Tropfblech mit geringer Abkantung von rund 20 mm bis in eine Edelstahlkastenrinne geführt worden. Die Aufkantung der Dachabdichtung beträgt also – bezogen auf die Oberkante der Substratschicht – nicht + 100 mm, sondern – 70 mm.
Die aus massivem, 2 mm dicken Blech bestehende Edelstahlrinne ist knapp 50 mm breit und an der Dachrandseite 92 mm hoch. Die Rinne ist insgesamt durch Gehwegplatten so abgedeckt, dass lediglich ein 2 cm breiter Spalt zwischen Randverblechung und Gehwegplattenkante verbleibt. Die Randverblechung und die Gehwegplatten liegen somit in gleicher Höhe. Die Stöße der gefällelosen Kastenrinnen-Blechelemente sind mit selbstklebenden Aluminiumbutylbändern abgeklebt, um eine dehnfähige Fugenausbildung zu erreichen.
Diese verdeckt liegende Randrinne weist keine übliche, in Fachregeln geforderte, weitere Abdichtung unter der Rinne als Notrinne auf. Als Notabdichtung sollte im vorliegenden Fall der Rand der Dampfsperre dienen, der aus diesem Grund nicht – wie üblich – am Dachrand vor der Wärmedämmung aufgekantet ist, sondern abgekantet an die Fassadenkonstruktion anschließt. Es ist dabei aber davon auszugehen, dass auch die Dampfsperre entsprechend der geringen Gefällegebung der Dachflächen ein Gefälle zur Dachmitte hin aufweist.
Eine solche Konstruktion ist mehrfach zu bemängeln. Insgesamt wurde hinsichtlich der Rinnen aus nicht einsichtigen Gründen ein hoher Konstruktionsaufwand mit hohen Herstellungskosten betrieben, ohne einen höheren Grad an Zuverlässigkeit zu erreichen.
  • Anstelle einer einfachen, den Regelwerken entsprechenden Aufkantung bis 10 cm über Substrat wurde eine Abkantung gewählt, die eine wartungsbedürftige Rinnenkonstruktion zur Folge hat. Bei begrünten Dächern muss in solchen Rinnen mit Schmutzablagerungen und starkem Moosbewuchs gerechnet werden. Dies gilt erst recht, wenn die Rinnen gefällelos sind und daher stehendes Wasser aufweisen.
  • Die Rinnen sind zudem aufgrund der Randabdeckung bis unmittelbar zum Dachrand für Wartungsarbeiten nur zugänglich, wenn die Randplatten abgenommen werden. Auch dann ist angesichts nur 50 mm Rinnenbreite eine Wartung schwer möglich.
  • Weiterhin ist eine unangemessene Materialkombination zu konstatieren: Während auf der einen Seite sehr langlebige, 2 mm dicke Edelstahlrinnenbleche eingebaut wurden, sind andererseits bei der Blechstoßabdichtung lediglich Butylklebebänder verwendet worden, wie sie sonst nur für Reparaturarbeiten im Dachbereich üblich sind. Diese am Rinnenboden im Wasser liegenden Bänder haben eine entschieden kürzere Lebensdauer als die Edelstahlbleche. Es muss deshalb in relativ kurzen Abständen mit Undichtigkeiten im Bereich der Rinnen aufgrund dieser Materialkombination gerechnet werden.
  • Solche Undichtigkeiten werden von der ganz ungewöhnlich wasserableitend konzipierten Dampfsperre aber nicht unschädlich gemacht, da die Dampfsperre ein Gefälle zur Dachmitte hin aufweist. Es ist daher zu befürchten, dass das Leckwasser unbemerkt über lange Zeit vom Rand her, die Leckmeldeanlage unterwandernd, in die Wärmedämmung sickert und dort zu erheblichen Durchfeuchtungen des Dämmstoffs im gesamten Dachquerschnitt führt.
  • Leider war im vorliegenden Fall auch die Leckmeldeanlage nur bedingt funktionsfähig. Leckmeldeanlagen messen einerseits den elektrischen Widerstand des anliegenden Dämmstoffs und damit den Durchfeuchtungsgrad, andererseits sollen sie aber vor allem zur Ortung der Leckstelle dienen. Dazu muss ein durch Impulsgeneratoren erzeugter elektrischer Strom, der durch die Leckstelle fließt, gemessen werden. Das setzt aber voraus, dass die Dachhaut selbst nicht elektrisch leitfähig ist. Dies ist aber bei EPDM-Bahnen aufgrund ihres hohen Rußanteils der Fall. Eine Leckageortung war daher im vorliegenden Fall nicht möglich. Lediglich der Durchfeuchtungsgrad der Dämmung war abschätzbar.
Zur Instandsetzung der glücklicherweise überwiegend noch nicht durchfeuchteten Dächer wurde empfohlen, die verdeckt liegenden, wartungsbedürftigen, aber nicht wartbaren Rinnen stillzulegen. Die Rinne wurde mit einem bis 5 cm über Oberkante Belag aufgekanteten Rücklageblech überdeckt und daran die EPDM-Bahnen aufgekantet. Damit war eine funktions- fähige, auch optisch nicht störende Lösung gefunden. Der hohe Konstruktionsaufwand der nutzlos im Dach verbleibenden Rinnen war damit allerdings vergeblich betrieben worden.
Das dargestellte Beispiel ist ein besonders krasser Fall. Aber auch in vielen anderen Situationen wird deutlich, dass die Dauerhaftigkeit und auch der Wartungsaufwand von Bauteilen zu einem großen Teil durch die Detailgestaltung bestimmt werden. Die vielfältigen Fallbeispiele dieser langjährigen Artikelserie belegen dies eindrücklich.
Diese Abhängigkeit von der Detailqualität, die große Bandbreite der tatsächlich auftretenden Beanspruchungen und der große Einfluss der Wartungsqualität bei wartungsbedürftigen Bauteilen erklären im Wesentlichen die große Streuung der technischen Lebensdauer von Bauweisen, die global betrachtet als »gleich« eingeordnet werden. Nur Bewertungsverfahren, die diese Abhängigkeiten berücksichtigen, ist daher eine wirkliche Relevanz zuzubilligen.
Entscheidend ist es, im konkreten Einzelfall Schwachstellen zu vermeiden und sorgfältig auf die Wartbarkeit und die abgestimmte Auswahl der Bauteile im Hinblick auf möglichst einheitliche Wartungs- und Instandsetzungsintervalle miteinander verknüpfter Komponenten zu achten. Regelwerke können einen wesentlichen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten, wenn sie – wie in DIN 18 531 bereits ansatzweise praktiziert – Qualitätsklassen einführen, die als wesentliches Beurteilungskriterium von Konstruktionsvarianten des Regelaufbaus und der Detaillösungen Dauerhaftigkeits- und Wartbarkeitsaspekte differenziert berücksichtigen. •
Literaturhinweise:
Hegner, Hans-Dieter, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Leitfaden Nachhaltiges Bauen, Bonn, Januar 2001; Hegner, Hans-Dieter, Zertifizierung nachhaltiger Gebäude; Forschungsaktivitäten; Tagungsbericht des BMVBS vom 11.12.2007, Berlin
Rödel, Andreas, Leckagenortung an Bauwerksabdichtungen. In: Bauphysik-Kalender 2002, S. 605– 632 (dieser Veröffentlichung ist die Prinzipskizze Abb. 9 entnommen)
Aktuelles Heft
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de