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Menschen im Hotel

Seniorenwohnstift Augustinum in Stuttgart-Killesberg
Menschen im Hotel

Auf dem Killesberg entstand auf einem Teilstück des ehemaligen Messegeländes in topografisch exponierter Lage und unmittelbarer Nachbarschaft zur Weißenhofsiedlung das zweite Augustinum in Stuttgart. Trotz der erheblichen Baumasse fügt sich das Seniorenwohnstift der gehobenen Art städtebaulich und architektonisch gut in die Umgebung ein.

  • Architekten: wulf & partner Tragwerksplanung: Fritz Deufel
  • Kritik: Ulrike Kunkel Fotos: Steffen Vogt
Der Gedanke an eine Seniorenwohnanlage oder gar ein Pflegeheim kommt bei diesem Ensemble aus vier »Doppeltürmen« nun wirklich nicht auf. An eine ganz »normale« Wohnsiedlung denkt man und wundert sich beim Näherkommen allenfalls, dass die Gebäude über einen gläsernen Sockelbereich miteinander verbunden sind. Beim Eintreten in die großzügig gestaltete Lobby mit Rezeption, Loungebereich und Bar glaubt man dann doch, sich geirrt zu haben: keine Wohnhäuser, sondern ein gediegen luxuriöses Hotel. Beide Assoziationen sind durchaus gewünscht; in den Häusern des Augustinums sollen sich die Bewohner sicher, aber dennoch frei, gut versorgt und betreut, aber nicht eingeengt und bevormundet fühlen. Eben eher wie in einer komfortaben Wohnan- lage mit Hotel-Service, nur, dass das Personal auf die speziellen Bedüfnisse älterer und alter Menschen eingestellt ist. Wesentlicher Bestandteil des Augustinum-Konzepts – und für viele bei der Entscheidung, in ein Haus dieses Trägers zu ziehen, durchaus ausschlaggebend – ist aber v. a. die garantierte vollumfängliche Pflege in der eigenen Wohnung.
Das Seniorenwohnstift auf dem Killesberg ist das jüngste der mittlerweile 22 Augustinum-Häuser, die über ganz Deutschland verteilt sind und von denen das erste 1962 eröffnet wurde. Das große Bauvolumen, das 290 Appartements sowie verschiedene Gemeinschaftsbereiche und -einrichtungen umfasst, verteilt sich geschickt auf acht Baukörper und einen verbindenden Sockelbereich, der sich wiederum in zwei Ebenen gliedert. Die obere (Erdgeschossebene) umfasst zusammenhängend im Wesentlichen Foyer, Veranstaltungssaal, Restaurant, Küche, Läden, Bankfiliale, Bibliothek, Musikzimmer und Kapelle. Die untere Ebene beinhaltet Schwimmbad, Wellness, Fitness, Pflege und Arztzimmer. Diese klare Nutzungsgliederung sowie Außenbezüge nach Norden und Süden erleichtern die Orientierung innerhalb der ausgedehnten Anlage. Beide Ebenen sind außerdem direkt anzufahren, so dass optimale Betriebsabläufe gewährleistet sind. ›
› Die acht Baukörper haben für sich genommen eine relativ kleine Grundfläche von 23 x 23 m, auf der jeweils nur sechs Wohnungen zwischen 50 und 80 m² untergebracht sind. Diese kleinen Einheiten vermitteln ein Gefühl von Individualität und Privatheit. In einigen der oberen Stockwerke befinden sich wenige Appartements mit über 100 m². Bis auf die kleinsten Wohnungen werden alle von zwei Seiten belichtet, ausschließliche Nord-Ausrichtungen gibt es keine; alle Appartements haben eine geschützte Loggia sowie großzügige Fensterflächen und sind mit Parkett, Küchenzeile, Bad und teilweise zusätzlichem Gäste-WC komfortabel und barrierefrei ausgestattet.
