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Markthalle · Market Hall

Anerkennung · Commendation
Markthalle · Market Hall

Beurteilung der Jury Eigentlich ist es nur eine einfache, luftige Hülle mit Dach, um auch bei schlechtem Wetter Markt abhalten zu können. Aber mit welcher Raffinesse wird dabei mit Innen- und Außenraum, mit Transparenz und Masse gespielt. Die Raum bildenden Wände der Markthalle wirken je nach Blickwinkel mal kompakt und undurchdringlich, mal äußerst transparent. So können die dicht an dicht gereihten Holzlamellen zugleich einen Raumabschluss für die Markthalle und die durch sie abgeschnürten neuen Gässchen bilden – ohne bedrohliche Enge zu erzeugen.

Sechseck Üblicherweise komplettiert die Markthalle als »drittes Element« neben Rathaus und Gotteshaus den Mittelpunkt eines gewachsenen Stadtgefüges. Zudem verrät die Architektur dieser drei wichtigsten urbanen Funktionsgebäude für Handel, Politik und Religion viel über den Wohlstand und die Zeitgeschichte der betreffenden Ansiedlung. So auch in dem Schweizer Städtchen Aarau – jedoch fällt dessen Markthalle gehörig aus dem Rahmen: Als jüngster Spross des Trios verstößt sie so ziemlich gegen jede Konvention, die das Bürgertum einem städtischen Repräsentanten auferlegt. Allerdings nur auf den ersten Blick – die luftige und schnörkellose »Kiste« schließt mit ihrer ausgeklügelten Architektur vorbildlich eine städtebauliche Wunde und dokumentiert zugleich mit ihrem Tragwerk den aktuellen Stand des modernen Holzbaus.
Etwa zwanzig Jahre lang klaffte in der lang gezogenen Gasse zwischen dem inneren und äußeren Mauerring der Aarauer Altstadt ein unbebautes Loch, das von dem Abbruch ehemaliger Hinterhöfe herrührte. Der an einen gekrümmten Flaschenhals erinnernde Freiraum sollte durch ein neues Gebäude die dringend notwendigen Raumkanten zurückerhalten, ohne dabei die Maßstäblichkeit aus den Augen zu verlieren. Der Entwurf der Architekten Miller & Maranta erfüllte diese Forderungen auf äußerst subtile Weise: Zum einen fügt sich die Markthalle mit ihrem unregelmäßigen, sechseckigen Grundriss ohne Aufbegehren zwischen die unterschiedlich gekrümmten Häuserfronten ein. Andererseits respektiert sie deren Höhen, indem sie mit ihrem Flachdachabschluss nicht einmal ansatzweise an den historischen Dachtraufen kratzt. Ihre architektonische Ausdruckskraft verdankt die Halle ihrer strengen Form und dem Wechselspiel von offenem Gerippe zu geschlossenem Kubus. Denn in seiner Gesamtheit setzt sich der Baukörper in Hallenlängsrichtung aus über hundert Douglasien-BS-Holz-Dachstützen/ Deckenbalken zusammen, die in einem Abstand von 43 bis 58 Zentimetern zueinander stehen. Auch an den beiden Stirnseiten reihen sich die etwa sechs Meter hohen, nur sieben Zentimeter schlanken und 45 Zentimeter tiefen Stützen im gleichen Abstand aneinander. Jedoch nur oberhalb der »Gürtellinie« von 2,20 Meter erlauben die »Lamellen« innerhalb eines bestimmten Blickwinkels Ein- und Durchblicke. Bis zu dieser Höhe schützen auf die Innenseite der Stützen aufgeschraubte Dreischichtplatten die Marktschreier vor Wind und Wetter. Einzig die Hälfte der Stirnseiten bleibt beim Marktgeschehen offen – ansonsten verschließt ein ebenfalls 2,20 Meter hohes Rolltor die stets gut durchlüftete Markthalle.
Die Mitte des Sechsecks markiert ein quadratischer, massiv daherkommender Holzpfeiler, der sich jedoch aus vier 24/24 BS-Holzstützen zusammensetzt, die über mehrere Bindehölzer miteinander verschraubt sind. Über dieser, im Fundament eingespannten vierteiligen Stütze treffen die Längs- und Querträger des Daches zusammen und bilden mit den Stützen entlang der Hallenlängswand ein statisch höher unbestimmtes, zweifeldriges Rahmentragwerk in Längsrichtung. Gegenüber dem ansonsten klaren und für jedermann ablesbaren Tragwerkskonzept verschwinden die vier Hauptträger an der Mittelstütze hinter deren aufgeleimter Bekleidung aus Dreischichtplatten, um nach einer geringfügigen Richtungskorrektur auf der gegenüberliegenden Seite des Pfeilers wieder zum Vorschein zu kommen. Auch wenn die rundum beplankte Stütze verschiedene Installationen in sich birgt, darf man sich fragen, warum das klare Konstruktionsprinzip an dieser Stelle verschämt verhüllt wurde. Die vierteilige Mittelstütze stellt ein wesentliches Element des Tragwerkkonzeptes dar – schon eine nur ansatzweise vorhan-dene Ablesbarkeit der vierteiligen Stütze hätte genügt, um den Richtungswechsel sowie die Abstufung des 24 Zentimeter breiten und 113 Zentimeter hohen Hauptträgers zum 18 Zentimeter breiten und nur 76 Zentimeter hohen Nebenträgers zu erklären. Zudem wäre es mit diesem Kniff problemlos möglich gewesen, die Massigkeit der Stütze optisch zurückzunehmen.
Da die Mittelstütze nicht torsionssteif eingespannt ist, waren alle 212 Eckverbindungen der Deckenbalken/Deckenstützen biegesteif auszuführen. Auf Stahlverbindungen wollte man jedoch weitestgehend verzichten, weshalb die Balken-Stützverbindungen mit abgesetztem Schlitz und Zapfen ausgeführt wurden (siehe Detail-bogen). An den beiden Längsträgern sind sämtliche in unterschiedlichen Winkeln ankommenden Deckenbalken über Schwalbenschwanzverbindungen gehalten – hergestellt im modernen CNC-Abbund, statt in historischer Handarbeit; genau so, wie sich das für einen rebellierenden Spross gehört.
Klaus Siegele

