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Laminiert, geklebt oder ultraschallgeschweisst

Flächige und punktuelle Fügetechniken bei Gläsern
Laminiert, geklebt oder ultraschallgeschweisst

Glasbau als Fachgebiet des Ingenieurwesens gewinnt zunehmend an Bedeutung: Die derzeit etablierten Fügetechniken, ob punktuell, linienförmig oder in der Fläche, werden steigenden Anforderungen und Wünschen oft nicht mehr gerecht. Neue Hightech-Folien oder neuartige Verbindungstechniken aus verwandten Industriebranchen finden sich in modifizierter Form nicht nur in Forschungsarbeiten in der Baubranche wieder, sondern vereinzelt auch schon in aktuellen Projekten.

Text: Jonas Kleuderlein, Jens Schneider Fotos: Martin Mai, Stefano Paltera u. a.

In der heutigen Architektur ist Glas weit mehr als das historische Fensterglas in seiner Funktion als transparenter Raumabschluss. In den letzten Jahrzehnten wurde das Baumaterial zu einem Werkstoff, der großflächige Öffnungen oder Ganzglashüllen und lichtdurchflutete Räume ermöglicht, aber auch einen ingenieurmäßigen Planungsansatz voraussetzt. In diesem Kontext wurden in jüngster Zeit neuartige Verbindungstechniken entwickelt, die zum einen ein Höchstmaß an transparenter Architektur erlauben, v. a. aber dem Baustoff Glas neue Einsatzgebiete erschließen. Ob flächige oder punktuelle Verbindungen – die Einleitung von Lasten in Glasstrukturen stellt aufgrund des spröden Werkstoffverhaltens immer eine besondere Herausforderung dar.
mit Laminaten
Trotz der immensen Weiterentwicklungen der vergangenen Jahre wird Glas nach wie vor überwiegend als flächiges Material eingesetzt. Die Grundlage bildet das Floatglas, das jedoch kaum noch direkt verwendet, sondern fast immer in weiteren Veredelungsprozessen optimiert wird. Etwa zu Verbundglas (VG), bei dem die Einzelscheiben z. B. über Gießharz miteinander verbunden sind, oder zu Verbundsicherheitsglas (VSG), bei dem eine Folie an die Stelle des Gießharz‘ tritt und im Schadensfall das Herabfallen von gefährlichen Glassplittern verhindert und so die Resttragfähigkeit nach dem Glasbruch erhöht – für Überkopfverglasungen beispielsweise unumgänglich. Aber auch auf dem Feld des konstruktiven Glasbaus in Form von aussteifenden Glaselementen, Glasträgern oder gläsernen Fassadentragstrukturen wird VG oder VSG eingesetzt.
VSG – sicherer Verbund mit (meist PVB-) Folien
Bei der Herstellung des VSG wird zwischen zwei Glasscheiben eine Folie eingefügt, die in einem Laminationsprozess im Kalander (Rollenvorverbund) und anschließend im Autoklaven (Druckbehälter) bei einer Temperatur von ca. 140 °C und einem Druck von etwa 14 bar einen dauerhaften Verbund mit den Glasscheiben eingeht. Der Aufbau kann je nach Anwendung auch mehrere Glas- und Folienschichten beinhalten. Ein Beispiel für die Verwendung von mehrschichtigem VSG sind begehbare Treppenstufen aus Glas.
Das Laminationsverfahren ist derzeit die bekannteste, flächige Fügetechnik im Glasbau. Die Qualität des Laminats wird dabei maßgeblich von den Eigenschaften der Folien bestimmt. Polyvinylbutyral (PVB) ist die am weitesten verbreitete Zwischenschicht. Nach Bauregelliste A und DIN EN ISO 527–3 sind bei einer Belastungsgeschwindigkeit von 50 mm/Minute eine Reißfestigkeit größer 20 N/mm² und eine Bruchdehnung größer 250 % gefordert. Die Materialeigenschaften der viskoelastischen, reißfesten, thermoplastischen PVB-Folie werden allerdings maßgeblich von der Umgebungstemperatur und der Belastungsdauer bestimmt. Mit steigender Folientemperatur nimmt der Schubmodul der Zwischenschicht signifikant ab. Zudem weist das Material unter Dauerbelastung ein ausgeprägtes Relaxations- bzw. Kriechverhalten auf. Bei der statischen Dimensionierung wird der Schubverbund durch die PVB-Zwischenschicht aufgrund der deutlichen Temperaturabhängigkeit sowie des ausgeprägten Relaxations- bzw. Kriechverhaltens üblicherweise nicht berücksichtigt. In Einzelfällen kann für den statischen Nachweis der Schubverbund für Windbelastung im Rahmen einer Zustimmung im Einzelfall (ZiE) oder auf der Basis von allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen mit einem Schubmodul von 0,4 N/mm² angesetzt werden.