Immer zwei dieser »Wohnkuben« sind leicht versetzt zueinander über ein verglastes Treppenhaus zusammengekoppelt. Die entstehenden »Doppeltürme« sind in ihrer Höhe gestaffelt: von acht Geschossen zur verkehrsreichen Stresemannstraße im Westen bis hin zu sechs Geschossen zur im Osten angrenzenden Weißenhofsiedlung. Die Bebauung folgt damit dem Gelände, das ein Höhengefälle von ca. 10 m aufweist.
Differenziertes Volumen- und Fassadenkonzept
Die durchgrünte, offene Bauweise lässt immer wieder Blicke auf den alten Baumbestand des im Norden angrenzenden Höhenparks Killesberg bzw. auf die Nachbarhäuser zu. Doch nicht nur die städtebauliche Anordnung, sondern auch das differenzierte Fassadenkonzept löst das große Bauvolumen gekonnt auf und ermöglicht einen maßstäblichen Übergang zur benachbarten, z.T. kleinteiligen Wohnbebauung. Die eigentlich schlichten, hellgrauen Putzfassaden (WDVS) erhalten ihre besondere Gliederung und Rhythmisierung durch die nicht übereinander, sondern versetzt zueinander angeordneten Loggien und begleitenden Fensterflächen. Ein weiteres gestaltendes Element – das bei den Bewohnern allerdings auf leichte Irritation stößt – sind die zwar zu öffnenden, aber ansonsten nicht durchsichtigen, sondern weißen Fensterflügel. Zusammen mit den weißen Rahmen und den weiß ausgestrichenen Loggien unterstützen sie die plastische Qualität der Fassade. Noch stärker wäre die Wirkung allerdings, wenn die Fassaden in dunklem Grau und die Loggien, Brüstungsabdeckungen und weißen Fensterelemente in Marmor ausgeführt worden wären – eine Idee, die Wulf und Partner im Wettbewerb noch verfolgten. Es hätte vielleicht nicht unbedingt Marmor sein müssen, aber die Verwendung hochwertigerer Materialien hätte der Nahwirkung gut getan und wäre dem Projekt durchaus angemessen gewesen.
Urbaner Vorplatz — unbelebt
Der Haupteingang zur Seniorenwohnanlage liegt zentral an der verkehrsberuhigten Oskar-Schlemmer-Straße und ist über einen gepflasterten, städtisch anmutenden Vorplatz zu erreichen, der gleichzeitig als Begegnungsort für die Bewohner untereinander, aber auch mit der Öffentlichkeit dient. Eineinhalb Jahre nachdem die ersten Bewohner eingezogen sind, ist es hier, wie auch in den Begegnungsbereichen im Gebäude allerdings noch sehr ruhig; das Wohnstift ist bisher nicht annähernd voll belegt. Durch die Eingangshalle gelangt man in ›
› einen der mit Rasenflächen, Staudenbeeten und niedrigen Hecken angelegten Höfe. Über die versetzten Heckenstrukturen erfolgt eine unauffällige Abstufung der öffentlichen und halböffentlichen Bereiche. Das Grundstück ist nicht eingezäunt, sondern wird von Gabionen bzw. bräunlich-rot eingefärbten Betonmauern lediglich locker eingefasst.
Trotz großzügigem Vorplatz ist der Eingang an sich relativ unauffällig; bei einem ersten Besuch hat man jedenfalls ein wenig Mühe, ihn zu finden. Einen markanten Akzent sollte hier eigentlich der Veranstaltungssaal setzen, der von den Architekten als »Schatzkästchen« geplant war und vom Totalübernehmer (letztlich an Wulf und Partner vorbei) leider auf den Charme einer Technikzentrale heruntergespart wurde. Doppelt unverständlich, schließlich ist das zum großen Teil öffentliche Kunst- und Kulturprogramm auch ein wichtiger Bestandteil des Augustinum-Konzepts.