Jury’s Assessment In a sense it is just a simple, airy enclosure with a roof for keeping out inclement weather, yet at the same time demonstrating highly sophisticated play between interior/exterior and solidity/transparency. The enclosing walls of the market hall change their effect depending on vantage point; sometimes compact and impenetrable, sometimes highly transparent. In this way the closely spaced vertical timber screening spatially defines the market hall, while at the same time forming new surrounding lanes, without creating restrictive narrowness.
Hexagon The market hall normally completes the centre of a mature city structure as a “third element“ alongside the town hall and the place of worship. Furthermore, the architecture of these three most important urban buildings for trade, politics and religion says much about the prosperity and contemporary history of the settlement in question. Such is the case in the Swiss city of Aarau, despite its market hall being strikingly different. As the youngest sprout of the trio, the market hall sweeps aside every convention that the middle classes impose on a city representative, at least at first glance. The airy and unembellished “box” heals an urban scar in exemplary manner with its ingenious architecture, while at the same time documenting with its supporting structure the current state of modern timber construction.
As the result of the demolition of rear courtyards about twenty years ago, an elongated lane between the inner and outer walls of Aarau’s historic centre widened into an undeveloped hole. The open space, reminiscent of a bottle bent at the neck, had to retrieve its essential edges through the insertion of a new building, without losing sight of scale.
Architects Miller & Maranta’s proposal fulfilled these requirements in an extremely subtle manner. On the one hand the market hall, with its irregular sexangular floor plan, was able to be inserted effortlessly between cranked building fronts. On the other hand it respected their heights, not once projecting over the historical parapet line with its flat roof. The hall’s powerful architectonic expression arises from its stringent form and the play between open structure and closed solid. The entire structure is made up of over 100 laminated Douglas fir portal frames spaced at 430–580mm centres in the longitudinal direction.
Likewise, the columns along the end walls, approximately 6 metres high by only 70mm wide and 450mm deep, are spaced at a similar distance from each other. However, the “louvres” only permit views in and out of the hall above the 2.2 metre “belt line” from certain angles. Up to this height, the market barkers are protected from wind and weather by screw-fixed three-ply boarding. Only one half of the end walls is opened for market trading. At other times a high roller door, also 2.2 metres high, closes the permanently well ventilated market hall.
The centre of the sexangle is marked by an apparently massive timber column, which in fact consists of four 240x240mm laminated timber posts, screw-fixed together through timber spacers. This four-piece column, firmly fixed to its foundations, is located under the intersection of the longitudinal and latitudinal roof beams, and together with the columns along the hall’s side walls, forms a highly statically indeterminate two-part structural framing system in the longitudinal direction.
In contrast to the otherwise clear and readable structural concept, the four main beams disappear over the central column behind an adhered cladding of three-ply boarding, and appear again on the other side of the column after a minor directional adjustment. Even though the fully boarded column conceals various building services contained within, one may wonder why the clear construction principle at this point was bashfully covered up. The four-part central column constitutes a fundamental element of the structural concept – yet a rudimentary reading of the exposed four-part column would have sufficed in order to explain the directional adjustment as well as the transition from the 240x1130mm main beams to the 180x760mm secondary beams. Furthermore, it would have been possible to optically reduce the massiveness of the column. As the fixing of the central column is not torsionally stiff, all 212 portal frame column/beam connections had to be resistant to bending. Steel connections were to be avoided as far as possible, thus the column/beam connections were constructed with a chamfered mortice and tenon joint (refer to detail sheet). Roof beams abutting both longitudinal beams at varying angles are connected via a dovetailed joint using modern CNC machining methods instead of traditional handwork; as is perfectly befitting of a rebellious sprout.
Klaus Siegele


  • Bauherr · Client: Einwohnergmeinde der Stadt Aarau, vertreten durch das Stadtbauamt
    Architekten · Architects: Miller & Maranta, Basel
    Mitarbeiter · Project team: Peter Baumberger, Sabine Rosenthaler, André Hubschwerlin
    Holzbau · Timber engineering: Conzett Bronzini Gartmann AG, Chur
    Tiefbau · Civil engineering: René Wernli, Aarau
    Elektroplanung · Electrical planning: Hefti Hess Martigoni AG, Aarau
    Sanitärplanung · Sanitation planning: Raimann + Partner AG, Aarau
    Lichtplanung · Lighting: Mosersidler AG, Zürich
    Sprinklerplanung · Sprinkler planning: Technisches Brandinstitut, Urdorf
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