Betriebsgeheimnis!? – Verbundfolien aus modifiziertem Polyethylen
Wenn die Anwendung eine höhere Steifigkeit bzw. eine höhere Festigkeit der Zwischenschicht erfordert, gibt es in jüngster Zeit auch spezielle Laminate, die zusätzlich zu den Anforderungen einer Standard-(VSG)- Zwischenschicht einen höheren Schubmodul erreichen. Dieser kommt über den Einsatz einer Verbundfolie aus einem modifizierten Polyethylen zustande. Die Vorteile eines solchen Laminats werden v. a. für Konstruktionen mit einer hohen Anforderung an die Resttragfähigkeit ausgenutzt. Es eignet sich aber auch für das Auflaminieren von Verbindungselementen aus Edelstahl oder Titan. Zudem lässt sich dieses VSG insbesondere für Glasscheiben jenseits der Standardabmessungen verwenden. Eindrucksvolles Beispiel ist der in diesem Jahr erbaute Apple Store in Pudong (Shanghai) aus 12,60 m langen und 2,60 m breiten, gebogenen VSG-Glasscheiben.
Durch die deutlich gesteigerte Festigkeit der Zwischenfolie wird aber auch ein neues Herstellungsverfahren für gebogene Glasscheiben möglich: Das Kaltbiegeverfahren. Bei diesem werden die Glasscheiben vor dem ›
› Laminieren mechanisch kalt gebogen. Dieser Zustand wird dann im Laminationsprozess über die Verbundwirkung der Zwischenschicht fixiert. Signifikante Vorteile im Vergleich zum häufig angewendeten Schwerkraftbiegeverfahren, bei dem die Glasscheibe auf eine Temperatur oberhalb der Transformationstemperatur (ca. 520 °C) erhitzt wird, sind eine hohe Oberflächenqualität sowie eine hohe Planität.
Erstmaligen Einsatz findet eine sphärisch gekrümmte, kaltgebogene (Dreifach-)VSG-Scheibe am Erweiterungsbau des Frankfurter Städel Museums (Architekten Schneider Schumacher), der nächstes Jahr fertig gestellt wird. Hier werden die oberen Glasscheiben der Isolierglas-Oberlichter mit einem Durchmesser von bis zu 2,50 m mit einem Stich von 25 mm im Kaltbiege-verfahren vorgekrümmt. Für die Zwischenschichten der begehbaren Verglasung wird eine Folie mit einer Nenndicke von 0,9 mm verwendet.
Laminate für Pflanzen
Die für Fassaden in der Regel positive Eigenschaft der PVB-Folien, die ultraviolette Strahlung zu filtern, ist für Palmengärten, Gewächs- und Tropenhäuser, aber auch bei Fußballstadien ein Ausschlusskriterium. Pflanzen können ohne ausreichende UV-Strahlung die für ihr Wachstum notwen- dige Fotosynthese nicht aktivieren. Um für diese Anwendungen eine Alternative zu dem häufig eingesetzten Polymethylmethacrylat (PMMA, u. a. bekannt unter dem Produktnamen Plexiglas) oder Polycarbonat zu schaffen, gibt es spezielle Verbundgläser wiederum auf der Basis modifizierter Polyethylene, die eine UV-Transmission ermöglichen.
