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Lowtech statt Hightech

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Lowtech statt Hightech

Mit der von Solarlux als »CO2mfort-Fassade« bezeichneten Gebäudehülle seiner niederländischen Niederlassung in Nijverdal wollte der Hersteller von Glasfaltwänden zeigen, dass Ökonomie und Ökologie bei Objektbauten mit großflächigen Glasfassaden keine Gegensätze sein müssen. Grundgedanken bei der Entwicklung der Doppelfassade waren Lowtech statt Hightech sowie die aktive Beteiligung und Einflussnahme durch die Nutzer. Ob sich die Erwartungen an eine hohe Energieeffizienz und CO2-Reduktion erfüllt haben und ob die Mitarbeiter ausreichend zur aktiven Beteiligung motiviert werden konnten, darüber gibt ein Jahr nach Fertigstellung eine Zwischenbilanz Auskunft.

Ausgangsidee für die »CO2mfort-Fassade« war der Rückgriff auf das Wissen der Vergangenheit – das Doppelfenster. Solarlux hat dieses Prinzip in eine Doppelfassade übertragen, die den Nutzer in den Vordergrund stellt und einfach zu bedienen ist. Eine primäre wärmegedämmte Fassadenebene, bestehend aus Holz-Glas-Faltwänden vom Typ »SL 65« mit einer Flügelhöhe von 3 m, bildet den Raumabschluss. Davor befindet sich ein rahmenloses, raumhohes Schiebe-Dreh-System vom Typ »SL 25 XXL« als ungedämmte Glasebene. Die doppelte Fassade bildet so einen begehbaren Fassadenkorridor, der das Gebäude auf drei Seiten umhüllt. Die äußere Glasfassade hält Wind und Wasser ab, die innere fungiert als thermische Trennung zwischen innen und außen. Beide Fassadenebenen lassen sich dabei unabhängig voneinander manuell vollständig auffalten: Die Möglichkeiten reichen dabei von einer komplett geschlossenen Fassade über Teilöffnungen bis hin zum Arbeiten »im Freien«. Bei einer versetzten Flügelstellung der inneren und äußeren Fassade (Diagonalöffnung) kann – anders als bei herkömmlichen Fenstern – der Luftstrom exakt und individuell gesteuert werden, ohne die Bedürfnisse anderer Mitarbeiter zu beeinträchtigen. Das Verwaltungsgebäude kommt auf diese Weise ohne mechanische Lüftungsanlage (Motoren, Lüftungskanäle, Stellklappen, Steuerungstechnik) aus.

