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München: würfel sind gefallen

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München: würfel sind gefallen

München: würfel sind gefallen
~Ira Mazzoni

Am 26. September lehnte es der Ausschuss für Stadtplanung und Bauordnung des Münchner Stadtrates mit der Mehrheit von SPD und Bündnis 90/Die Grünen und Rosa Liste ab, den überarbeiteten städtebaulichen Entwurf von Kazunari Sakamoto für die Werkbundsiedlung Wiesenfeld zur Grundlage weiterer Planverfahren zu machen. Weder sozial noch ökologisch sei das Projekt innovativ. Mit den Mehrkosten von 11,9 Mio. Euro gegenüber der ursprünglichen Schätzung könnten über 1300 Sozialwohnungen gebaut werden. Das klang wie Hohn auf das mit viel Zukunftsmusik begleitete Werkbund-Projekt, das von Architektenverbänden, Fachpresse und Feuilletons nahezu einhellig begrüßt worden war. 100 Jahre nach Gründung des Deutschen Werkbunds, 75 Jahre nach der legendären Weißenhofsiedlung wollte die Vereinigung wieder Impulse für den Wohnungsbau geben, nicht am Rande, sondern mitten in einer Großstadt. Als Experimentierfeld stand ein Kasernen-Areal in Schwabing zur Verfügung.
Sakamotos Würfelwurf aus vier- bis elfstöckigen Punkthäusern wirkte frisch, sehr grün, sehr licht und doch auch dicht. In den Überarbeitungsphasen gab Sakamoto den Bedenkenträgern der Stadt so weit nach, dass eine spannungslose Ordnung entstand, die eher an Neue Heimat als an ein lebendiges Großstadtdorf erinnerte. Als dann auch noch Zäune gezogen wurden, um die »Störanfälligkeit« privater Freiflächen zu minimieren, war der Traum eines sozialen Biotops schon ausgeträumt. Mit der Verbannung von öffentlichen Nutzungen in den Erdgeschossen, war dem Viertel auch jede Möglichkeit genommen, Urbanität zu entfalten.
Statt nun alte ideologische Grabenkämpfe auszufechten, sollten sich alle Beteiligten fragen, woran sie gescheitert sind. Wenn der Werkbund mault, Sakamotos Konzept sei vorverurteilt worden, denn das Thema Ökologie hätte man sich für die nächsten Workshops vorgenommen, dann ist dies ein Zeugnis von Realitäts- und Traditionsferne. Denn immerhin war der Werkbund einmal Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit und Umwelt. Der Werkbund muss sich auch fragen lassen, ob das Schema »Siedlung« im städtischen Kontext zukunftsfähig ist. Und er muss über seine Strategie und Bündnispartner nachdenken. Und die Stadt München muss sich der bohrenden Frage stellen, warum sie es nicht fertigbringt, neue, bezahlbare, qualitativ hervorragende Urbanität für »Empty Nesters«, Familien und Kreative herzustellen. Sie muss ihre Planungs- und Vergabeverfahren grundlegend überdenken. Hamburg macht es gerade in der HafenCity vor, wie man durch eine kleinteilige, wettbewerbsorientierte Vergabepraxis Nachbarschaften präfiguriert, und wie man durch anschließende Architekturwettbewerbe für diese Nachbarschaften attraktiven Wohnraum schafft. Dabei sorgen Genossenschaften dafür, dass trotz hoher Erschließungskosten der Quadratmeterpreis für Mieter teilweise unter zehn Euro liegt. Baugemeinschaften werden geradezu ermutigt, ihren Teil zur lebendigen Stadt beizu- tragen.
Die Münchner Wohnungsbaugesellschaften, die einerseits Sakamoto wollten und andererseits Angst vor dem Ungewohnten zeigten, müssen sich fragen lassen, ob sie es sich leisten können, weiter so anspruchslos zu bauen wie bisher. Es reicht nicht, nur preiswerten Wohnraum irgendwo in der Stadt zur Verfügung zu stellen, dieser Wohnraum muss städtisch eingebunden werden. Andernorts ist Niedrigenergie bereits Standard, denn kein Mieter hat Lust auf steigende Nebenkosten. Dass flexible Grundrisse einer Langzeitbewirtschaftung entgegenkommen, hat sich auch längst herumgesprochen. Nach der Absage an Sakamoto und den Werkbund muss die Stadt München nun beweisen, dass sie willens und fähig ist, nicht nur ihren Wohnungsbau zu reformieren. Sie muss auch ihren Umgang mit öffentlichen Räumen prüfen. Was macht Stadt? – Das ist die alles entscheidende Frage. Das Wiesenfeld wird zum Prüfstein.
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