Ein Beispiel aus jüngster Zeit ist die Sanierung des Tropenhauses im Botanischen Garten in Berlin. Um ein optimales Wachstum der sensiblen Pflanzenwelt sicherzustellen, war eine UV-durchlässige Verglasung notwendig. Im Überkopfbereich musste aber zusätzlich die innere Scheibe der Isolierverglasung zwingend als VSG ausgeführt werden. Daher wurde ein VSG mit einer speziellen UV-durchlässigen Zwischenschicht verwendet. Im Gegensatz zu vielen anderen Standardfolien lässt diese Folie sowohl UV-A- als auch UV-B-Strahlung durch und ermöglicht so ein kontrolliertes Pflanzenwachstum.
Laminate für die Energiegewinnung
Der für Photovoltaik-Module standardmäßig eingesetzte Folientyp Ethylenvinylacetat (EVA) bietet im Unterschied zu PVB-Folien eine höhere Transmission gerade auch in dem für die Energiegewinnung wichtigen UV-Strahlungsbereich. Um die Zellstrings der PV-Module gegen mechanische Beanspruchungen, Witterungseinflüsse und Feuchtigkeit zu schützen, müssen diese »verkapselt« werden. Als Trägermaterial des Schichtaufbaus eines PV-Moduls dient meist ein eisenoxidarmes Glas, gefolgt von der EVA-Folie, den PV-Zellen und einer weiteren EVA-Folie. Rückseitig wird wahlweise ein witterungsbeständiger Folienverbund oder eine weitere Glasscheibe angeordnet. EVA ist ein Copolymerisat, das sich im Schmelzklebeprozess bei Unterdruck und einer Temperatur um 150 °C von einer milchigen Folie in eine klare, dreidimensional vernetzte und nicht mehr aufschmelzbare Kunststoffschicht umwandelt, in der die PV-Zellen eingebettet sind. Die Folie weist eine Reißfestigkeit von 10-25 N/mm² und eine Bruchdehnung von über 500 % auf. Aufgrund dieser Eigenschaften ist die Resttragfähigkeit im Vergleich zu PVB-Zwischenschichten deutlich reduziert. Daher sind PV-Module mit einer EVA-Verkapselung meist als Verbundglas zugelassen und nur in Einzelfällen mit einer ZiE als Verbund- sicherheitsglas einsetzbar. ›
› Am Beispiel der PV-Fassade des »surplushome« der TU Darmstadt (Solar Decathlon, s. db 11/2010, S. 58 ff) wurde diese Problematik deutlich: Da die Glas-Glas-Elemente (Dünnschicht-PV-Module) aufgrund der EVA-Zwischenschicht nicht als Sicherheitsverglasung eingestuft waren, wurde auf der Grundlage von Pendelschlagversuchen in sensiblen Bereichen (Treppen und Rampen) rückseitig zusätzlich eine Splitterschutzfolie aufgebracht.
Punktuelle Fügetechnik
Punktuelle Fügetechniken, ob im Bereich Glas-Glas oder im Bereich Glas-Metall, werden bisher meist mechanisch in Form von Klemm- oder Punkthaltern umgesetzt. In der Forschung und in einigen wenigen Anwendungsbereichen werden seit geraumer Zeit adhäsive Verbindungstechniken untersucht bzw. eingesetzt. Im Bereich des Glasbaus werden Polymer- Klebstoffe (Thermoplaste, Elastomere, Duromere), v. a. Silikone, Acrylate, Epoxidharze und Polyurethane, untersucht (Forschungsarbeit TU Dresden). In der praktischen Anwendung haben sich Klebungen allerdings bisher nur bedingt durchgesetzt. Ein Beispiel sind linienförmige Silikon- klebungen bei Structural-Glazing-Fassaden.
Transparente Silikone
Silikone sind im Allgemeinen witterungs- und UV-beständig. Ihre physikalischen Eigenschaften sind über den baupraktischen Temperaturbereich stabil. Nachteilig ist das ausgeprägte Kriechverhalten unter Dauerlast sowie die (bei den für lastabtragende Verklebungen zugelassenen Produkten) fehlende Transparenz des Klebstoffs. Diese negativen Eigenschaften verspricht ein neuartiger Silikon-Klebstoff zu eliminieren, der vollständig transparent ist und im Vergleich zu Standard-Silikonen eine gesteigerte Festigkeit (drei- bis vierfach) aufweist und wesentlich schneller – innerhalb von 20-30 Minuten im Autoklaven bei erhöhter Temperatur– aushärtet. Die verbesserten Eigenschaften machen den Klebstoff vielversprechend für punktuelle Befestigungen wie beispielsweise für Beschläge oder für punktgehaltene Glasfassaden im Außenbereich.