Heizen und Kühlen
Damit das Gebäude zu jeder Jahreszeit weitgehend CO2-neutral temperiert ist, werden zum Heizen und Kühlen ausschließlich regenerative Energiequellen genutzt. Aus einer Geothermie-Anlage wird über das gesamte Jahr ca. 15°C warmes Wasser gewonnen; eine Wärmepumpe bringt das Wasser auf das notwendige Temperaturniveau. Zusätzlich wird die Abwärme des Serverraums in das Heizungssystem eingespeist. Die gesamte Heizung beruht auf einem Niedertemperatursystem, das alle Geschossdecken sowie die Fußbodenheizung der Ausstellungshalle durchströmt – so entsteht eine angenehme Strahlungswärme in allen Räumen. Im Sommer wird das kühle Wasser aus den Erdwärmesonden genutzt, um alle massiven Bauteile auf Raumtemperatur herunterzukühlen. Im Gegensatz zu einer Klimaanlage, die große Luftmengen transportiert und Zugluft verursacht, benötigt dieses System kein Rückkühlwerk und erreicht einen besseren thermischen Komfort, da keine kalte Luft in den Raum eingeleitet wird. Installations- und Wartungskosten sowie Stellfläche für eine aufwendige Lüftungs- und Klimatisierungsanlage enfallen. Und, weil Wasser ein besseres Übertragungsmedium für Wärme ist, werden dazu nur kleine Pumpen statt großer Ventilatoren benötigt. Zusätzlich zur Nutzung der Geothermie für Heizen und Kühlen wird ein Teil der erforderlichen elektrischen Antriebsenergie für das Leitungsnetz über eine Photovoltaik-Anlage auf den Atriendächern gewonnen. Außerdem kann durch die Bauteilaktivierung auf abgehängte Decken verzichtet werden. Größere Raumhöhen mit besserer Tageslichtausbeute und geringeren Stromkosten sind möglich. Für die Be- und Entlüftung des Gebäudes wird der Wind genutzt und die natürliche Luftströmung über bauliche Maßnahmen unterstützt. Zwei schräg stehende Pultdächer sind in Hauptwindrichtung angeordnet und werden vom ständig vorherrschenden Wind überströmt. Durch den Tragflächeneffekt entsteht ein Unterdruck, der die verbrauchte Luft abführt. Das Konzept der CO2mfort-Fassade sorgt für Solargewinne, die Gebäudehülle fungiert als Solar-Luft-Kollektor. Im Winter kann die durch Sonnenwärme aufgeheizte Luft des Fassadenzwischenraums zur Raumheizung genutzt werden. Wärmestau wird durch flexibles Öffnen der primären bzw. sekundären Fassadenebene verhindert.
Zwischenbilanz
Obwohl die Datenaufzeichnung (Verbrauchswerte, jahreszeitliche Temperaturverläufe, Sauerstoffsättigung der Raumluft, Luftmengenumsatz etc.) in einem Gemeinschaftsprojekt mit der Fassadenforschungsgruppe der TU Delft und der Firma Transsolar langfristig angelegt ist, kann nach einem Jahr Nutzung bereits ein Zwischenergebnis betrachtet werden. Für den Gasverbrauch in Bürogebäuden wird im Durchschnitt mit 2,8 m3 pro Kubikmeter Gebäude/Jahr gerechnet, was bei der Gebäudegröße rein rechnerisch zu einem Verbrauch von 22 890 m3 führen würde. Tatsächlich wurden im ersten Jahr in Nijverdal 1 800 m3 verbraucht. Die langfristige Erwartung liegt bei <500 m3/p.a..
Ähnlich positive Ergebnisse liegen auch beim Wasser- und Stromverbrauch vor. Statistisches Mittel für den Wasserverbrauch pro Mitarbeiter und Jahr sind 7 m3 (rechnerisch 210 m3 bei 30 Mitarbeitern). Der Ist-Verbrauch im neuen Verwaltungsgebäude lag bei 75 m3/p.a.. Die Erwartung ist auf <50 m3/p.a. ausgerichtet. Der Stromverbrauch für Beleuchtung lag mit 6 kWh/m2 bei weniger als einem Drittel in vergleichbaren, herkömmlichen Bürobauten (20 kWh/m2). Langfristig beobachtet werden auch die Gebäudenutzer. Auch hier ist das Ergebnis eindeutig positiv. Indikator dafür ist ein »Meckerkasten«: Hier geben die Mitarbeiter schriftlich und anonym Feedback über ihre persönliche Erfahrungen im Umgang mit der Fassade und zur Qualität des Raumklimas ab. Seit Monaten sind jedoch keine Beschwerden mehr eingegangen. •
~Nicole Holtgreife
  • Solarlux www.solarlux.de
  • Die Autorin Nicole Holtgreife studierte Betriebswirtschaft an der Hochschule für Politik und Wirtschaft in Hamburg sowie an der UTS in Sydney und ist seit 2005 für die Unternehmenskommunikation von Solarlux verantwortlich.
  • Standort: Marie Curiestraat 2, 7442 DP Nijverdal (NL) Bauherr: Solarlux Nederland BV, Nijverdal (NL) Entwurf: Architectenburo Van der Linde en Associates, Zupthen (NL) Bauleitung: Architectenburo Van der Linde en Associates, Zupthen (NL) Fertigstellung: Juli 2010 Nutzfläche: 1 825 m² Umbauter Raum: 8 175 m³ Baukosten: 3,3 Mio. Euro Fassaden-Systeme: » SL 65« (Holz-Glas-Faltwand) und Schiebe-Dreh-System »SL 25 XXL«
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