Ein weiterer Wermutstropfen ist das bläuliche, verspiegelte Sonnenschutzglas, mit dem sowohl die gesamte Sockelzone als auch die Verbindungstürme verglast sind. Die Architekten hatten hier eigentlich ein klareres Glas mit Sonnenschutzeigenschaften vorgesehen, doch auch dies wurde aus Kostengründen eingespart. So wirken die Gebäude merkwürdig unnahbar, was sich auch auf die Aufenthaltsqualität der umgebenden Freiflächen negativ auswirkt.
Dennoch ist auf dem Killesberg ein wohnlicher und sehr angenehmer Ort entstanden, der für seine Bewohner ein neues Zuhause geworden ist, wie die Stiftsleiterin Petra Hellenthal bestätigt. Ein Zuhause, das man sich allerdings leisten können muss: Bei Wohndarlehen zwischen 20 000 und 40 000 Euro und monatlichen Pensionspreisen von 2 550 bis 3 600 Euro – je nach Größe des Appartements (vollumfängliche Pflege noch nicht eingeschlossen), wendet sich der Träger an eine ausgesuchte, zahlungskräftige Klientel. •
  • Standort: Oskar-Schlemmer-Straße 5, 70191 Stuttgart Bauherr: DFH Immobilien Verwaltungsgesellschaft Nr. 11, Stuttgart Betreiber: Augustinum gemeinnützige GmbH, München Architekten: wulf & partner, Tobias Wulf, Kai Bierich, Alexander Vohl, Stuttgart Mitarbeiter: (Entwurf) Thomas Steimle, Daniela Weis, Christine Eisele, Berit Jennrich; (Planung) Thomas Steimle, Regina Brenner, Pablo Frank, Marcus Guhl, Jan-Michael Kallfaß, Axel Mannhorst, Clemens Obenland, Sebastian Stocker, Gaston Stoff Tragwerksplanung: Ingenieurgesellschaft Fritz Deufel, Deizisau Elektroplanung: Ingenieurbüro Puscher, Schelklingen Heizungsplanung: Planungsbüro Baur, Vöhringen Brandschutz: HK Brandschutz, Erkelenz Bauphysik: R’w Ingenieurgemeinschaft Bauphysik, Stuttgart, Dinkelsbühl Innenraumdesign: BHS, Senden-Hittistetten Außenanlagen: Landschaftsarchitekturbüro Möhrle + Partner, Stuttgart HNF: 24 000 m² BGF: 39 500 m² BRI: 140 000 m³ Baukosten: geschätzt ca. 70 Mio. Euro (KG 200-700) Bauzeit: Februar 2008 bis November 2009
  • Beteiligte Firmen: WDVS: Alsecco, Wildeck, www.alsecco.de Holz-Alu-Fenster: Schweizer, Hedingen, www.alsecco.de; Fensterfabrik Montag, Biberach, www.alsecco.de Pfosten-Riegel-Fassaden: Raico, Pfaffenhausen, www.alsecco.de; Schüco International, Bielefeld, www.alsecco.de Automatiktüren, Schiebewandsysteme: GEZE, Leonberg, www.alsecco.de Armaturen: Keuco, Hemer, www.alsecco.de Sanitärobjekte: Duravit, Hornberg, www.alsecco.de Sanitärtrennwände: Schäfer Trennwandsysteme, Horhausen, www.alsecco.de Stahltüren, Brandschutztore: Novoferm Riexinger Türenwerke, Brackenheim, www.alsecco.de Außenbeläge: Kronimus, Iffezheim, www.alsecco.de
A Wohnungstyp mit ca. 50 m² B Wohnungstyp mit ca. 65 m² C Wohnungstyp mit ca. 80 m²
1 Eingang 2 Rezeption 3 Lobby 4 Speisesaal 5 Verwaltung 6 Wohnen 7 Gemeinschaftsräume 8 Laden, Friseur, Bank 9 Veranstaltungssaal
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