Klebebänder
Ein signifikanter Nachteil von Klebungen stellt die hohe Abhängigkeit der Fügequalität von der praktischen Ausführung der Klebung dar. Denn dabei handelt es sich üblicherweise um einen sensiblen Prozess, der insbesondere bei der Herstellung auf der Baustelle negativ beeinflusst werden kann. Untersuchungen zum Einfluss der Baustellenumgebung auf die Qualität der Klebung laufen derzeit an der Universität Gent.
Im Bereich der Structural-Glazing-Fassaden gibt es aber seit Kurzem die Möglichkeit, eine adhäsive Verbindung mittels eines Klebebandes herzustellen. Bestehend aus Acrylschaum, besitzt es eine europäische Zulassung und kombiniert die Vorteile einer adhäsiven Verbindungstechnik mit einer standardisierten Montagetechnik. In diversen Projekten werden derzeit weitere Anwendungsfelder untersucht, wie beispielsweise die lineare Befestigung von Halterungsprofilen aus Leichtmetall (sogenannte Back-Rails) an PV-Modulen.
Ultraschallschweissen
Eine neuartige Alternative zu Klebeverbindungen stellt das Ultraschallschweißen dar: Das Verfahren verbindet Glas und Aluminium (bzw. Aluminium-plattierte Metalle) durch einen Schweißprozess, indem die Werk-stoffe an den Fügeflächen mittels Ultraschall in Schwingungen versetzt werden und eine dauerhafte, nicht lösbare Verbindung eingehen. Stofffremde Zwischenschichten entfallen. Das Verfahren befindet sich derzeit noch in der Erprobung, so dass verlässliche Daten über die Belastungsfähigkeit sowie Dauerhaftigkeit noch ausstehen. Einsatzgebiet der neuen Fügetechnik sind im ersten Schritt Beschlagteile für Ganzglaselemente sowie die Befestigung von Anschlussbuchsen an PV-Modulen. •
Weitere Informationen:
Verglasung Tropenhaus in Berlin: s. Produkte in db 11/2009, S. 64/65
Solar Decathlon, s. Technik aktuell Hochschule, db 11/2010, S. 58 ff
Eine gute Übersicht zu den gängigen (und zukünftigen) Glas- Verbindungstechniken und eine Projektübersicht findet sich unter www.baunetzwissen.de/Glas, die auch von dem Autor dieses Beitrags, Jens Schneider, betreut wird.
Beteiligte Firmen:
Der erwähnte Hersteller von speziellen Laminierfolien auf Polyethylen-basis, mit denen sich ein höherer Schubmodul erreichen lässt, ist DuPont mit »SentryGlas®Ionoplast«, www.dupont.de. Schollglas bietet ein ähnliches Produkt als Gießharz mit erhöhtem Schubmodul unter der Bezeichnung »Gewe-composite®«, www.dupont.de
Apple Store in Pudong (mit »SentryGlas®«, DuPont): Beijing north glass
Erweiterungsbau des Frankfurter Städel Museums mit sphärisch gekrümmten, kaltgebogenen VSG-Scheiben (»sedak spherical« mit Folie »SentryGlas®« von DuPont , s. auch S. 84): seele sedak, www.sedak.com
Tropenhaus in Berlin (»SANCO«-Isolierglas mit Floatglas »EUROWHITE«, innenseitig versehen mit Anti-Reflex-Beschichtung »LUXAR« und im Überkopfbereich (ab 11 ° Neigung) zusätzlich innere Scheibe aus VSG mit »SentryGlas®«-Zwischenlage von DuPont): Glas Trösch
PV-Fassaden-Lamellen des Solar Decathlon-Beitrags »surplushome«: Würth Solar, www.wuerth-solar.de
Transparenter Silikon-Klebstoff: Untersuchungen zum Verhalten des Klebstoffes werden derzeit von dem Hersteller Dow Corning durchgeführt, www.dowcorning.de
Ultraschallschweißen: Grenzebach, www.grenzebach.com
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